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Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876.

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Besondere Pflanzenbaulehre.
Ausgezeichneten Leinsamen producirt auch Ostpreußen, besonders Memel und Königs-
berg, in neuerer Zeit auch Tirol (Etschthal, Axem). Zu den bewährtesten Sorten zählt
schließlich der aus Holland in Ballen importirte Zeeländer Lein. Die erste Ernte
von Tonnenlein liefert noch nicht den vollsten Flachsertrag, sondern erst die zweite,
welche aus der ersten Samengeneration, dem Kronen- oder Rosenlein, hervorgeht. Die
weiteren Samengenerationen, welche zum Unterschiede als Saatlein bezeichnet werden,
nehmen dann in Qualität immer mehr ab, bis es nach 4--5 Jahren angezeigt
wird, den Samen zum Oelschlagen, als sogenannten Schlaglein, zu verwenden und
neuerlich den Samen zu wechseln.

Zur Gewinnung eines vorzüglichen Samens trägt, nächst der günstigen Lage, die
Art der Cultur wesentlich bei. Zur Samengewinnung säet man den Lein möglichst
früh auf umgebrochenes Grasland. Am zweckmäßigsten ist es, den Samen zu drillen
oder möglichst schütter mit einem Saatquantum von 1--1.75 Hektoliter auf ein Hektar
zu säen, damit die Pflanzen weit entfernt von einander stehen und sich um somehr ver-
ästeln können. Außerdem läßt man den Samenlein vollkommen ausreifen, abgesehen
davon, daß man dann auf die Gewinnung eines guten Bastes verzichten muß.

Ist es Absicht, möglichst vielen und guten Bast, mit Hintansetzung der Samen-
gewinnung zu erhalten, so säet man dicht, 3--4.2 Hektoliter auf ein Hektar. Je
dichter die Pflanzen am Felde stehen, um so länger, dünner und astärmer werden die
Stengel und um so feiner wird die Faser. Letztere bleibt elastischer, da sie sich wegen
des durch den dichten Stand der Pflanzen verringerten Lichtzutrittes weniger verholzt.
Zwischen diesen beiden Extremen der vorzugsweisen Samen- oder Bastgewinnung
gibt es eine Mehrzahl von Uebergängen, welchen entsprechend das Saatquantum an-
gepaßt werden muß. Am häufigsten wünscht man mittelguten Bast und doch auch
brauchbaren Samen zu erziehen. Für diesen Fall säet man mäßig dicht, 2 Hekto-
liter auf 1 Hektar.

Zur Saat empfiehlt es sich, überjährigen Samen zu verwenden, nachdem dieser,
wie die Erfahrung lehrt, bessere Erträge als frischer abwirft. Die Ursache sucht
man in der größeren Austrocknung des älteren gegenüber dem frischen Samen. Wie
die Saatversuche von Pietrusky zeigen, ist es daher bei Verwendung von frischem,
unverdorbenem Samen gerathen, denselben vorher künstlich bei 30°C. (jedoch nicht
über 37°C., da bei dieser Temperatur der Lein nach Haberlandt seine Keimfähig-
keit verliert) auszudörren.

Der Lein wird entweder frühzeitig, Ende März bis Anfang April, als Frühlein,
oder später, Anfang Mai bis Mitte Juni, als Spätlein angebaut. Je trockener die
Gegend, um so eher wird der Same, wenn er frühzeitig ausgesäet wird, die nöthige
Feuchte zum Keimen finden. Bei häufigen Frühfrösten ist es jedoch zu empfehlen, die
Saaten zu verschiedenen Zeiten vorzunehmen, um sicher zu gehen und sich zugleich
auch die Ernte zu erleichtern.

