Kraepelin, Emil: Ueber die Beeinflussung einfacher psychischer Vorgänge durch einige Arzneimittel. Jena, 1892.schiedener Stärke neben einander herlaufen und sich theilweise Aus allen diesen Gründen muss ich es für wahrscheinlich halten, dass *) Lit. IV, p. 594, 600, 601.
schiedener Stärke neben einander herlaufen und sich theilweise Aus allen diesen Gründen muss ich es für wahrscheinlich halten, dass *) Lit. IV, p. 594, 600, 601.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0204" n="188"/> schiedener Stärke <hi rendition="#g">neben einander</hi> herlaufen und sich theilweise<lb/> überdecken. Für diese Annahme sprechen zunächst die grossen<lb/> Schwankungen der gemessenen Werthe, das gelegentliche Auftreten<lb/> vereinzelter kurzer Zahlen zu einer Zeit, wo die Erschwerung der<lb/> Arbeit schon entwickelt ist. Ferner spricht dafür das lange Andauern<lb/> vorzeitiger Reactionen in jenen Versuchen, in denen die Verlang-<lb/> samung der Unterscheidung eben wegen dieser Fehlerquellen gar nicht<lb/> gemessen werden konnte. Endlich aber dürfte in der gleichen Richtung<lb/> die Erfahrung zu verwerthen sein, dass wir das deutliche Gefühl sehr<lb/> prompter Reaction auch dann noch oder sogar erst dann haben,<lb/> wenn objectiv die gemessenen Zeiten bereits wieder zugenommen haben.<lb/> Schon in meiner ersten Abhandlung, in der ich auf Grund der<lb/> combinirten Reihen zu ähnlichen Schlüssen gelangt war, habe ich auf<lb/> diese höchst auffällige Erscheinung hingewiesen <note place="foot" n="*)">Lit. IV, p. 594, 600, 601.</note> und eine Erklärung<lb/> derselben in dem hier besprochenen Sinne versucht. Da wir nicht<lb/> den Augenblick der <hi rendition="#g">Entstehung</hi> des Reizes, sondern nur denjenigen<lb/> seiner Auffassung kennen, so kann uns eine Verlangsamung der Wahr-<lb/> nehmung theilweise, soweit sie sich unter der Schwelle unseres Be-<lb/> wusstseins abspielt, verborgen bleiben, während wir die beschleunigte<lb/> Auslösung der Bewegung unmittelbar empfinden. Der eigentliche Be-<lb/> wusstseinsact kann daher wol noch verkürzt sein, wenn die gemessene<lb/> Reactionszeit bereits verlängert ist.</p><lb/> <p>Aus allen diesen Gründen muss ich es für wahrscheinlich halten, dass<lb/> die beiden Stadien der experimentellen Alkoholwirkung in gewissem Sinne<lb/> nur Kunstproducte sind. Wie die Unterscheidungs-, Associations- und<lb/> Rechenversuche zeigen, beginnt die Lähmung der Auffassung und geistigen<lb/> Verarbeitung sehr bald, ist sehr beträchtlich und erreicht ihre Höhe erst<lb/> nach längerer Zeit. Auch die Erleichterung der motorischen Vorgänge<lb/> stellt sich rasch ein, ist aber im Allgemeinen geringer, als die erstgenannte<lb/> Wirkung. Leider habe ich mit Ausnahme der hier nicht vergleich-<lb/> baren Dynanometerversuche keinen Vorgang untersuchen können, bei<lb/> dem der motorische Bestandtheil sich von dem sensorischen oder<lb/> intellectuellen hätte isoliren lassen. Auch das Lesen kann nicht in<lb/> Betracht kommen, da eine sehr entschiedene Verlangsamung der Auf-<lb/> fassung sich hier doch in dem Gesammtergebnisse hätte geltend machen<lb/> können. Immerhin sehen wir, dass schon beim Lesen und beim Wieder-<lb/> holen die Beschleunigung länger andauerte, als bei solchen Aufgaben,<lb/> in denen das motorische Element mehr zurücktrat. Die Verlängerung<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0204]
schiedener Stärke neben einander herlaufen und sich theilweise
überdecken. Für diese Annahme sprechen zunächst die grossen
Schwankungen der gemessenen Werthe, das gelegentliche Auftreten
vereinzelter kurzer Zahlen zu einer Zeit, wo die Erschwerung der
Arbeit schon entwickelt ist. Ferner spricht dafür das lange Andauern
vorzeitiger Reactionen in jenen Versuchen, in denen die Verlang-
samung der Unterscheidung eben wegen dieser Fehlerquellen gar nicht
gemessen werden konnte. Endlich aber dürfte in der gleichen Richtung
die Erfahrung zu verwerthen sein, dass wir das deutliche Gefühl sehr
prompter Reaction auch dann noch oder sogar erst dann haben,
wenn objectiv die gemessenen Zeiten bereits wieder zugenommen haben.
Schon in meiner ersten Abhandlung, in der ich auf Grund der
combinirten Reihen zu ähnlichen Schlüssen gelangt war, habe ich auf
diese höchst auffällige Erscheinung hingewiesen *) und eine Erklärung
derselben in dem hier besprochenen Sinne versucht. Da wir nicht
den Augenblick der Entstehung des Reizes, sondern nur denjenigen
seiner Auffassung kennen, so kann uns eine Verlangsamung der Wahr-
nehmung theilweise, soweit sie sich unter der Schwelle unseres Be-
wusstseins abspielt, verborgen bleiben, während wir die beschleunigte
Auslösung der Bewegung unmittelbar empfinden. Der eigentliche Be-
wusstseinsact kann daher wol noch verkürzt sein, wenn die gemessene
Reactionszeit bereits verlängert ist.
Aus allen diesen Gründen muss ich es für wahrscheinlich halten, dass
die beiden Stadien der experimentellen Alkoholwirkung in gewissem Sinne
nur Kunstproducte sind. Wie die Unterscheidungs-, Associations- und
Rechenversuche zeigen, beginnt die Lähmung der Auffassung und geistigen
Verarbeitung sehr bald, ist sehr beträchtlich und erreicht ihre Höhe erst
nach längerer Zeit. Auch die Erleichterung der motorischen Vorgänge
stellt sich rasch ein, ist aber im Allgemeinen geringer, als die erstgenannte
Wirkung. Leider habe ich mit Ausnahme der hier nicht vergleich-
baren Dynanometerversuche keinen Vorgang untersuchen können, bei
dem der motorische Bestandtheil sich von dem sensorischen oder
intellectuellen hätte isoliren lassen. Auch das Lesen kann nicht in
Betracht kommen, da eine sehr entschiedene Verlangsamung der Auf-
fassung sich hier doch in dem Gesammtergebnisse hätte geltend machen
können. Immerhin sehen wir, dass schon beim Lesen und beim Wieder-
holen die Beschleunigung länger andauerte, als bei solchen Aufgaben,
in denen das motorische Element mehr zurücktrat. Die Verlängerung
*) Lit. IV, p. 594, 600, 601.
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