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Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.

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weisbar bei den Unterscheidungsreactionen. Die verschiedenen psychi-
schen Leistungen sind somit dem erleichternden Einflusse des Alkohols
in sehr verschiedenem Grade zugänglich. Während die einen auch
bei kleinen Dosen gar keine oder doch nur ganz verschwindende Er-
leichterung erfahren, erhält sich diese Wirkung bei den anderen auch
für grössere Gaben, erreicht höhere Beträge und dauert längere Zeit
an. Allerdings vermögen wir aus den Versuchen nach allen diesen
Richtungen hin keine absolute und durchgreifende Gesetzmässigkeit
zu erkennen; vielmehr haben wir überall kleine Unregelmässigkeiten
und Abweichungen zu verzeichnen. Allein die von uns untersuchten
Vorgänge sind auch keineswegs einfache, sondern meistens sogar recht
verwickelte. Verschiedenartige Componenten setzen sich hier zu Ge-
sammtleistungen zusammen, deren Dauer bald von diesem, bald von
jenem Bestandtheil überwiegend bestimmt wird. So kann es uns auch
nicht Wunder nehmen, wenn, selbst abgesehen von den Fehlerquellen
der individuellen und augenblicklichen Disposition, der Ausfall der
Versuche nicht jene unverbrüchliche Regelmässigkeit darbietet, welche
man bei der Untersuchung vollkommen einfacher Vorgänge auch auf
psychischem Gebiete erwarten sollte.

Immerhin werden uns die Verschiedenheiten in der Beeinflussung
der einzelnen Leistungen zu dem Versuche auffordern, aus ihnen einen
Einblick in die besonderen Eigenthümlichkeiten der Alkoholwirkung
zu gewinnen. Der grösste Gegensatz besteht offenbar zwischen der
Beeinflussung der Associationen und des Rechnens einerseits und der-
jenigen des Lesens andererseits. Die beiden erstgenannten Vorgänge
sind im Wesentlichen gleichartige. An einen äusseren Eindruck, der
dort durch das Gehör, hier durch das Gesicht einwirkt, schliesst sich
in beiden Fällen eine Vorstellung an, die beim Associiren aus der
individuellen Gestaltung der Vorstellungsverbindungen hervorgeht, beim
Rechnen dagegen durch die Vorstellung der bis dahin erreichten
Summe nach Massgabe eingelernter Denkgewohnheit fest bestimmt ist.
Wie weit dieser Unterschied für die Alkoholwirkung in Betracht
kommt, vermag ich um so weniger zu sagen, als die Associations-
versuche nach der intermittirenden, die Rechenversuche dagegen nach
der fortlaufenden Methode angestellt wurden. Jedenfalls steht so viel
fest, dass wir es hier überall mit rein intellectuellen Vorgängen zu
thun haben, mit der Auffassung äusserer Eindrücke und dem asso-
ciativen Auftauchen neuer Vorstellungen. Bei den Associations-
versuchen allerdings findet ausserdem noch ein Wahlact statt, insofern
die neue Vorstellung auch benannt und ausgesprochen wird. Ja, es

Kraepelin, Beeinflussung. 12

weisbar bei den Unterscheidungsreactionen. Die verschiedenen psychi-
schen Leistungen sind somit dem erleichternden Einflusse des Alkohols
in sehr verschiedenem Grade zugänglich. Während die einen auch
bei kleinen Dosen gar keine oder doch nur ganz verschwindende Er-
leichterung erfahren, erhält sich diese Wirkung bei den anderen auch
für grössere Gaben, erreicht höhere Beträge und dauert längere Zeit
an. Allerdings vermögen wir aus den Versuchen nach allen diesen
Richtungen hin keine absolute und durchgreifende Gesetzmässigkeit
zu erkennen; vielmehr haben wir überall kleine Unregelmässigkeiten
und Abweichungen zu verzeichnen. Allein die von uns untersuchten
Vorgänge sind auch keineswegs einfache, sondern meistens sogar recht
verwickelte. Verschiedenartige Componenten setzen sich hier zu Ge-
sammtleistungen zusammen, deren Dauer bald von diesem, bald von
jenem Bestandtheil überwiegend bestimmt wird. So kann es uns auch
nicht Wunder nehmen, wenn, selbst abgesehen von den Fehlerquellen
der individuellen und augenblicklichen Disposition, der Ausfall der
Versuche nicht jene unverbrüchliche Regelmässigkeit darbietet, welche
man bei der Untersuchung vollkommen einfacher Vorgänge auch auf
psychischem Gebiete erwarten sollte.

