sei, und glauben, dass ein Thier, welches in dieser Art gepflegt und geschont zum Marsche komme, durch den Marsch selbst, bei richtiger und sorgfältiger Behandlung hinreichend für die Strapatzen des Krieges vorbereitet würde.
Die Herren vom anderen Standpunkte sagen dagegen, wir wollen das Thier so erziehen, dass es für seine Bestim- mung tüchtig wird. Wir wollen es im Stalle so gewöhnen, dass es sich mit seinen Nachbarn im Bivouak verträgt, darum fort mit den Latirbäumen und es trete ein fortwährender Wechsel der nebeneinanderstehenden Pferde ein. Wir wollen jeden einzelnen Mann gewöhnen, sein Pferd selbstständig zu ver- pflegen, ohne dass jene Verrichtung, wie sie in den grossen Ställen zu geschehen pflegt, der Zeit und Reihenfolge nach kom- mandirt wird. Es stumpft die Mannschaft ab und macht sie träge, stundenlang putzen zu müssen, wenn sie bei reger Thätigkeit die Thiere in der Hälfte der Zeit zu reinigen vermögen. Man sehe lediglich darauf, dass sie rein putzen, nicht aber wie lange sie putzen. Darum fort mit den grossen Ställen. Die Pferde stehen gesunder und ruhiger in klei- nen Bürgerställen, wo jeder Mann das Pferd füttert und pflegt, welches er reitet, dasselbe mit der nöthigen Selbstständigkeit nach seiner Eigenthümlichkeit behandeln lernt, und so ein gewisses Eigenthumsgefühl und persönliche Anhänglichkeit an dasselbe gewinnt, welche der Mann im grossen Stalle nie gewinnen wird, der es mehr als ein Object für die Thätigkeit seines Strie- gels und seiner Kartätsche ansieht. Auf dem Marsche wird jener Cavallerist sich leicht zurecht finden, der an ewige Bevormun- dung Gewöhnte aber tausend Verkehrtheiten, aller theoretischen Unterweisung zum Trotz, sich zu Schul- den kommen lassen.
Es ist unvernünftig, dem Soldatenpferde im Stalle Decken aufzulegen, im Stalle, wo meist 10 bis 12 Grad Wärme herrschen, und es dann vielleicht bei 12 Grad Kälte ohne Decke und mit der verweichlichtsten Haut herauszubringen. Es ist ferner aus Gesundheitsrücksichten unvernünftig, das Pferd des schützenden Haarwuchses an Füssen, Maul und Ohren zu berauben, unnütz, ihnen Mähne und Stirn- schopf zu verdünnen und zu verkürzen. Am fehlerhaftesten aber ist es, durch Arbeitsentziehung den Futterzustand heben zu wollen und Fettbildung zu begünstigen, wodurch die Pferde leistungsunfähig, zu Krankheiten disponirt werden und in
Anhang.
sei, und glauben, dass ein Thier, welches in dieser Art gepflegt und geschont zum Marsche komme, durch den Marsch selbst, bei richtiger und sorgfältiger Behandlung hinreichend für die Strapatzen des Krieges vorbereitet würde.
Die Herren vom anderen Standpunkte sagen dagegen, wir wollen das Thier so erziehen, dass es für seine Bestim- mung tüchtig wird. Wir wollen es im Stalle so gewöhnen, dass es sich mit seinen Nachbarn im Bivouak verträgt, darum fort mit den Latirbäumen und es trete ein fortwährender Wechsel der nebeneinanderstehenden Pferde ein. Wir wollen jeden einzelnen Mann gewöhnen, sein Pferd selbstständig zu ver- pflegen, ohne dass jene Verrichtung, wie sie in den grossen Ställen zu geschehen pflegt, der Zeit und Reihenfolge nach kom- mandirt wird. Es stumpft die Mannschaft ab und macht sie träge, stundenlang putzen zu müssen, wenn sie bei reger Thätigkeit die Thiere in der Hälfte der Zeit zu reinigen vermögen. Man sehe lediglich darauf, dass sie rein putzen, nicht aber wie lange sie putzen. Darum fort mit den grossen Ställen. Die Pferde stehen gesunder und ruhiger in klei- nen Bürgerställen, wo jeder Mann das Pferd füttert und pflegt, welches er reitet, dasselbe mit der nöthigen Selbstständigkeit nach seiner Eigenthümlichkeit behandeln lernt, und so ein gewisses Eigenthumsgefühl und persönliche Anhänglichkeit an dasselbe gewinnt, welche der Mann im grossen Stalle nie gewinnen wird, der es mehr als ein Object für die Thätigkeit seines Strie- gels und seiner Kartätsche ansieht. Auf dem Marsche wird jener Cavallerist sich leicht zurecht finden, der an ewige Bevormun- dung Gewöhnte aber tausend Verkehrtheiten, aller theoretischen Unterweisung zum Trotz, sich zu Schul- den kommen lassen.
