noch einfachen Unterscheidung zwischen 2 Vocalen bezogen werden. Ferner aber würden wir erwarten dürfen, dass sich eine Beschleuni- gung in der Auslösung der Reactionsbewegungen auch hier in dem häufigeren Auftreten von Fehlreactionen kundgeben werde. In der That sind diese letzteren bei den Chloralversuchen noch ein wenig häufiger, als in den Paraldehydreihen. Das Verhältniss derselben zu den richtigen Reactionen stellt sich, wenn man die durch das Medicament beeinflussten Zahlen berücksichtigt, dort auf 1:10,5, hier nur auf 1:11,2. Bei weiterer Betrachtung sieht man jedoch, dass die Diffe- renz zwischen den betreffenden Normalreihen eine viel grössere ist. In den Beobachtungen, welche dem Einnehmen des Paraldehyd vor- ausgingen, kam durchschnittlich 1 Fehlreaction auf 20,5 richtige, in der Normalreihe des Chloralversuches dagegen 1 Fehlreaction schon auf 9 richtige. Unter dem Einflusse des Chloralhydrates wurden dem- nach die Fehlreactionen jedenfalls nicht häufiger, als vorher, während das bei den Paraldehydversuchen in sehr ausgesprochenem Masse der Fall war. Der Unterschied zwischen den beiden Normalreihen aber dürfte sich daraus erklären, dass bei den Versuchen des Jahres 1882 die Wahlreactionen, wie ihre kurze Dauer beweist, durch die grössere Uebung aus der sensoriellen in die musculäre Form übergegangen waren, eine Wandlung, die regelmässig von einer Zunahme der Fehl- reactionen begleitet ist.
Eine Erleichterung des Wahlactes unter dem Einflusse des Chloralhydrates hat sich somit nicht erweisen lassen. Es soll indessen darauf hingewiesen werden, dass doch wenigstens in der ersten Gruppe von Beobachtungen nach dem Einnehmen des Mittels schon auf 7 richtige eine Fehlreaction kam. Das könnte, namentlich im Hinblick auf die viel selteneren Fehlreactionen während der weiteren Versuchs- dauer, Zufall sein. Möglich wäre aber immerhin, dass hier einfach die Grösse der Dosis eine Rolle spielt. Bei der allmählichen Resorp- tion des Mittels könnte zunächst die Beschleunigung des Wahlactes mit der Neigung zu Fehlreactionen vorhanden, aber durch eine gleich- zeitige Verlangsamung der Unterscheidung verdeckt sein, um dann mit dem Fortschreiten der Wirkung wieder zu verschwinden. Wie man sieht, ist eine tiefere Kenntniss dieser Verhältnisse überall nur durch Anstellen zahlreicher und verschiedenartiger Versuche zu erreichen.
Bei den Bedenken, welche dem andauernden Experimentiren mit stark wirkenden Arzneimitteln am eigenen Körper entgegenstehen, habe ich leider auf die Durchführung ausgedehnter Beobachtungsreihen
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noch einfachen Unterscheidung zwischen 2 Vocalen bezogen werden. Ferner aber würden wir erwarten dürfen, dass sich eine Beschleuni- gung in der Auslösung der Reactionsbewegungen auch hier in dem häufigeren Auftreten von Fehlreactionen kundgeben werde. In der That sind diese letzteren bei den Chloralversuchen noch ein wenig häufiger, als in den Paraldehydreihen. Das Verhältniss derselben zu den richtigen Reactionen stellt sich, wenn man die durch das Medicament beeinflussten Zahlen berücksichtigt, dort auf 1:10,5, hier nur auf 1:11,2. Bei weiterer Betrachtung sieht man jedoch, dass die Diffe- renz zwischen den betreffenden Normalreihen eine viel grössere ist. In den Beobachtungen, welche dem Einnehmen des Paraldehyd vor- ausgingen, kam durchschnittlich 1 Fehlreaction auf 20,5 richtige, in der Normalreihe des Chloralversuches dagegen 1 Fehlreaction schon auf 9 richtige. Unter dem Einflusse des Chloralhydrates wurden dem- nach die Fehlreactionen jedenfalls nicht häufiger, als vorher, während das bei den Paraldehydversuchen in sehr ausgesprochenem Masse der Fall war. Der Unterschied zwischen den beiden Normalreihen aber dürfte sich daraus erklären, dass bei den Versuchen des Jahres 1882 die Wahlreactionen, wie ihre kurze Dauer beweist, durch die grössere Uebung aus der sensoriellen in die musculäre Form übergegangen waren, eine Wandlung, die regelmässig von einer Zunahme der Fehl- reactionen begleitet ist.
