Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Den Rückenwirbeln schliessen sich die Lendenwirbel und diesen
die Kreuz- und Schweifwirbel an.

Die Tragfähigkeit der Rücken-, Lenden- und Kreuzwirbel ist
durch Knochensäulchen, Stachelfortsätze genannt, bedeutend
verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den
Widerriss.

Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (Nacken-
band
), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten
Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt-
liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen
ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass
Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken-
band ohne weitere Muskelthätigkeit finden.

Der Rückgrat besteht immer aus einer gleichen Anzahl
von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird
die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten
Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin
zwischen der Hüfte und dem Widerrisse möglichst kurz sei,
wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab
eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen
zusammenstehen.

Die Lage des Rückgrats zwischen den Stützen muss fer-
nerhin eine wagerechte sein, wenn die daran hangende Last
auf die Vorder- und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf
Vorder- und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird
das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen
müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen
Rückenwirbel bedeutend überragen.

Eine Abweichung von dieser horizontalen Lage kann nun
entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat hinten auf
höheren Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses
Gebäudes überbaut. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den
Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die Vorderstützen
höher
, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage
des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen.

Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier
Hinter- und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach oben ge-

Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Den Rückenwirbeln schliessen sich die Lendenwirbel und diesen
die Kreuz- und Schweifwirbel an.

Die Tragfähigkeit der Rücken-, Lenden- und Kreuzwirbel ist
durch Knochensäulchen, Stachelfortsätze genannt, bedeutend
verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den
Widerriss.

Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (Nacken-
band
), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten
Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt-
liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen
ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass
Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken-
band ohne weitere Muskelthätigkeit finden.

Der Rückgrat besteht immer aus einer gleichen Anzahl
von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird
die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten
Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin
zwischen der Hüfte und dem Widerrisse möglichst kurz sei,
wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab
eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen
zusammenstehen.

Die Lage des Rückgrats zwischen den Stützen muss fer-
nerhin eine wagerechte sein, wenn die daran hangende Last
auf die Vorder- und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf
Vorder- und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird
das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen
müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen
Rückenwirbel bedeutend überragen.

Eine Abweichung von dieser horizontalen Lage kann nun
entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat hinten auf
höheren Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses
Gebäudes überbaut. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den
Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die Vorderstützen
höher
, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage
des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen.

Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier
Hinter- und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach oben ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0029" n="7"/><fw place="top" type="header">Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.</fw><lb/>
Den Rückenwirbeln schliessen sich die <hi rendition="#g">Lendenwirbel</hi> und diesen<lb/>
die Kreuz- und Schweifwirbel an.</p><lb/>
          <p>Die Tragfähigkeit der Rücken-, Lenden- und Kreuzwirbel ist<lb/>
durch Knochensäulchen, <hi rendition="#g">Stachelfortsätze</hi> genannt, bedeutend<lb/>
verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den<lb/><hi rendition="#g">Widerriss</hi>.</p><lb/>
          <p>Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (<hi rendition="#g">Nacken-<lb/>
band</hi>), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten<lb/>
Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt-<lb/>
liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen<lb/>
ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass<lb/>
Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken-<lb/>
band ohne weitere Muskelthätigkeit finden.</p><lb/>
          <p>Der <hi rendition="#g">Rückgrat</hi> besteht immer aus einer gleichen Anzahl<lb/>
von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird<lb/>
die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten<lb/>
Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin<lb/>
zwischen der Hüfte und dem Widerrisse <hi rendition="#g">möglichst kurz</hi> sei,<lb/>
wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab<lb/>
eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen<lb/>
zusammenstehen.</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#g">Lage des Rückgrats</hi> zwischen den Stützen muss fer-<lb/>
nerhin eine <hi rendition="#g">wagerechte</hi> sein, wenn die daran hangende Last<lb/>
auf die Vorder- und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf<lb/>
Vorder- und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird<lb/>
das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen<lb/>
müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen<lb/>
Rückenwirbel bedeutend überragen.</p><lb/>
          <p>Eine <hi rendition="#g">Abweichung</hi> von dieser horizontalen Lage kann nun<lb/>
entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat <hi rendition="#g">hinten</hi> auf<lb/><hi rendition="#g">höheren</hi> Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses<lb/>
Gebäudes <hi rendition="#g">überbaut</hi>. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den<lb/>
Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die <hi rendition="#g">Vorderstützen<lb/>
höher</hi>, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage<lb/>
des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen.</p><lb/>
          <p>Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier<lb/>
Hinter- und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach <hi rendition="#g">oben</hi> ge-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0029] Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes. Den Rückenwirbeln schliessen sich die Lendenwirbel und diesen die Kreuz- und Schweifwirbel an. Die Tragfähigkeit der Rücken-, Lenden- und Kreuzwirbel ist durch Knochensäulchen, Stachelfortsätze genannt, bedeutend verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den Widerriss. Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (Nacken- band), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt- liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken- band ohne weitere Muskelthätigkeit finden. Der Rückgrat besteht immer aus einer gleichen Anzahl von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin zwischen der Hüfte und dem Widerrisse möglichst kurz sei, wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen zusammenstehen. Die Lage des Rückgrats zwischen den Stützen muss fer- nerhin eine wagerechte sein, wenn die daran hangende Last auf die Vorder- und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf Vorder- und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen Rückenwirbel bedeutend überragen. Eine Abweichung von dieser horizontalen Lage kann nun entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat hinten auf höheren Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses Gebäudes überbaut. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die Vorderstützen höher, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen. Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier Hinter- und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach oben ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/29
Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/29>, abgerufen am 21.11.2024.