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Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).

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Hunger, und da ihm nur Brod, Salz und ein Becher Wein
angeboten werden kann, so erklärt Pollux: "Das Frühstück, zu
dem ich dich auf morgen einlud, edelster Pontius, steht fertig bei
meiner Mutter und kann in wenigen Minuten aufgewärmt werden.
Erschrick nicht, Herr, es handelt sich um Kohl mit Würstchen, ein
Gericht, das, wie die Seele eines Egypters, im Zustande der
Auferstehung edlere Eigenschaften besitzt, als wenn es zum ersten-
male das Licht sieht." "Vortrefflich," rief Hadrian, "Kohl mit
Würstchen." Schmunzelnd wischte er mit der Hand die vollen
Lippen und lachte laut auf, als er das aus dem Herzen kom-
mende freudige ,Ah!' des Antinous vernahm, der näher zu den
Schranken herantrat. "Auch ein Gaumen und Magen kann in
beglückenden Zukunftsbildern schwelgen," rief der Kaiser u. s. w.
Der Weltbeherrscher scheint den aufgewärmten Kohl bei "Frau
Doris", des Pollux Mutter, wirklich verzehrt zu haben, denn er
sagt später einmal, da er mit dem Bildhauer in ein Wirthshaus
geht: "Jch schulde dir ohnehin noch eine Mahlzeit für das
Kohlgericht deiner Mutter." Ja der Verf. beweist gerade mit
dem Kohlgericht, daß der Kaiser ein gutes Gedächtniß für er-
wiesene Gefälligkeiten hatte, "denn als ihm einmal ein Gericht
aufgetragen wurde, das Kohl und kleine Würste enthielt, lächelte
er vor sich hin, griff nach seinem mit Goldstücken gefüllten Beutel
und befahl einem Kämmerer, ihn der Thorwächtersfrau Doris
in seinem Namen zu überbringen." -- So treu das Gedächtniß
des Prof. Ebers hinsichtlich des Kohls mit Würstchen ist, so
untreu ist es nicht selten in ganz nahe zusammenhängenden
Sachen. So heißt es von der jüngeren Arsinoe, daß sie "schon
einige Male
" im Theater gewesen. Jm zweitnächsten Satze
folgt dann die Notiz, daß es den Bürgerstöchtern "überhaupt
nur bei ganz besondern, seltnen Gelegenheiten gestattet
war in's Theater zu gehen." Weniger Gedächtnißschwäche, als
große Gedankenlosigkeit hat folgenden Satz zu Stande gebracht:
"Es ist gut, daß man beim Verkauf eines solchen Gesellen
(Sklaven) angeben muß, was er verbrochen. Unterläßt man es,
so kann man von dem späteren Besitzer für das, was einem fort-
kommt, Schadensersatz fordern", während es heißen müßte:

Hunger, und da ihm nur Brod, Salz und ein Becher Wein
angeboten werden kann, ſo erklärt Pollux: „Das Frühſtück, zu
dem ich dich auf morgen einlud, edelſter Pontius, ſteht fertig bei
meiner Mutter und kann in wenigen Minuten aufgewärmt werden.
Erſchrick nicht, Herr, es handelt ſich um Kohl mit Würſtchen, ein
Gericht, das, wie die Seele eines Egypters, im Zuſtande der
Auferſtehung edlere Eigenſchaften beſitzt, als wenn es zum erſten-
male das Licht ſieht.‟ „Vortrefflich,‟ rief Hadrian, „Kohl mit
Würſtchen.‟ Schmunzelnd wiſchte er mit der Hand die vollen
Lippen und lachte laut auf, als er das aus dem Herzen kom-
mende freudige ‚Ah!‛ des Antinous vernahm, der näher zu den
Schranken herantrat. „Auch ein Gaumen und Magen kann in
beglückenden Zukunftsbildern ſchwelgen,‟ rief der Kaiſer u. ſ. w.
Der Weltbeherrſcher ſcheint den aufgewärmten Kohl bei „Frau
Doris‟, des Pollux Mutter, wirklich verzehrt zu haben, denn er
ſagt ſpäter einmal, da er mit dem Bildhauer in ein Wirthshaus
geht: „Jch ſchulde dir ohnehin noch eine Mahlzeit für das
Kohlgericht deiner Mutter.‟ Ja der Verf. beweiſt gerade mit
dem Kohlgericht, daß der Kaiſer ein gutes Gedächtniß für er-
wieſene Gefälligkeiten hatte, „denn als ihm einmal ein Gericht
aufgetragen wurde, das Kohl und kleine Würſte enthielt, lächelte
er vor ſich hin, griff nach ſeinem mit Goldſtücken gefüllten Beutel
und befahl einem Kämmerer, ihn der Thorwächtersfrau Doris
in ſeinem Namen zu überbringen.‟ — So treu das Gedächtniß
des Prof. Ebers hinſichtlich des Kohls mit Würſtchen iſt, ſo
untreu iſt es nicht ſelten in ganz nahe zuſammenhängenden
Sachen. So heißt es von der jüngeren Arſinoe, daß ſie „ſchon
einige Male
‟ im Theater geweſen. Jm zweitnächſten Satze
folgt dann die Notiz, daß es den Bürgerstöchtern „überhaupt
nur bei ganz beſondern, ſeltnen Gelegenheiten geſtattet
war in’s Theater zu gehen.‟ Weniger Gedächtnißſchwäche, als
große Gedankenloſigkeit hat folgenden Satz zu Stande gebracht:
„Es iſt gut, daß man beim Verkauf eines ſolchen Geſellen
(Sklaven) angeben muß, was er verbrochen. Unterläßt man es,
ſo kann man von dem ſpäteren Beſitzer für das, was einem fort-
kommt, Schadenserſatz fordern‟, während es heißen müßte:

