heidi! Das ist die Dankbarkeit der modernen Jugend, aber ich hätte euch das vorhersagen können. ... Wenn Franz Timpe einen neuen Streich begeht, so hat er seine besonderen Absichten dabei, verlaßt Euch darauf. ... Aber meinen Segen hat er, sagt ihm das in meinem Namen."
Der Tag des Umzuges Franzens hatte das Ehepaar in eine traurige Stimmung versetzt. Schon einige Tage vorher hatte Flau Karoline in allen Kasten und Schränken ge¬ kramt, damit das ihrer Meinung nach Nothwendigste und Beste für den zukünftigen Chambregarnisten beisammen sei. Ein neuer Reisekorb war angeschafft worden und neben ihm, der vollgepfropft war mit Kleidungs- und Wäschestücken, stand ein halbes Dutzend Papp¬ schachteln und Kisten, die das Uebrige enthielten. Es war gerade, als handelte es sich um eine Afrikareise des Stammhalters. Selbst ein Körbchen mit eingemachten Früchten eine Leckerspeise Franzens, hatte Frau Karoline dem Gepäck hinzugefügt. Johannes aber hatte eine Kiste Cigarren "extra feine Sorte", wie er schmunzelnd meinte, in einer der größten Handlungen der Königstraße gekauft und gedachte damit seinem Sohne eine Ueberraschung zu bereiten.
Als Franz nach Hause kam und die ganze Bescheerung erblickte, amüsirte er sich über diese Vorbereitungen außer¬ ordentlich, so daß der Meister und sein Weib verlegen wurden. Als dann ein Stück nach dem andern in die Droschke ge¬ schafft worden war, und der große Augenblick des Abschieds kam, erschien die Meisterin zum Ausgehen gerüstet auf der Bildfläche. Sie wollte es sich nicht nehmen lassen, Ihren Sohn auf seiner weiten Reise nach der kaum zehn Minuten entfernt liegenden Münzstraße
heidi! Das iſt die Dankbarkeit der modernen Jugend, aber ich hätte euch das vorherſagen können. ... Wenn Franz Timpe einen neuen Streich begeht, ſo hat er ſeine beſonderen Abſichten dabei, verlaßt Euch darauf. ... Aber meinen Segen hat er, ſagt ihm das in meinem Namen.“
Der Tag des Umzuges Franzens hatte das Ehepaar in eine traurige Stimmung verſetzt. Schon einige Tage vorher hatte Flau Karoline in allen Kaſten und Schränken ge¬ kramt, damit das ihrer Meinung nach Nothwendigſte und Beſte für den zukünftigen Chambregarniſten beiſammen ſei. Ein neuer Reiſekorb war angeſchafft worden und neben ihm, der vollgepfropft war mit Kleidungs- und Wäſcheſtücken, ſtand ein halbes Dutzend Papp¬ ſchachteln und Kiſten, die das Uebrige enthielten. Es war gerade, als handelte es ſich um eine Afrikareiſe des Stammhalters. Selbſt ein Körbchen mit eingemachten Früchten eine Leckerſpeiſe Franzens, hatte Frau Karoline dem Gepäck hinzugefügt. Johannes aber hatte eine Kiſte Cigarren „extra feine Sorte“, wie er ſchmunzelnd meinte, in einer der größten Handlungen der Königſtraße gekauft und gedachte damit ſeinem Sohne eine Ueberraſchung zu bereiten.
