Den ganzen Winter hindurch, der von seltener Strenge war, mußte der Bau der Fabrik ruhen. Zu Herrn Ferdinand Friedrich Urban's großem Kummer! Da die rauhe Jahres¬ zeit es nicht gestattete, die "Warte" zu besteigen, so streckte Johannes Timpe von nun an jeden Tag den Kopf durch die Bodenluke, um seine Neugierde zu befriedigen. Wenn er bei dem fahlen Licht der Abenddämmerung seinen Blick zu dem bereits fertigen Rohbau hinüber¬ sandte, so war es ihm, als grinsten ihn die dunklen Fenster¬ höhlungen der schneebedeckten Brandmauer wie eben so viele Augen eines Ungeheuers an. Seine stark ausgeprägte Phantasie begann ihre Wirkung zu thun.
Sobald der erste Sonnenstrahl sich wieder zeigte, erschien Urban auf dem Bauplatz und erhob seine Nase zum Himmel, als wolle er diesen für die Unterbrechung der Arbeit an¬ klagen. In einen bis zur Erde reichenden Pelz gehüllt, einen Shwal mehrmals um den Hals geschlungen, eine eng¬ lische Stoffmütze weit in die Stirn gedrückt, schnüffelte er in allen
VII. Große Toilette.
Den ganzen Winter hindurch, der von ſeltener Strenge war, mußte der Bau der Fabrik ruhen. Zu Herrn Ferdinand Friedrich Urban's großem Kummer! Da die rauhe Jahres¬ zeit es nicht geſtattete, die „Warte“ zu beſteigen, ſo ſtreckte Johannes Timpe von nun an jeden Tag den Kopf durch die Bodenluke, um ſeine Neugierde zu befriedigen. Wenn er bei dem fahlen Licht der Abenddämmerung ſeinen Blick zu dem bereits fertigen Rohbau hinüber¬ ſandte, ſo war es ihm, als grinsten ihn die dunklen Fenſter¬ höhlungen der ſchneebedeckten Brandmauer wie eben ſo viele Augen eines Ungeheuers an. Seine ſtark ausgeprägte Phantaſie begann ihre Wirkung zu thun.
Sobald der erſte Sonnenſtrahl ſich wieder zeigte, erſchien Urban auf dem Bauplatz und erhob ſeine Naſe zum Himmel, als wolle er dieſen für die Unterbrechung der Arbeit an¬ klagen. In einen bis zur Erde reichenden Pelz gehüllt, einen Shwal mehrmals um den Hals geſchlungen, eine eng¬ liſche Stoffmütze weit in die Stirn gedrückt, ſchnüffelte er in allen
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VII.
Große Toilette.
Den ganzen Winter hindurch, der von ſeltener Strenge war,
mußte der Bau der Fabrik ruhen. Zu Herrn Ferdinand
Friedrich Urban's großem Kummer! Da die rauhe Jahres¬
zeit es nicht geſtattete, die „Warte“ zu beſteigen, ſo ſtreckte
Johannes Timpe von nun an jeden Tag den Kopf durch
die Bodenluke, um ſeine Neugierde zu befriedigen.
Wenn er bei dem fahlen Licht der Abenddämmerung
ſeinen Blick zu dem bereits fertigen Rohbau hinüber¬
ſandte, ſo war es ihm, als grinsten ihn die dunklen Fenſter¬
höhlungen der ſchneebedeckten Brandmauer wie eben ſo viele
Augen eines Ungeheuers an. Seine ſtark ausgeprägte Phantaſie
begann ihre Wirkung zu thun.
Sobald der erſte Sonnenſtrahl ſich wieder zeigte, erſchien
Urban auf dem Bauplatz und erhob ſeine Naſe zum Himmel,
als wolle er dieſen für die Unterbrechung der Arbeit an¬
klagen. In einen bis zur Erde reichenden Pelz gehüllt,
einen Shwal mehrmals um den Hals geſchlungen, eine eng¬
liſche Stoffmütze weit in die Stirn gedrückt, ſchnüffelte er in allen
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. [95]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/107>, abgerufen am 24.11.2024.
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