Veränderung war eine so unwesentliche, daß das Gros der Abnehmer sich leicht täuschen lassen konnte.
Herr Augustus Deppler griff noch mehrmals in die weite, einem Sack ähnliche Tasche seines braunen Kaftans und holte einen Gegenstand nach dem Anderen hervor.
"Und was sagen Sie hierzu, mein lieber Meister Timpe? Wer hätte früher daran gedacht, daß in Berlin ein Fabrikant auftauchen würde, der seinen Abnehmern diese Jonvillebüchse um den dritten Theil billiger liefern könnte als Sie. Aber ich renommire nicht: Urban hat mir das Dutzend zu achtzehn Mark angeboten, während ich bei Ihnen vierundzwanzig zahlen mußte. Das kommt aber daher, weil Urban, wie er mir sagte, eine neue Vor¬ richtung am Support erfunden hat, die es ihm möglich macht die Zeit der Herstellung zu vermindern."
Diese Büchse, von der man sprach, war ein sehr beliebter Necessairegegenstand für Damen, der aus einem Stück gedreht wurde, inwendig hohl war und vermittelst eines Federdruckes in mehrere Theile sich zerlegte. Ein Pariser Händler, Namens Jonville, hatte die Büchse zuerst in Deutschland eingeführt und Meister Timpe die erste inländische Arbeit danach gemacht. Er hatte mit der Zeit dem Artikel auch andere Formen gegeben und dafür reichliche Abnehmer gefunden. Nun mußte er erleben, daß die billige Kon¬ kurrenz Urbans ihm auch hierfür die Kunden wegzunehmen drohte. Saß doch ihm gegenüber bereits einer von Denen, die ihm nach und nach abtrünnig werden würden. Er hatte sich mehr als einmal gewundert, daß der kleine schief¬ gewachsene Herr Deppler, der seit einem Jahrzehnt zu seinen
Veränderung war eine ſo unweſentliche, daß das Gros der Abnehmer ſich leicht täuſchen laſſen konnte.
Herr Auguſtus Deppler griff noch mehrmals in die weite, einem Sack ähnliche Taſche ſeines braunen Kaftans und holte einen Gegenſtand nach dem Anderen hervor.
„Und was ſagen Sie hierzu, mein lieber Meiſter Timpe? Wer hätte früher daran gedacht, daß in Berlin ein Fabrikant auftauchen würde, der ſeinen Abnehmern dieſe Jonvillebüchſe um den dritten Theil billiger liefern könnte als Sie. Aber ich renommire nicht: Urban hat mir das Dutzend zu achtzehn Mark angeboten, während ich bei Ihnen vierundzwanzig zahlen mußte. Das kommt aber daher, weil Urban, wie er mir ſagte, eine neue Vor¬ richtung am Support erfunden hat, die es ihm möglich macht die Zeit der Herſtellung zu vermindern.“
Dieſe Büchſe, von der man ſprach, war ein ſehr beliebter Neceſſairegegenſtand für Damen, der aus einem Stück gedreht wurde, inwendig hohl war und vermittelſt eines Federdruckes in mehrere Theile ſich zerlegte. Ein Pariſer Händler, Namens Jonville, hatte die Büchſe zuerſt in Deutſchland eingeführt und Meiſter Timpe die erſte inländiſche Arbeit danach gemacht. Er hatte mit der Zeit dem Artikel auch andere Formen gegeben und dafür reichliche Abnehmer gefunden. Nun mußte er erleben, daß die billige Kon¬ kurrenz Urbans ihm auch hierfür die Kunden wegzunehmen drohte. Saß doch ihm gegenüber bereits einer von Denen, die ihm nach und nach abtrünnig werden würden. Er hatte ſich mehr als einmal gewundert, daß der kleine ſchief¬ gewachſene Herr Deppler, der ſeit einem Jahrzehnt zu ſeinen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0153"n="141"/>
Veränderung war eine ſo unweſentliche, daß das Gros der<lb/>
Abnehmer ſich leicht täuſchen laſſen konnte.</p><lb/><p>Herr Auguſtus Deppler griff noch mehrmals in die weite,<lb/>