Für die Flachsgewinnung wird der Same kreuz und quer breitwürfig aus-
gesäet, da nur auf diese Weise ein dichter und zugleich gleichmäßiger Pflanzenstand
erreicht werden kann Die Drillsaat eignet sich weniger gut, da die Reihen nicht nahe

Beſondere Pflanzenbaulehre.
Ausgezeichneten Leinſamen producirt auch Oſtpreußen, beſonders Memel und Königs-
berg, in neuerer Zeit auch Tirol (Etſchthal, Axem). Zu den bewährteſten Sorten zählt
ſchließlich der aus Holland in Ballen importirte Zeeländer Lein. Die erſte Ernte
von Tonnenlein liefert noch nicht den vollſten Flachsertrag, ſondern erſt die zweite,
welche aus der erſten Samengeneration, dem Kronen- oder Roſenlein, hervorgeht. Die
weiteren Samengenerationen, welche zum Unterſchiede als Saatlein bezeichnet werden,
nehmen dann in Qualität immer mehr ab, bis es nach 4—5 Jahren angezeigt
wird, den Samen zum Oelſchlagen, als ſogenannten Schlaglein, zu verwenden und
neuerlich den Samen zu wechſeln.

Zur Gewinnung eines vorzüglichen Samens trägt, nächſt der günſtigen Lage, die
Art der Cultur weſentlich bei. Zur Samengewinnung ſäet man den Lein möglichſt
früh auf umgebrochenes Grasland. Am zweckmäßigſten iſt es, den Samen zu drillen
oder möglichſt ſchütter mit einem Saatquantum von 1—1.75 Hektoliter auf ein Hektar
zu ſäen, damit die Pflanzen weit entfernt von einander ſtehen und ſich um ſomehr ver-
äſteln können. Außerdem läßt man den Samenlein vollkommen ausreifen, abgeſehen
davon, daß man dann auf die Gewinnung eines guten Baſtes verzichten muß.

Iſt es Abſicht, möglichſt vielen und guten Baſt, mit Hintanſetzung der Samen-
gewinnung zu erhalten, ſo ſäet man dicht, 3—4.2 Hektoliter auf ein Hektar. Je
dichter die Pflanzen am Felde ſtehen, um ſo länger, dünner und aſtärmer werden die
Stengel und um ſo feiner wird die Faſer. Letztere bleibt elaſtiſcher, da ſie ſich wegen
des durch den dichten Stand der Pflanzen verringerten Lichtzutrittes weniger verholzt.
Zwiſchen dieſen beiden Extremen der vorzugsweiſen Samen- oder Baſtgewinnung
gibt es eine Mehrzahl von Uebergängen, welchen entſprechend das Saatquantum an-
gepaßt werden muß. Am häufigſten wünſcht man mittelguten Baſt und doch auch
brauchbaren Samen zu erziehen. Für dieſen Fall ſäet man mäßig dicht, 2 Hekto-
liter auf 1 Hektar.

Zur Saat empfiehlt es ſich, überjährigen Samen zu verwenden, nachdem dieſer,
wie die Erfahrung lehrt, beſſere Erträge als friſcher abwirft. Die Urſache ſucht
man in der größeren Austrocknung des älteren gegenüber dem friſchen Samen. Wie
die Saatverſuche von Pietrusky zeigen, iſt es daher bei Verwendung von friſchem,
unverdorbenem Samen gerathen, denſelben vorher künſtlich bei 30°C. (jedoch nicht
über 37°C., da bei dieſer Temperatur der Lein nach Haberlandt ſeine Keimfähig-
keit verliert) auszudörren.

Der Lein wird entweder frühzeitig, Ende März bis Anfang April, als Frühlein,
oder ſpäter, Anfang Mai bis Mitte Juni, als Spätlein angebaut. Je trockener die
Gegend, um ſo eher wird der Same, wenn er frühzeitig ausgeſäet wird, die nöthige
Feuchte zum Keimen finden. Bei häufigen Frühfröſten iſt es jedoch zu empfehlen, die
Saaten zu verſchiedenen Zeiten vorzunehmen, um ſicher zu gehen und ſich zugleich
auch die Ernte zu erleichtern.

