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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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über die Umgebung schweifen. In gleichmäßigen Absätzen
blies er den Rauch seiner Pfeife von sich, während ein Aus¬
druck stiller Zufriedenheit sich über seine Züge breitete.

Gespensterhaft, grell vom Lichte des Mondes beschienen,
ragten die fensterlosen Mauern der neuen Fabrik in den
Aether. Eine Vision überkam ihm: Hundert geschäftige
Hände begannen sich drüben zu regen. Es klapperte, schnurrte
und walzte; zischend stieg der Dampf zum Himmel empor,
schrill ertönte der Pfiff der Pfeife. Und plötzlich stieg blutig¬
rother Qualm vor seinen Augen auf. Tausend Arme
streckten sich ihm entgegen, riesige Hämmer wurden über
seinem Kopf geschwungen, und aus unzähligen Kehlen hallten
die fürchterlichen Worte: "Meister, wir schlagen Dich todt,
Du bist uns im Wege." Er wehrte sich mit Riesenkräften;
aber allmälig hagelten die Schläge so dicht auf ihn her¬
nieder, daß er schwächer und schwächer wurde und mit einem
Schrei der Verzweiflung, dem ein langer Seufzer folgte, zu
Boden sank.

Johannes Timpe wankte wirklich, aber auf seinem Sitze,
so daß er sich mit einem schnellen Griff an einem Ast fest¬
halten mußte. Dann rieb er sich die Augen, denn die Lider
waren ihm von dem balsamischen Duft der Nacht schwer ge¬
worden. Er war nahe daran gewesen, mit halb offenen Augen
zu träumen.

Da war es ihm, als vernähme er jenseits der Mauer
flüsternde Stimmen. Er richtete den Blick nach dort, sah ein
helles Kleid leuchten, und Arm in Arm mit einem jungen
Mädchen, voll und ganz in Mondeslicht getaucht, seinen Ein¬
zigen kosend und schäkernd dahin schreiten.

"Potz Blitz, der Junge!"

über die Umgebung ſchweifen. In gleichmäßigen Abſätzen
blies er den Rauch ſeiner Pfeife von ſich, während ein Aus¬
druck ſtiller Zufriedenheit ſich über ſeine Züge breitete.

Geſpenſterhaft, grell vom Lichte des Mondes beſchienen,
ragten die fenſterloſen Mauern der neuen Fabrik in den
Aether. Eine Viſion überkam ihm: Hundert geſchäftige
Hände begannen ſich drüben zu regen. Es klapperte, ſchnurrte
und walzte; ziſchend ſtieg der Dampf zum Himmel empor,
ſchrill ertönte der Pfiff der Pfeife. Und plötzlich ſtieg blutig¬
rother Qualm vor ſeinen Augen auf. Tauſend Arme
ſtreckten ſich ihm entgegen, rieſige Hämmer wurden über
ſeinem Kopf geſchwungen, und aus unzähligen Kehlen hallten
die fürchterlichen Worte: „Meiſter, wir ſchlagen Dich todt,
Du biſt uns im Wege.“ Er wehrte ſich mit Rieſenkräften;
aber allmälig hagelten die Schläge ſo dicht auf ihn her¬
nieder, daß er ſchwächer und ſchwächer wurde und mit einem
Schrei der Verzweiflung, dem ein langer Seufzer folgte, zu
Boden ſank.

Johannes Timpe wankte wirklich, aber auf ſeinem Sitze,
ſo daß er ſich mit einem ſchnellen Griff an einem Aſt feſt¬
halten mußte. Dann rieb er ſich die Augen, denn die Lider
waren ihm von dem balſamiſchen Duft der Nacht ſchwer ge¬
worden. Er war nahe daran geweſen, mit halb offenen Augen
zu träumen.

Da war es ihm, als vernähme er jenſeits der Mauer
flüſternde Stimmen. Er richtete den Blick nach dort, ſah ein
helles Kleid leuchten, und Arm in Arm mit einem jungen
Mädchen, voll und ganz in Mondeslicht getaucht, ſeinen Ein¬
zigen koſend und ſchäkernd dahin ſchreiten.

„Potz Blitz, der Junge!“

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[93/0105] über die Umgebung ſchweifen. In gleichmäßigen Abſätzen blies er den Rauch ſeiner Pfeife von ſich, während ein Aus¬ druck ſtiller Zufriedenheit ſich über ſeine Züge breitete. Geſpenſterhaft, grell vom Lichte des Mondes beſchienen, ragten die fenſterloſen Mauern der neuen Fabrik in den Aether. Eine Viſion überkam ihm: Hundert geſchäftige Hände begannen ſich drüben zu regen. Es klapperte, ſchnurrte und walzte; ziſchend ſtieg der Dampf zum Himmel empor, ſchrill ertönte der Pfiff der Pfeife. Und plötzlich ſtieg blutig¬ rother Qualm vor ſeinen Augen auf. Tauſend Arme ſtreckten ſich ihm entgegen, rieſige Hämmer wurden über ſeinem Kopf geſchwungen, und aus unzähligen Kehlen hallten die fürchterlichen Worte: „Meiſter, wir ſchlagen Dich todt, Du biſt uns im Wege.“ Er wehrte ſich mit Rieſenkräften; aber allmälig hagelten die Schläge ſo dicht auf ihn her¬ nieder, daß er ſchwächer und ſchwächer wurde und mit einem Schrei der Verzweiflung, dem ein langer Seufzer folgte, zu Boden ſank. Johannes Timpe wankte wirklich, aber auf ſeinem Sitze, ſo daß er ſich mit einem ſchnellen Griff an einem Aſt feſt¬ halten mußte. Dann rieb er ſich die Augen, denn die Lider waren ihm von dem balſamiſchen Duft der Nacht ſchwer ge¬ worden. Er war nahe daran geweſen, mit halb offenen Augen zu träumen. Da war es ihm, als vernähme er jenſeits der Mauer flüſternde Stimmen. Er richtete den Blick nach dort, ſah ein helles Kleid leuchten, und Arm in Arm mit einem jungen Mädchen, voll und ganz in Mondeslicht getaucht, ſeinen Ein¬ zigen koſend und ſchäkernd dahin ſchreiten. „Potz Blitz, der Junge!“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/105>, abgerufen am 21.11.2024.