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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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"Den schönen Franz? -- Ei versteht sich! Alle Welt
kennt ihn ja!" erwiderte sie lächelnd und zeigte ihre weißen
Zähne.

Ob sie wohl die Freundlichkeit haben wolle, den jungen
Mann auf wenige Augenblicke herauszurufen? Er habe ihn
sehr dringend zu sprechen. Das Mädchen blickte den Alten
verwundert an. Gewiß war das Jemand aus Urbans Fabrik,
der eine Bestellung auszurichten hatte. Er möchte nur dort
hineingehen, sagte sie dann. Der Meister aber bestand auf
seinem Wunsch. Nach einigen Minuten öffnete sich die Thür
wieder, und Franz trat herein, gefolgt von zweien seiner
Freunde, die ihre Neugierde befriedigen wollten. Beim An¬
blick der prächtigen Erscheinung seines Sohnes, die noch gehoben
wurde durch eine leichte Röthe des Gesichts und durch den
Ausdruck des Frohsinns, hatte er im Augenblick nur noch Ver¬
zeihung für ihn. Er erhob sich und trat ihm mit ausgestreckter
Hand entgegen.

"Mein Junge --"

Franz war betroffen. Sein Vater hier und im Werkel¬
tagsanzug? Das hatte er nicht erwartet. Im Augenblick
erfaßte er die Situation: die aufmerksamen Blicke der Gäste
ringsherum, seiner Freunde, namentlich der Mädchen, die ihn
immer für einen Sohn aus bestem Hause gehalten hatten.
Nur eine Minute lang kämpfte er mit einer stummen Verlegen¬
heit, dann richtete er sehr gleichgültig an seine Freunde die
Bitte, ihn auf einige Augenblicke zu entschuldigen und ergriff
die Hand seines Vaters, wie man ungefähr die eines Menschen
ergreift, dem man gezwungener Weise Freundlichkeit entgegen¬
bringen muß. "Vater", sagte er leise, "komm hinaus, dort
sind wir ungestört". Als der Alte die Mütze ergriffen hatte

„Den ſchönen Franz? — Ei verſteht ſich! Alle Welt
kennt ihn ja!“ erwiderte ſie lächelnd und zeigte ihre weißen
Zähne.

Ob ſie wohl die Freundlichkeit haben wolle, den jungen
Mann auf wenige Augenblicke herauszurufen? Er habe ihn
ſehr dringend zu ſprechen. Das Mädchen blickte den Alten
verwundert an. Gewiß war das Jemand aus Urbans Fabrik,
der eine Beſtellung auszurichten hatte. Er möchte nur dort
hineingehen, ſagte ſie dann. Der Meiſter aber beſtand auf
ſeinem Wunſch. Nach einigen Minuten öffnete ſich die Thür
wieder, und Franz trat herein, gefolgt von zweien ſeiner
Freunde, die ihre Neugierde befriedigen wollten. Beim An¬
blick der prächtigen Erſcheinung ſeines Sohnes, die noch gehoben
wurde durch eine leichte Röthe des Geſichts und durch den
Ausdruck des Frohſinns, hatte er im Augenblick nur noch Ver¬
zeihung für ihn. Er erhob ſich und trat ihm mit ausgeſtreckter
Hand entgegen.

„Mein Junge —“

Franz war betroffen. Sein Vater hier und im Werkel¬
tagsanzug? Das hatte er nicht erwartet. Im Augenblick
erfaßte er die Situation: die aufmerkſamen Blicke der Gäſte
ringsherum, ſeiner Freunde, namentlich der Mädchen, die ihn
immer für einen Sohn aus beſtem Hauſe gehalten hatten.
Nur eine Minute lang kämpfte er mit einer ſtummen Verlegen¬
heit, dann richtete er ſehr gleichgültig an ſeine Freunde die
Bitte, ihn auf einige Augenblicke zu entſchuldigen und ergriff
die Hand ſeines Vaters, wie man ungefähr die eines Menſchen
ergreift, dem man gezwungener Weiſe Freundlichkeit entgegen¬
bringen muß. „Vater“, ſagte er leiſe, „komm hinaus, dort
ſind wir ungeſtört“. Als der Alte die Mütze ergriffen hatte

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[151/0163] „Den ſchönen Franz? — Ei verſteht ſich! Alle Welt kennt ihn ja!“ erwiderte ſie lächelnd und zeigte ihre weißen Zähne. Ob ſie wohl die Freundlichkeit haben wolle, den jungen Mann auf wenige Augenblicke herauszurufen? Er habe ihn ſehr dringend zu ſprechen. Das Mädchen blickte den Alten verwundert an. Gewiß war das Jemand aus Urbans Fabrik, der eine Beſtellung auszurichten hatte. Er möchte nur dort hineingehen, ſagte ſie dann. Der Meiſter aber beſtand auf ſeinem Wunſch. Nach einigen Minuten öffnete ſich die Thür wieder, und Franz trat herein, gefolgt von zweien ſeiner Freunde, die ihre Neugierde befriedigen wollten. Beim An¬ blick der prächtigen Erſcheinung ſeines Sohnes, die noch gehoben wurde durch eine leichte Röthe des Geſichts und durch den Ausdruck des Frohſinns, hatte er im Augenblick nur noch Ver¬ zeihung für ihn. Er erhob ſich und trat ihm mit ausgeſtreckter Hand entgegen. „Mein Junge —“ Franz war betroffen. Sein Vater hier und im Werkel¬ tagsanzug? Das hatte er nicht erwartet. Im Augenblick erfaßte er die Situation: die aufmerkſamen Blicke der Gäſte ringsherum, ſeiner Freunde, namentlich der Mädchen, die ihn immer für einen Sohn aus beſtem Hauſe gehalten hatten. Nur eine Minute lang kämpfte er mit einer ſtummen Verlegen¬ heit, dann richtete er ſehr gleichgültig an ſeine Freunde die Bitte, ihn auf einige Augenblicke zu entſchuldigen und ergriff die Hand ſeines Vaters, wie man ungefähr die eines Menſchen ergreift, dem man gezwungener Weiſe Freundlichkeit entgegen¬ bringen muß. „Vater“, ſagte er leiſe, „komm hinaus, dort ſind wir ungeſtört“. Als der Alte die Mütze ergriffen hatte

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/163>, abgerufen am 21.11.2024.