Eine Erleichterung des Wahlactes unter dem Einflusse des Chloralhydrates hat sich somit nicht erweisen lassen. Es soll indessen darauf hingewiesen werden, dass doch wenigstens in der ersten Gruppe von Beobachtungen nach dem Einnehmen des Mittels schon auf 7 richtige eine Fehlreaction kam. Das könnte, namentlich im Hinblick auf die viel selteneren Fehlreactionen während der weiteren Versuchs- dauer, Zufall sein. Möglich wäre aber immerhin, dass hier einfach die Grösse der Dosis eine Rolle spielt. Bei der allmählichen Resorp- tion des Mittels könnte zunächst die Beschleunigung des Wahlactes mit der Neigung zu Fehlreactionen vorhanden, aber durch eine gleich- zeitige Verlangsamung der Unterscheidung verdeckt sein, um dann mit dem Fortschreiten der Wirkung wieder zu verschwinden. Wie man sieht, ist eine tiefere Kenntniss dieser Verhältnisse überall nur durch Anstellen zahlreicher und verschiedenartiger Versuche zu erreichen.
Bei den Bedenken, welche dem andauernden Experimentiren mit stark wirkenden Arzneimitteln am eigenen Körper entgegenstehen, habe ich leider auf die Durchführung ausgedehnter Beobachtungsreihen
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noch einfachen Unterscheidung zwischen 2 Vocalen bezogen werden.
Ferner aber würden wir erwarten dürfen, dass sich eine Beschleuni-
gung in der Auslösung der Reactionsbewegungen auch hier in dem
häufigeren Auftreten von Fehlreactionen kundgeben werde. In der
That sind diese letzteren bei den Chloralversuchen noch ein wenig
häufiger, als in den Paraldehydreihen. Das Verhältniss derselben zu den
richtigen Reactionen stellt sich, wenn man die durch das Medicament
beeinflussten Zahlen berücksichtigt, dort auf 1:10,5, hier nur auf
1:11,2. Bei weiterer Betrachtung sieht man jedoch, dass die Diffe-
renz zwischen den betreffenden Normalreihen eine viel grössere ist.
In den Beobachtungen, welche dem Einnehmen des Paraldehyd vor-
ausgingen, kam durchschnittlich 1 Fehlreaction auf 20,5 richtige, in
der Normalreihe des Chloralversuches dagegen 1 Fehlreaction schon
auf 9 richtige. Unter dem Einflusse des Chloralhydrates wurden dem-
nach die Fehlreactionen jedenfalls nicht häufiger, als vorher, während
das bei den Paraldehydversuchen in sehr ausgesprochenem Masse der
Fall war. Der Unterschied zwischen den beiden Normalreihen aber
dürfte sich daraus erklären, dass bei den Versuchen des Jahres 1882
die Wahlreactionen, wie ihre kurze Dauer beweist, durch die grössere
Uebung aus der sensoriellen in die musculäre Form übergegangen
waren, eine Wandlung, die regelmässig von einer Zunahme der Fehl-
reactionen begleitet ist.
Eine Erleichterung des Wahlactes unter dem Einflusse des
Chloralhydrates hat sich somit nicht erweisen lassen. Es soll indessen
darauf hingewiesen werden, dass doch wenigstens in der ersten Gruppe
von Beobachtungen nach dem Einnehmen des Mittels schon auf 7
richtige eine Fehlreaction kam. Das könnte, namentlich im Hinblick
auf die viel selteneren Fehlreactionen während der weiteren Versuchs-
dauer, Zufall sein. Möglich wäre aber immerhin, dass hier einfach
die Grösse der Dosis eine Rolle spielt. Bei der allmählichen Resorp-
tion des Mittels könnte zunächst die Beschleunigung des Wahlactes
mit der Neigung zu Fehlreactionen vorhanden, aber durch eine gleich-
zeitige Verlangsamung der Unterscheidung verdeckt sein, um dann
mit dem Fortschreiten der Wirkung wieder zu verschwinden. Wie
man sieht, ist eine tiefere Kenntniss dieser Verhältnisse überall
nur durch Anstellen zahlreicher und verschiedenartiger Versuche zu
erreichen.
Bei den Bedenken, welche dem andauernden Experimentiren mit
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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/179>, abgerufen am 16.07.2024.
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