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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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gut aufgehoben und bekümmerte sich nicht um das Schicksal
seiner Angehörigen.

Aus diesem Konkurrenzkampf mit ungleichen Mitteln er¬
wuchsen ihm nach nnd nach Unannehmlichkeiten, deren Folgen
er allein zu tragen hatte. Mehrmals kam partienweise die
Arbeit zurück. Die Kunden beklagten sich, daß sie nicht mehr
so solide wie früher ausgeführt sei; sie bestanden auf Ersatz.
Das war der schwerste Schlag, der den Meister treffen
konnte: daß er auf dem besten Wege war, sein während
eines Vierteljahrhunderts erprobtes Renommee zu verlieren.
Und doch mußte er sich sagen, daß ihn am wenigsten die
Schuld treffe, daß nur allein die Konkurrenz ihn zwinge,
zu denselben Mitteln zu greifen wie sein Gegner. Er ver¬
glich die Arbeit mit der aus Urbans Fabrik und fand nicht
den geringsten Unterschied. Es war nur zu sehr ersichtlich:
man glaubte, sich ihm gegenüber das erlauben zu dürfen,
was man gegen den großen Fabrikanten, der einen längeren
Kredit gewährte, nicht wagte. Aber auch das ertrug er mit
Stillschweigen. Er selbst arbeitete bis in die Nacht hinein,
um den Schaden wieder gut zu machen und die Gehilfen
nicht leiden zu lassen, die er selbst zur leichteren Arbeit er¬
muntert hatte.

Zwei Monate lang befriedigte Timpe seine Kunden auf
diese Art; dann erfuhr Urban davon und setzte den Preis für
die Artikel, welche Timpe lieferte, noch niedriger. Der Meister
folgte auch diesem Beispiel und verzichtete auf den letzten ge¬
ringen Gewinn, den er hauptsächlich nur sich selbst und den
Lehrlingen zu verdanken hatte.

"Bis aufs Messer soll es gehen", sagte er bei dieser Ge¬
legenheit laut in der Werkstatt, und die Gesellen, die seit

gut aufgehoben und bekümmerte ſich nicht um das Schickſal
ſeiner Angehörigen.

Aus dieſem Konkurrenzkampf mit ungleichen Mitteln er¬
wuchſen ihm nach nnd nach Unannehmlichkeiten, deren Folgen
er allein zu tragen hatte. Mehrmals kam partienweiſe die
Arbeit zurück. Die Kunden beklagten ſich, daß ſie nicht mehr
ſo ſolide wie früher ausgeführt ſei; ſie beſtanden auf Erſatz.
Das war der ſchwerſte Schlag, der den Meiſter treffen
konnte: daß er auf dem beſten Wege war, ſein während
eines Vierteljahrhunderts erprobtes Renommée zu verlieren.
Und doch mußte er ſich ſagen, daß ihn am wenigſten die
Schuld treffe, daß nur allein die Konkurrenz ihn zwinge,
zu denſelben Mitteln zu greifen wie ſein Gegner. Er ver¬
glich die Arbeit mit der aus Urbans Fabrik und fand nicht
den geringſten Unterſchied. Es war nur zu ſehr erſichtlich:
man glaubte, ſich ihm gegenüber das erlauben zu dürfen,
was man gegen den großen Fabrikanten, der einen längeren
Kredit gewährte, nicht wagte. Aber auch das ertrug er mit
Stillſchweigen. Er ſelbſt arbeitete bis in die Nacht hinein,
um den Schaden wieder gut zu machen und die Gehilfen
nicht leiden zu laſſen, die er ſelbſt zur leichteren Arbeit er¬
muntert hatte.

Zwei Monate lang befriedigte Timpe ſeine Kunden auf
dieſe Art; dann erfuhr Urban davon und ſetzte den Preis für
die Artikel, welche Timpe lieferte, noch niedriger. Der Meiſter
folgte auch dieſem Beiſpiel und verzichtete auf den letzten ge¬
ringen Gewinn, den er hauptſächlich nur ſich ſelbſt und den
Lehrlingen zu verdanken hatte.

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legenheit laut in der Werkſtatt, und die Geſellen, die ſeit

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[168/0180] gut aufgehoben und bekümmerte ſich nicht um das Schickſal ſeiner Angehörigen. Aus dieſem Konkurrenzkampf mit ungleichen Mitteln er¬ wuchſen ihm nach nnd nach Unannehmlichkeiten, deren Folgen er allein zu tragen hatte. Mehrmals kam partienweiſe die Arbeit zurück. Die Kunden beklagten ſich, daß ſie nicht mehr ſo ſolide wie früher ausgeführt ſei; ſie beſtanden auf Erſatz. Das war der ſchwerſte Schlag, der den Meiſter treffen konnte: daß er auf dem beſten Wege war, ſein während eines Vierteljahrhunderts erprobtes Renommée zu verlieren. Und doch mußte er ſich ſagen, daß ihn am wenigſten die Schuld treffe, daß nur allein die Konkurrenz ihn zwinge, zu denſelben Mitteln zu greifen wie ſein Gegner. Er ver¬ glich die Arbeit mit der aus Urbans Fabrik und fand nicht den geringſten Unterſchied. Es war nur zu ſehr erſichtlich: man glaubte, ſich ihm gegenüber das erlauben zu dürfen, was man gegen den großen Fabrikanten, der einen längeren Kredit gewährte, nicht wagte. Aber auch das ertrug er mit Stillſchweigen. Er ſelbſt arbeitete bis in die Nacht hinein, um den Schaden wieder gut zu machen und die Gehilfen nicht leiden zu laſſen, die er ſelbſt zur leichteren Arbeit er¬ muntert hatte. Zwei Monate lang befriedigte Timpe ſeine Kunden auf dieſe Art; dann erfuhr Urban davon und ſetzte den Preis für die Artikel, welche Timpe lieferte, noch niedriger. Der Meiſter folgte auch dieſem Beiſpiel und verzichtete auf den letzten ge¬ ringen Gewinn, den er hauptſächlich nur ſich ſelbſt und den Lehrlingen zu verdanken hatte. „Bis aufs Meſſer ſoll es gehen“, ſagte er bei dieſer Ge¬ legenheit laut in der Werkſtatt, und die Geſellen, die ſeit

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/180>, abgerufen am 21.11.2024.