Immerhin werden uns die Verschiedenheiten in der Beeinflussung
der einzelnen Leistungen zu dem Versuche auffordern, aus ihnen einen
Einblick in die besonderen Eigenthümlichkeiten der Alkoholwirkung
zu gewinnen. Der grösste Gegensatz besteht offenbar zwischen der
Beeinflussung der Associationen und des Rechnens einerseits und der-
jenigen des Lesens andererseits. Die beiden erstgenannten Vorgänge
sind im Wesentlichen gleichartige. An einen äusseren Eindruck, der
dort durch das Gehör, hier durch das Gesicht einwirkt, schliesst sich
in beiden Fällen eine Vorstellung an, die beim Associiren aus der
individuellen Gestaltung der Vorstellungsverbindungen hervorgeht, beim
Rechnen dagegen durch die Vorstellung der bis dahin erreichten
Summe nach Massgabe eingelernter Denkgewohnheit fest bestimmt ist.
Wie weit dieser Unterschied für die Alkoholwirkung in Betracht
kommt, vermag ich um so weniger zu sagen, als die Associations-
versuche nach der intermittirenden, die Rechenversuche dagegen nach
der fortlaufenden Methode angestellt wurden. Jedenfalls steht so viel
fest, dass wir es hier überall mit rein intellectuellen Vorgängen zu
thun haben, mit der Auffassung äusserer Eindrücke und dem asso-
ciativen Auftauchen neuer Vorstellungen. Bei den Associations-
versuchen allerdings findet ausserdem noch ein Wahlact statt, insofern
die neue Vorstellung auch benannt und ausgesprochen wird. Ja, es

Kraepelin, Beeinflussung. 12
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[177/0193] weisbar bei den Unterscheidungsreactionen. Die verschiedenen psychi- schen Leistungen sind somit dem erleichternden Einflusse des Alkohols in sehr verschiedenem Grade zugänglich. Während die einen auch bei kleinen Dosen gar keine oder doch nur ganz verschwindende Er- leichterung erfahren, erhält sich diese Wirkung bei den anderen auch für grössere Gaben, erreicht höhere Beträge und dauert längere Zeit an. Allerdings vermögen wir aus den Versuchen nach allen diesen Richtungen hin keine absolute und durchgreifende Gesetzmässigkeit zu erkennen; vielmehr haben wir überall kleine Unregelmässigkeiten und Abweichungen zu verzeichnen. Allein die von uns untersuchten Vorgänge sind auch keineswegs einfache, sondern meistens sogar recht verwickelte. Verschiedenartige Componenten setzen sich hier zu Ge- sammtleistungen zusammen, deren Dauer bald von diesem, bald von jenem Bestandtheil überwiegend bestimmt wird. So kann es uns auch nicht Wunder nehmen, wenn, selbst abgesehen von den Fehlerquellen der individuellen und augenblicklichen Disposition, der Ausfall der Versuche nicht jene unverbrüchliche Regelmässigkeit darbietet, welche man bei der Untersuchung vollkommen einfacher Vorgänge auch auf psychischem Gebiete erwarten sollte. Immerhin werden uns die Verschiedenheiten in der Beeinflussung der einzelnen Leistungen zu dem Versuche auffordern, aus ihnen einen Einblick in die besonderen Eigenthümlichkeiten der Alkoholwirkung zu gewinnen. Der grösste Gegensatz besteht offenbar zwischen der Beeinflussung der Associationen und des Rechnens einerseits und der- jenigen des Lesens andererseits. Die beiden erstgenannten Vorgänge sind im Wesentlichen gleichartige. An einen äusseren Eindruck, der dort durch das Gehör, hier durch das Gesicht einwirkt, schliesst sich in beiden Fällen eine Vorstellung an, die beim Associiren aus der individuellen Gestaltung der Vorstellungsverbindungen hervorgeht, beim Rechnen dagegen durch die Vorstellung der bis dahin erreichten Summe nach Massgabe eingelernter Denkgewohnheit fest bestimmt ist. Wie weit dieser Unterschied für die Alkoholwirkung in Betracht kommt, vermag ich um so weniger zu sagen, als die Associations- versuche nach der intermittirenden, die Rechenversuche dagegen nach der fortlaufenden Methode angestellt wurden. Jedenfalls steht so viel fest, dass wir es hier überall mit rein intellectuellen Vorgängen zu thun haben, mit der Auffassung äusserer Eindrücke und dem asso- ciativen Auftauchen neuer Vorstellungen. Bei den Associations- versuchen allerdings findet ausserdem noch ein Wahlact statt, insofern die neue Vorstellung auch benannt und ausgesprochen wird. Ja, es Kraepelin, Beeinflussung. 12

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Zitationshilfe: Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraepelin_arzneimittel_1892/193>, abgerufen am 21.11.2024.