einem Sack ähnliche Taſche ſeines braunen Kaftans und holte<lb/>
einen Gegenſtand nach dem Anderen hervor.</p><lb/><p>„Und was ſagen Sie hierzu, mein lieber Meiſter<lb/>
Timpe? Wer hätte früher daran gedacht, daß in Berlin<lb/>
ein Fabrikant auftauchen würde, der ſeinen Abnehmern<lb/>
dieſe Jonvillebüchſe um den dritten Theil billiger liefern<lb/>
könnte als Sie. Aber ich renommire nicht: Urban hat<lb/>
mir das Dutzend zu achtzehn Mark angeboten, während<lb/>
ich bei Ihnen vierundzwanzig zahlen mußte. Das kommt<lb/>
aber daher, weil Urban, wie er mir ſagte, eine neue Vor¬<lb/>
richtung am Support erfunden hat, die es ihm möglich macht<lb/>
die Zeit der Herſtellung zu vermindern.“</p><lb/><p>Dieſe Büchſe, von der man ſprach, war ein ſehr beliebter<lb/>
Neceſſairegegenſtand für Damen, der aus einem Stück gedreht<lb/>
wurde, inwendig hohl war und vermittelſt eines Federdruckes<lb/>
in mehrere Theile ſich zerlegte. Ein Pariſer Händler,<lb/>
Namens Jonville, hatte die Büchſe zuerſt in Deutſchland<lb/>
eingeführt und Meiſter Timpe die erſte inländiſche Arbeit<lb/>
danach gemacht. Er hatte mit der Zeit dem Artikel auch<lb/>
andere Formen gegeben und dafür reichliche Abnehmer<lb/>
gefunden. Nun mußte er erleben, daß die billige Kon¬<lb/>
kurrenz Urbans ihm auch hierfür die Kunden wegzunehmen<lb/>
drohte. Saß doch ihm gegenüber bereits einer von Denen,<lb/>
die ihm nach und nach abtrünnig werden würden. Er<lb/>
hatte ſich mehr als einmal gewundert, daß der kleine ſchief¬<lb/>
gewachſene Herr Deppler, der ſeit einem Jahrzehnt zu ſeinen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[141/0153]
Veränderung war eine ſo unweſentliche, daß das Gros der
Abnehmer ſich leicht täuſchen laſſen konnte.
Herr Auguſtus Deppler griff noch mehrmals in die weite,
einem Sack ähnliche Taſche ſeines braunen Kaftans und holte
einen Gegenſtand nach dem Anderen hervor.
„Und was ſagen Sie hierzu, mein lieber Meiſter
Timpe? Wer hätte früher daran gedacht, daß in Berlin
ein Fabrikant auftauchen würde, der ſeinen Abnehmern
dieſe Jonvillebüchſe um den dritten Theil billiger liefern
könnte als Sie. Aber ich renommire nicht: Urban hat
mir das Dutzend zu achtzehn Mark angeboten, während
ich bei Ihnen vierundzwanzig zahlen mußte. Das kommt
aber daher, weil Urban, wie er mir ſagte, eine neue Vor¬
richtung am Support erfunden hat, die es ihm möglich macht
die Zeit der Herſtellung zu vermindern.“
Dieſe Büchſe, von der man ſprach, war ein ſehr beliebter
Neceſſairegegenſtand für Damen, der aus einem Stück gedreht
wurde, inwendig hohl war und vermittelſt eines Federdruckes
in mehrere Theile ſich zerlegte. Ein Pariſer Händler,
Namens Jonville, hatte die Büchſe zuerſt in Deutſchland
eingeführt und Meiſter Timpe die erſte inländiſche Arbeit
danach gemacht. Er hatte mit der Zeit dem Artikel auch
andere Formen gegeben und dafür reichliche Abnehmer
gefunden. Nun mußte er erleben, daß die billige Kon¬
kurrenz Urbans ihm auch hierfür die Kunden wegzunehmen
drohte. Saß doch ihm gegenüber bereits einer von Denen,
die ihm nach und nach abtrünnig werden würden. Er
hatte ſich mehr als einmal gewundert, daß der kleine ſchief¬
gewachſene Herr Deppler, der ſeit einem Jahrzehnt zu ſeinen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/153>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.