Als Franz nach Hauſe kam und die ganze Beſcheerung erblickte, amüſirte er ſich über dieſe Vorbereitungen außer¬ ordentlich, ſo daß der Meiſter und ſein Weib verlegen wurden. Als dann ein Stück nach dem andern in die Droſchke ge¬ ſchafft worden war, und der große Augenblick des Abſchieds kam, erſchien die Meiſterin zum Ausgehen gerüſtet auf der Bildfläche. Sie wollte es ſich nicht nehmen laſſen, Ihren Sohn auf ſeiner weiten Reiſe nach der kaum zehn Minuten entfernt liegenden Münzſtraße
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0145"n="133"/>
heidi! Das iſt die Dankbarkeit der modernen Jugend, aber<lb/>
ich hätte euch das vorherſagen können. ... Wenn Franz<lb/>
Timpe einen neuen Streich begeht, ſo hat er ſeine beſonderen<lb/>
Abſichten dabei, verlaßt Euch darauf. ... Aber meinen<lb/>
Segen hat er, ſagt ihm das in meinem Namen.“</p><lb/><p>Der Tag des Umzuges Franzens hatte das Ehepaar in<lb/>
eine traurige Stimmung verſetzt. Schon einige Tage vorher<lb/>
hatte Flau Karoline in allen Kaſten und Schränken ge¬<lb/>
kramt, damit das ihrer Meinung nach Nothwendigſte und<lb/>
Beſte für den zukünftigen Chambregarniſten beiſammen ſei.<lb/>
Ein neuer Reiſekorb war angeſchafft worden und<lb/>
neben ihm, der vollgepfropft war mit Kleidungs-<lb/>
und Wäſcheſtücken, ſtand ein halbes Dutzend Papp¬<lb/>ſchachteln und Kiſten, die das Uebrige enthielten. Es<lb/>
war gerade, als handelte es ſich um eine Afrikareiſe des<lb/>
Stammhalters. Selbſt ein Körbchen mit eingemachten Früchten<lb/>
eine Leckerſpeiſe Franzens, hatte Frau Karoline dem Gepäck<lb/>
hinzugefügt. Johannes aber hatte eine Kiſte Cigarren „extra<lb/>
feine Sorte“, wie er ſchmunzelnd meinte, in einer der größten<lb/>
Handlungen der Königſtraße gekauft und gedachte damit<lb/>ſeinem Sohne eine Ueberraſchung zu bereiten.</p><lb/><p>Als Franz nach Hauſe kam und die ganze Beſcheerung<lb/>
erblickte, amüſirte er ſich über dieſe Vorbereitungen außer¬<lb/>
ordentlich, ſo daß der Meiſter und ſein Weib verlegen wurden.<lb/>
Als dann ein Stück nach dem andern in die Droſchke ge¬<lb/>ſchafft worden war, und der große Augenblick des Abſchieds<lb/>
kam, erſchien die Meiſterin zum Ausgehen gerüſtet<lb/>
auf der Bildfläche. Sie wollte es ſich nicht nehmen<lb/>
laſſen, Ihren Sohn auf ſeiner weiten Reiſe nach<lb/>
der kaum zehn Minuten entfernt liegenden Münzſtraße<lb/></p></div></body></text></TEI>
[133/0145]
heidi! Das iſt die Dankbarkeit der modernen Jugend, aber
ich hätte euch das vorherſagen können. ... Wenn Franz
Timpe einen neuen Streich begeht, ſo hat er ſeine beſonderen
Abſichten dabei, verlaßt Euch darauf. ... Aber meinen
Segen hat er, ſagt ihm das in meinem Namen.“
Der Tag des Umzuges Franzens hatte das Ehepaar in
eine traurige Stimmung verſetzt. Schon einige Tage vorher
hatte Flau Karoline in allen Kaſten und Schränken ge¬
kramt, damit das ihrer Meinung nach Nothwendigſte und
Beſte für den zukünftigen Chambregarniſten beiſammen ſei.
Ein neuer Reiſekorb war angeſchafft worden und
neben ihm, der vollgepfropft war mit Kleidungs-
und Wäſcheſtücken, ſtand ein halbes Dutzend Papp¬
ſchachteln und Kiſten, die das Uebrige enthielten. Es
war gerade, als handelte es ſich um eine Afrikareiſe des
Stammhalters. Selbſt ein Körbchen mit eingemachten Früchten
eine Leckerſpeiſe Franzens, hatte Frau Karoline dem Gepäck
hinzugefügt. Johannes aber hatte eine Kiſte Cigarren „extra
feine Sorte“, wie er ſchmunzelnd meinte, in einer der größten
Handlungen der Königſtraße gekauft und gedachte damit
ſeinem Sohne eine Ueberraſchung zu bereiten.
Als Franz nach Hauſe kam und die ganze Beſcheerung
erblickte, amüſirte er ſich über dieſe Vorbereitungen außer¬
ordentlich, ſo daß der Meiſter und ſein Weib verlegen wurden.
Als dann ein Stück nach dem andern in die Droſchke ge¬
ſchafft worden war, und der große Augenblick des Abſchieds
kam, erſchien die Meiſterin zum Ausgehen gerüſtet
auf der Bildfläche. Sie wollte es ſich nicht nehmen
laſſen, Ihren Sohn auf ſeiner weiten Reiſe nach
der kaum zehn Minuten entfernt liegenden Münzſtraße
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/145>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.