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[32 224/0032] Hunger, und da ihm nur Brod, Salz und ein Becher Wein angeboten werden kann, ſo erklärt Pollux: „Das Frühſtück, zu dem ich dich auf morgen einlud, edelſter Pontius, ſteht fertig bei meiner Mutter und kann in wenigen Minuten aufgewärmt werden. Erſchrick nicht, Herr, es handelt ſich um Kohl mit Würſtchen, ein Gericht, das, wie die Seele eines Egypters, im Zuſtande der Auferſtehung edlere Eigenſchaften beſitzt, als wenn es zum erſten- male das Licht ſieht.‟ „Vortrefflich,‟ rief Hadrian, „Kohl mit Würſtchen.‟ Schmunzelnd wiſchte er mit der Hand die vollen Lippen und lachte laut auf, als er das aus dem Herzen kom- mende freudige ‚Ah!‛ des Antinous vernahm, der näher zu den Schranken herantrat. „Auch ein Gaumen und Magen kann in beglückenden Zukunftsbildern ſchwelgen,‟ rief der Kaiſer u. ſ. w. Der Weltbeherrſcher ſcheint den aufgewärmten Kohl bei „Frau Doris‟, des Pollux Mutter, wirklich verzehrt zu haben, denn er ſagt ſpäter einmal, da er mit dem Bildhauer in ein Wirthshaus geht: „Jch ſchulde dir ohnehin noch eine Mahlzeit für das Kohlgericht deiner Mutter.‟ Ja der Verf. beweiſt gerade mit dem Kohlgericht, daß der Kaiſer ein gutes Gedächtniß für er- wieſene Gefälligkeiten hatte, „denn als ihm einmal ein Gericht aufgetragen wurde, das Kohl und kleine Würſte enthielt, lächelte er vor ſich hin, griff nach ſeinem mit Goldſtücken gefüllten Beutel und befahl einem Kämmerer, ihn der Thorwächtersfrau Doris in ſeinem Namen zu überbringen.‟ — So treu das Gedächtniß des Prof. Ebers hinſichtlich des Kohls mit Würſtchen iſt, ſo untreu iſt es nicht ſelten in ganz nahe zuſammenhängenden Sachen. So heißt es von der jüngeren Arſinoe, daß ſie „ſchon einige Male‟ im Theater geweſen. Jm zweitnächſten Satze folgt dann die Notiz, daß es den Bürgerstöchtern „überhaupt nur bei ganz beſondern, ſeltnen Gelegenheiten geſtattet war in’s Theater zu gehen.‟ Weniger Gedächtnißſchwäche, als große Gedankenloſigkeit hat folgenden Satz zu Stande gebracht: „Es iſt gut, daß man beim Verkauf eines ſolchen Geſellen (Sklaven) angeben muß, was er verbrochen. Unterläßt man es, ſo kann man von dem ſpäteren Beſitzer für das, was einem fort- kommt, Schadenserſatz fordern‟, während es heißen müßte:

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Zitationshilfe: Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884), S. 32 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kraus_professorenroman_1884/32>, abgerufen am 24.11.2024.