wiederholt zu seinen Gesellen. "Ich will schon dafür sorgen, daß er ein neues Gerüst bauen läßt und einige Längen seiner Nase zugiebt."
Urban aber ließ sich keinen Verstoß gegen die Gesetze der Nachbarschaft zu Schulden kommen. Immer höher und höher thürmte der Riesenschlot sich von Tag zu Tag auf und als die Gerüstabnahme beendet war und Timpe zum ersten Mal die steinerne Riesensäule klar und scharf zum Horizont sich abheben sah, und mit weit hintenübergebeugtem Haupte zu dem Blitzab¬ leiter emporblickte, der sie krönte, erschien sie ihm nun doppelt so hoch, als er anfänglich angenommen hatte. Die erste Befürchtung wurde nun durch eine zweite verdrängt: daß der Schornstein eines Tages niederstürzen könne, um das Dach seines Hauses zu zerschmettern. Es kamen Tage, wo Timpe fortwährend in dieser Einbildung lebte. Und als eines Nachts ein arger Herbststurm über die Dächer Berlins brauste und arge Verwüstungen anrichtete, vermochte er nicht ruhig zu schlafen. Er erhob sich von seinem Lager, ging zum ersten Stockwerk empor und blickte eine ganze Stunde lang zum Flurfenster hinaus, um das leise Schwanken des Schorn¬ steins zu beobachten -- trotz des Regens, der ihm das Ge¬ sicht peitschte.
Noch vor Weihnachten wurde die Fabrik in Betrieb gesetzt. Der Tag, an dem zum ersten Male der dunkle Qualm aus dem Schlot zum Himmel stieg, war für Jo¬ hannes Timpe und seine Gesellen ein ereignißreicher. Es dauerte lange, ehe sie sich an das Geräusch der Dampf¬ maschine gewöhnen konnten. Wie das stöhnte und ächzte, surrte und summte! Selbst das Schnurren der Dreh¬ bänke wurde übertönt. Es schien fast, als könne sich
wiederholt zu ſeinen Geſellen. „Ich will ſchon dafür ſorgen, daß er ein neues Gerüſt bauen läßt und einige Längen ſeiner Naſe zugiebt.“
Urban aber ließ ſich keinen Verſtoß gegen die Geſetze der Nachbarſchaft zu Schulden kommen. Immer höher und höher thürmte der Rieſenſchlot ſich von Tag zu Tag auf und als die Gerüſtabnahme beendet war und Timpe zum erſten Mal die ſteinerne Rieſenſäule klar und ſcharf zum Horizont ſich abheben ſah, und mit weit hintenübergebeugtem Haupte zu dem Blitzab¬ leiter emporblickte, der ſie krönte, erſchien ſie ihm nun doppelt ſo hoch, als er anfänglich angenommen hatte. Die erſte Befürchtung wurde nun durch eine zweite verdrängt: daß der Schornſtein eines Tages niederſtürzen könne, um das Dach ſeines Hauſes zu zerſchmettern. Es kamen Tage, wo Timpe fortwährend in dieſer Einbildung lebte. Und als eines Nachts ein arger Herbſtſturm über die Dächer Berlins brauſte und arge Verwüſtungen anrichtete, vermochte er nicht ruhig zu ſchlafen. Er erhob ſich von ſeinem Lager, ging zum erſten Stockwerk empor und blickte eine ganze Stunde lang zum Flurfenſter hinaus, um das leiſe Schwanken des Schorn¬ ſteins zu beobachten — trotz des Regens, der ihm das Ge¬ ſicht peitſchte.
Noch vor Weihnachten wurde die Fabrik in Betrieb geſetzt. Der Tag, an dem zum erſten Male der dunkle Qualm aus dem Schlot zum Himmel ſtieg, war für Jo¬ hannes Timpe und ſeine Geſellen ein ereignißreicher. Es dauerte lange, ehe ſie ſich an das Geräuſch der Dampf¬ maſchine gewöhnen konnten. Wie das ſtöhnte und ächzte, ſurrte und ſummte! Selbſt das Schnurren der Dreh¬ bänke wurde übertönt. Es ſchien faſt, als könne ſich
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wiederholt zu ſeinen Geſellen. „Ich will ſchon dafür ſorgen,
daß er ein neues Gerüſt bauen läßt und einige Längen
ſeiner Naſe zugiebt.“
Urban aber ließ ſich keinen Verſtoß gegen die Geſetze
der Nachbarſchaft zu Schulden kommen. Immer höher und
höher thürmte der Rieſenſchlot ſich von Tag zu Tag auf und
als die Gerüſtabnahme beendet war und Timpe zum erſten Mal
die ſteinerne Rieſenſäule klar und ſcharf zum Horizont ſich abheben
ſah, und mit weit hintenübergebeugtem Haupte zu dem Blitzab¬
leiter emporblickte, der ſie krönte, erſchien ſie ihm nun doppelt
ſo hoch, als er anfänglich angenommen hatte. Die erſte
Befürchtung wurde nun durch eine zweite verdrängt: daß der
Schornſtein eines Tages niederſtürzen könne, um das Dach
ſeines Hauſes zu zerſchmettern. Es kamen Tage, wo Timpe
fortwährend in dieſer Einbildung lebte. Und als eines Nachts
ein arger Herbſtſturm über die Dächer Berlins brauſte und
arge Verwüſtungen anrichtete, vermochte er nicht ruhig zu
ſchlafen. Er erhob ſich von ſeinem Lager, ging zum erſten
Stockwerk empor und blickte eine ganze Stunde lang zum
Flurfenſter hinaus, um das leiſe Schwanken des Schorn¬
ſteins zu beobachten — trotz des Regens, der ihm das Ge¬
ſicht peitſchte.
Noch vor Weihnachten wurde die Fabrik in Betrieb
geſetzt. Der Tag, an dem zum erſten Male der dunkle
Qualm aus dem Schlot zum Himmel ſtieg, war für Jo¬
hannes Timpe und ſeine Geſellen ein ereignißreicher. Es
dauerte lange, ehe ſie ſich an das Geräuſch der Dampf¬
maſchine gewöhnen konnten. Wie das ſtöhnte und ächzte,
ſurrte und ſummte! Selbſt das Schnurren der Dreh¬
bänke wurde übertönt. Es ſchien faſt, als könne ſich
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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/140>, abgerufen am 24.11.2024.
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