Für die Flachsgewinnung wird der Same kreuz und quer breitwürfig aus-
geſäet, da nur auf dieſe Weiſe ein dichter und zugleich gleichmäßiger Pflanzenſtand
erreicht werden kann Die Drillſaat eignet ſich weniger gut, da die Reihen nicht nahe

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[122/0136] Beſondere Pflanzenbaulehre. Ausgezeichneten Leinſamen producirt auch Oſtpreußen, beſonders Memel und Königs- berg, in neuerer Zeit auch Tirol (Etſchthal, Axem). Zu den bewährteſten Sorten zählt ſchließlich der aus Holland in Ballen importirte Zeeländer Lein. Die erſte Ernte von Tonnenlein liefert noch nicht den vollſten Flachsertrag, ſondern erſt die zweite, welche aus der erſten Samengeneration, dem Kronen- oder Roſenlein, hervorgeht. Die weiteren Samengenerationen, welche zum Unterſchiede als Saatlein bezeichnet werden, nehmen dann in Qualität immer mehr ab, bis es nach 4—5 Jahren angezeigt wird, den Samen zum Oelſchlagen, als ſogenannten Schlaglein, zu verwenden und neuerlich den Samen zu wechſeln. Zur Gewinnung eines vorzüglichen Samens trägt, nächſt der günſtigen Lage, die Art der Cultur weſentlich bei. Zur Samengewinnung ſäet man den Lein möglichſt früh auf umgebrochenes Grasland. Am zweckmäßigſten iſt es, den Samen zu drillen oder möglichſt ſchütter mit einem Saatquantum von 1—1.75 Hektoliter auf ein Hektar zu ſäen, damit die Pflanzen weit entfernt von einander ſtehen und ſich um ſomehr ver- äſteln können. Außerdem läßt man den Samenlein vollkommen ausreifen, abgeſehen davon, daß man dann auf die Gewinnung eines guten Baſtes verzichten muß. Iſt es Abſicht, möglichſt vielen und guten Baſt, mit Hintanſetzung der Samen- gewinnung zu erhalten, ſo ſäet man dicht, 3—4.2 Hektoliter auf ein Hektar. Je dichter die Pflanzen am Felde ſtehen, um ſo länger, dünner und aſtärmer werden die Stengel und um ſo feiner wird die Faſer. Letztere bleibt elaſtiſcher, da ſie ſich wegen des durch den dichten Stand der Pflanzen verringerten Lichtzutrittes weniger verholzt. Zwiſchen dieſen beiden Extremen der vorzugsweiſen Samen- oder Baſtgewinnung gibt es eine Mehrzahl von Uebergängen, welchen entſprechend das Saatquantum an- gepaßt werden muß. Am häufigſten wünſcht man mittelguten Baſt und doch auch brauchbaren Samen zu erziehen. Für dieſen Fall ſäet man mäßig dicht, 2 Hekto- liter auf 1 Hektar. Zur Saat empfiehlt es ſich, überjährigen Samen zu verwenden, nachdem dieſer, wie die Erfahrung lehrt, beſſere Erträge als friſcher abwirft. Die Urſache ſucht man in der größeren Austrocknung des älteren gegenüber dem friſchen Samen. Wie die Saatverſuche von Pietrusky zeigen, iſt es daher bei Verwendung von friſchem, unverdorbenem Samen gerathen, denſelben vorher künſtlich bei 30°C. (jedoch nicht über 37°C., da bei dieſer Temperatur der Lein nach Haberlandt ſeine Keimfähig- keit verliert) auszudörren. Der Lein wird entweder frühzeitig, Ende März bis Anfang April, als Frühlein, oder ſpäter, Anfang Mai bis Mitte Juni, als Spätlein angebaut. Je trockener die Gegend, um ſo eher wird der Same, wenn er frühzeitig ausgeſäet wird, die nöthige Feuchte zum Keimen finden. Bei häufigen Frühfröſten iſt es jedoch zu empfehlen, die Saaten zu verſchiedenen Zeiten vorzunehmen, um ſicher zu gehen und ſich zugleich auch die Ernte zu erleichtern. Für die Flachsgewinnung wird der Same kreuz und quer breitwürfig aus- geſäet, da nur auf dieſe Weiſe ein dichter und zugleich gleichmäßiger Pflanzenſtand erreicht werden kann Die Drillſaat eignet ſich weniger gut, da die Reihen nicht nahe

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Krafft, Guido: Lehrbuch der Landwirthschaft auf wissenschaftlicher und praktischer Grundlage. Bd. 2. Berlin, 1876, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krafft_landwirthschaft02_1876/136>, abgerufen am 21.11.2024.