Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
der Mühe werth, zwanzig Meilen zu reisen,
um persönlich einen Korb zu überbringen?
Baronin. Das Verlangen meinen Bru-
der zu sehen, meine Schwägerin kennen zu
lernen, und dann - warum soll ich es nicht
bekennen - ? ein wenig Neubegier - man
macht so viel Rühmens von diesem Baron
Wolkenstein -
Nan. O, wenn Sie neugierig sind, so
darf er auch noch hoffen. Eine echte Gleich-
gültigkeit ist nicht neugierig. Und warum woll-
ten Sie auch bei Jugend, Schönheit und
Reichthum sich hartnäckig in den Witwen-
schleier wickeln, blos weil Ihr verstorbener
Ehegemahl nicht liebenswürdig war?
Baronin. Nicht deswegen, sondern weil
die Männer meines Standes in unsern Ta-
gen Alle nichts taugen. Sie suchen, beim
Scheine von Hymens Fackel, nur Gold und
Ehrenstellen.
Nan. Ei so nähme ich mir einen Mann
aus dem Mittelstande.
der Muͤhe werth, zwanzig Meilen zu reisen,
um persoͤnlich einen Korb zu uͤberbringen?
Baronin. Das Verlangen meinen Bru-
der zu sehen, meine Schwaͤgerin kennen zu
lernen, und dann – warum soll ich es nicht
bekennen – ? ein wenig Neubegier – man
macht so viel Ruͤhmens von diesem Baron
Wolkenstein –
Nan. O, wenn Sie neugierig sind, so
darf er auch noch hoffen. Eine echte Gleich-
guͤltigkeit ist nicht neugierig. Und warum woll-
ten Sie auch bei Jugend, Schoͤnheit und
Reichthum sich hartnaͤckig in den Witwen-
schleier wickeln, blos weil Ihr verstorbener
Ehegemahl nicht liebenswuͤrdig war?
Baronin. Nicht deswegen, sondern weil
die Maͤnner meines Standes in unsern Ta-
gen Alle nichts taugen. Sie suchen, beim
Scheine von Hymens Fackel, nur Gold und
Ehrenstellen.
Nan. Ei so naͤhme ich mir einen Mann
aus dem Mittelstande.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#NA">
              <p><pb facs="#f0036" n="30"/>
der Mu&#x0364;he werth, zwanzig Meilen zu reisen,<lb/>
um perso&#x0364;nlich einen Korb zu u&#x0364;berbringen?</p>
            </sp>
            <sp who="#BAR">
              <speaker>Baronin.</speaker>
              <p> Das Verlangen meinen Bru-<lb/>
der zu sehen, meine Schwa&#x0364;gerin kennen zu<lb/>
lernen, und dann &#x2013; warum soll ich es nicht<lb/>
bekennen &#x2013; ? ein wenig Neubegier &#x2013; man<lb/>
macht so viel Ru&#x0364;hmens von diesem Baron<lb/>
Wolkenstein &#x2013;</p>
            </sp>
            <sp who="#NA">
              <speaker>Nan.</speaker>
              <p> O, wenn Sie neugierig sind, so<lb/>
darf er auch noch hoffen. Eine <hi rendition="#g">echte</hi> Gleich-<lb/>
gu&#x0364;ltigkeit ist nicht neugierig. Und warum woll-<lb/>
ten Sie auch bei Jugend, Scho&#x0364;nheit und<lb/>
Reichthum sich hartna&#x0364;ckig in den Witwen-<lb/>
schleier wickeln, blos weil Ihr verstorbener<lb/>
Ehegemahl nicht liebenswu&#x0364;rdig war?</p>
            </sp>
            <sp who="#BAR">
              <speaker>Baronin.</speaker>
              <p> Nicht deswegen, sondern weil<lb/>
die Ma&#x0364;nner <hi rendition="#g">meines</hi> Standes in unsern Ta-<lb/>
gen Alle nichts taugen. Sie suchen, beim<lb/>
Scheine von Hymens Fackel, nur Gold und<lb/>
Ehrenstellen.</p>
            </sp>
            <sp who="#NA">
              <speaker>Nan.</speaker>
              <p> Ei so na&#x0364;hme ich mir einen Mann<lb/>
aus dem Mittelstande.</p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[30/0036] der Muͤhe werth, zwanzig Meilen zu reisen, um persoͤnlich einen Korb zu uͤberbringen? Baronin. Das Verlangen meinen Bru- der zu sehen, meine Schwaͤgerin kennen zu lernen, und dann – warum soll ich es nicht bekennen – ? ein wenig Neubegier – man macht so viel Ruͤhmens von diesem Baron Wolkenstein – Nan. O, wenn Sie neugierig sind, so darf er auch noch hoffen. Eine echte Gleich- guͤltigkeit ist nicht neugierig. Und warum woll- ten Sie auch bei Jugend, Schoͤnheit und Reichthum sich hartnaͤckig in den Witwen- schleier wickeln, blos weil Ihr verstorbener Ehegemahl nicht liebenswuͤrdig war? Baronin. Nicht deswegen, sondern weil die Maͤnner meines Standes in unsern Ta- gen Alle nichts taugen. Sie suchen, beim Scheine von Hymens Fackel, nur Gold und Ehrenstellen. Nan. Ei so naͤhme ich mir einen Mann aus dem Mittelstande.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815/36
Zitationshilfe: Kotzebue, August von: Der Rehbock oder die Schuldlosen Schuldbewußten. Leipzig, 1815, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kotzebue_rehbock_1815/36>, abgerufen am 22.12.2024.