Kraus, Otto: Der Professorenroman. In: Zeitfragen des christlichen Volkslebens/ Band IX. Heft 4 (1884).und ein fahrendes Weib geworden. Philipp II. kritisirt in Wir dürfen nach diesen Andeutungen wohl fragen: können und ein fahrendes Weib geworden. Philipp II. kritiſirt in Wir dürfen nach dieſen Andeutungen wohl fragen: können <TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0042" n="42 234"/> und ein fahrendes Weib geworden. <hi rendition="#g">Philipp</hi> <hi rendition="#aq">II.</hi> kritiſirt in<lb/> eigner Perſon das Bild mit den Worten: „Eine Bacchantin im<lb/> Kleide der gnadenreichen Mutter Gottes.‟ — „Glück hin! Kunſt<lb/> hin! <hi rendition="#aq">a Dios</hi> trügeriſches Wort! <hi rendition="#aq">a Dios</hi> göttliche Kunſt!‟ ruft<lb/> der gedemüthigte Ulrich aus, ſtößt mit dem Malſtock durch die<lb/> Leinwand und küßt heftig weinend die (wahrſcheinlich mit Farben<lb/> beſchmierte) Palette, die Pinſel und das zerſtörte Bild. — Bei<lb/> ſolchen Gelegenheiten kann Ebers förmlich leidenſchaftlich werden,<lb/> während ſeine Liebespaare ſich immer ſalonfähig erhalten. —<lb/> Nun wird Ulrich Soldat. Er macht unter <hi rendition="#g">Juan d’Auſtria</hi><lb/> die Seeſchlacht von <hi rendition="#g">Lepanto</hi> mit, hört im Kampfgetümmel den<lb/> Dichter des <hi rendition="#g">Don Quixote</hi> die Wunden „den Weg in den<lb/> Himmel des Ruhmes — des Ruhmes‟ nennen und läßt ſich von<lb/> dieſem dritten Stichwort nach den Niederlanden führen. Wie<lb/> von ſelbſt geſellt ſich zu dem „Ruhme‟ die Zwillingsſchweſter,<lb/> „die Macht‟. Als guter römiſcher Katholik rief Ulrich in kri-<lb/> tiſchen Lagen gewöhnlich die Madonna an, wenn aber der Geiſt<lb/> ſeines Lehrers Coſta über ihn kam, „daneben auch‟ — das<lb/> „Wort‟! Zuletzt iſt es natürlich „die Liebe‟, welcher Ulrich ſein<lb/> Maler- und Landsknechts-Herz zuwendet. Die Liebe iſt das letzte<lb/> und beſte „Wort‟, denn ſie führt ihn nach ſo mancherlei Jrr-<lb/> fahrten und Verirrungen in die Arme ſeiner Jugendfreundin, der<lb/> Tochter des <hi rendition="#aq">Dr.</hi> Coſta. —</p><lb/> <p>Wir dürfen nach dieſen Andeutungen wohl fragen: können<lb/> Chriſten Gefallen finden an ſolchen abgeſchmackten, im Leben<lb/> glücklicher Weiſe ganz unausführbaren <hi rendition="#g">Jdolatrie?</hi> Wer be-<lb/> gnügt ſich denn mit der Schattenexiſtenz eines Begriffs, eines<lb/> Wortes, eines Ausrufs! Wer kann denn ſolche „windſchaffene‟<lb/> Dinge mit Jnbrunſt, aus ganzem Herzen anrufen? Die Zu-<lb/> muthungen, welche Ebers mit ſolchen Dingen in ſeinem neueſten<lb/> Roman ſeinen Leſern ſtellt, ſind von der Kritik allgemein, ſoweit<lb/> wir wahrnehmen konnten, abgewieſen worden. Selbſt im gedul-<lb/> digen Publicum ſind Stimmen des Tadels über „Ein Wort‟<lb/> bei ſolchen laut geworden, die bei der „Frau Bürgemeiſterin‟<lb/> noch ganz im Banne der Ebers-Verehrung lagen. Wenn aber<lb/> die Recenſenten der Tagesjournaliſtik und die gewohnheitsmäßigen<lb/></p> </body> </text> </TEI> [42 234/0042]
und ein fahrendes Weib geworden. Philipp II. kritiſirt in
eigner Perſon das Bild mit den Worten: „Eine Bacchantin im
Kleide der gnadenreichen Mutter Gottes.‟ — „Glück hin! Kunſt
hin! a Dios trügeriſches Wort! a Dios göttliche Kunſt!‟ ruft
der gedemüthigte Ulrich aus, ſtößt mit dem Malſtock durch die
Leinwand und küßt heftig weinend die (wahrſcheinlich mit Farben
beſchmierte) Palette, die Pinſel und das zerſtörte Bild. — Bei
ſolchen Gelegenheiten kann Ebers förmlich leidenſchaftlich werden,
während ſeine Liebespaare ſich immer ſalonfähig erhalten. —
Nun wird Ulrich Soldat. Er macht unter Juan d’Auſtria
die Seeſchlacht von Lepanto mit, hört im Kampfgetümmel den
Dichter des Don Quixote die Wunden „den Weg in den
Himmel des Ruhmes — des Ruhmes‟ nennen und läßt ſich von
dieſem dritten Stichwort nach den Niederlanden führen. Wie
von ſelbſt geſellt ſich zu dem „Ruhme‟ die Zwillingsſchweſter,
„die Macht‟. Als guter römiſcher Katholik rief Ulrich in kri-
tiſchen Lagen gewöhnlich die Madonna an, wenn aber der Geiſt
ſeines Lehrers Coſta über ihn kam, „daneben auch‟ — das
„Wort‟! Zuletzt iſt es natürlich „die Liebe‟, welcher Ulrich ſein
Maler- und Landsknechts-Herz zuwendet. Die Liebe iſt das letzte
und beſte „Wort‟, denn ſie führt ihn nach ſo mancherlei Jrr-
fahrten und Verirrungen in die Arme ſeiner Jugendfreundin, der
Tochter des Dr. Coſta. —
Wir dürfen nach dieſen Andeutungen wohl fragen: können
Chriſten Gefallen finden an ſolchen abgeſchmackten, im Leben
glücklicher Weiſe ganz unausführbaren Jdolatrie? Wer be-
gnügt ſich denn mit der Schattenexiſtenz eines Begriffs, eines
Wortes, eines Ausrufs! Wer kann denn ſolche „windſchaffene‟
Dinge mit Jnbrunſt, aus ganzem Herzen anrufen? Die Zu-
muthungen, welche Ebers mit ſolchen Dingen in ſeinem neueſten
Roman ſeinen Leſern ſtellt, ſind von der Kritik allgemein, ſoweit
wir wahrnehmen konnten, abgewieſen worden. Selbſt im gedul-
digen Publicum ſind Stimmen des Tadels über „Ein Wort‟
bei ſolchen laut geworden, die bei der „Frau Bürgemeiſterin‟
noch ganz im Banne der Ebers-Verehrung lagen. Wenn aber
die Recenſenten der Tagesjournaliſtik und die gewohnheitsmäßigen
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