Es ist unvernünftig, dem Soldatenpferde im Stalle Decken aufzulegen, im Stalle, wo meist 10 bis 12 Grad Wärme herrschen, und es dann vielleicht bei 12 Grad Kälte ohne Decke und mit der verweichlichtsten Haut herauszubringen. Es ist ferner aus Gesundheitsrücksichten unvernünftig, das Pferd des schützenden Haarwuchses an Füssen, Maul und Ohren zu berauben, unnütz, ihnen Mähne und Stirn- schopf zu verdünnen und zu verkürzen. Am fehlerhaftesten aber ist es, durch Arbeitsentziehung den Futterzustand heben zu wollen und Fettbildung zu begünstigen, wodurch die Pferde leistungsunfähig, zu Krankheiten disponirt werden und in
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Anhang.
sei, und glauben, dass ein Thier, welches in dieser Art gepflegt
und geschont zum Marsche komme, durch den Marsch selbst,
bei richtiger und sorgfältiger Behandlung hinreichend für die
Strapatzen des Krieges vorbereitet würde.
Die Herren vom anderen Standpunkte sagen dagegen,
wir wollen das Thier so erziehen, dass es für seine Bestim-
mung tüchtig wird. Wir wollen es im Stalle so gewöhnen,
dass es sich mit seinen Nachbarn im Bivouak verträgt,
darum fort mit den Latirbäumen und es trete ein fortwährender
Wechsel der nebeneinanderstehenden Pferde ein. Wir wollen jeden
einzelnen Mann gewöhnen, sein Pferd selbstständig zu ver-
pflegen, ohne dass jene Verrichtung, wie sie in den grossen
Ställen zu geschehen pflegt, der Zeit und Reihenfolge nach kom-
mandirt wird. Es stumpft die Mannschaft ab und macht
sie träge, stundenlang putzen zu müssen, wenn sie bei
reger Thätigkeit die Thiere in der Hälfte der Zeit zu
reinigen vermögen. Man sehe lediglich darauf, dass sie rein
putzen, nicht aber wie lange sie putzen. Darum fort mit den
grossen Ställen. Die Pferde stehen gesunder und ruhiger in klei-
nen Bürgerställen, wo jeder Mann das Pferd füttert und pflegt,
welches er reitet, dasselbe mit der nöthigen Selbstständigkeit nach
seiner Eigenthümlichkeit behandeln lernt, und so ein gewisses
Eigenthumsgefühl und persönliche Anhänglichkeit an
dasselbe gewinnt, welche der Mann im grossen Stalle nie gewinnen
wird, der es mehr als ein Object für die Thätigkeit seines Strie-
gels und seiner Kartätsche ansieht. Auf dem Marsche wird jener
Cavallerist sich leicht zurecht finden, der an ewige Bevormun-
dung Gewöhnte aber tausend Verkehrtheiten, aller
theoretischen Unterweisung zum Trotz, sich zu Schul-
den kommen lassen.
Es ist unvernünftig, dem Soldatenpferde im Stalle
Decken aufzulegen, im Stalle, wo meist 10 bis 12 Grad
Wärme herrschen, und es dann vielleicht bei 12 Grad Kälte ohne
Decke und mit der verweichlichtsten Haut herauszubringen. Es ist
ferner aus Gesundheitsrücksichten unvernünftig, das Pferd
des schützenden Haarwuchses an Füssen, Maul und
Ohren zu berauben, unnütz, ihnen Mähne und Stirn-
schopf zu verdünnen und zu verkürzen. Am fehlerhaftesten
aber ist es, durch Arbeitsentziehung den Futterzustand
heben zu wollen und Fettbildung zu begünstigen, wodurch die
Pferde leistungsunfähig, zu Krankheiten disponirt werden und in
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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/309>, abgerufen am 16.02.2025.
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