tönten die Schläge der schweren Hämmer und gaben ihr Echo wieder.
Die ganze Gegend hatte ein anderes Aussehen be¬ kommen. Jetzt erst konnte man den Bau in seiner wirk¬ lichen Größe ermessen. Im Sonnenlicht glitzerten die Schienen, zogen sie sich in kühnen Krümmungen die ganze Linie entlang, bis sie in weiter Ferne gleich der in's Unendliche verlängerten Spitze eines Pfeiles zusammen¬ trafen. Von den Fenstern aus verfolgten neugierige Blicke die Bewegungen der Arbeiter, und auf der Straße blieben die Passanten stehen und reckten sich die Hälse aus, um das rothfarbige Ungeheuer zu begaffen.
Timpe's Haus nahm sich jetzt geradezu kläglich aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, dort, wo mitten durch die Giebeldächer dem Dampfroß der Weg gebahnt worden war, strebten zu beiden Seiten der Viadukte vierstöckige Paläste zum Himmel empor; und links und rechts von ihnen zeugten Baugerüste für das neue Leben an Stelle der Ruinen.
Wenn jetzt Leute durch die Straßen kamen, die ihren Weg hier lange nicht genommen hatten, so blieben sie minuten¬ lang vor der Brücke stehen und musterten kopfschüttelnd und mit komischem Gesichtsausdruck das alte Häuschen. Zuletzt betrachteten es sämmtliche Bewohner des Viertels wie ein Unikum, das die Lächerlichkeit geradezu herausfordere. Allerlei Sagen entstanden, und über das ganze Gebiet des Ostens war die Mär verbreitet, daß Timpen ungeheure Summen für sein Grundstück geboten worden seien. Er aber habe be¬ schlossen, in dem Hause, in dem er geboren worden, zu sterben.
Um diese Zeit war es, daß dem Meister abermals ein
tönten die Schläge der ſchweren Hämmer und gaben ihr Echo wieder.
Die ganze Gegend hatte ein anderes Ausſehen be¬ kommen. Jetzt erſt konnte man den Bau in ſeiner wirk¬ lichen Größe ermeſſen. Im Sonnenlicht glitzerten die Schienen, zogen ſie ſich in kühnen Krümmungen die ganze Linie entlang, bis ſie in weiter Ferne gleich der in's Unendliche verlängerten Spitze eines Pfeiles zuſammen¬ trafen. Von den Fenſtern aus verfolgten neugierige Blicke die Bewegungen der Arbeiter, und auf der Straße blieben die Paſſanten ſtehen und reckten ſich die Hälſe aus, um das rothfarbige Ungeheuer zu begaffen.
Timpe's Haus nahm ſich jetzt geradezu kläglich aus. Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, dort, wo mitten durch die Giebeldächer dem Dampfroß der Weg gebahnt worden war, ſtrebten zu beiden Seiten der Viadukte vierſtöckige Paläſte zum Himmel empor; und links und rechts von ihnen zeugten Baugerüſte für das neue Leben an Stelle der Ruinen.
Wenn jetzt Leute durch die Straßen kamen, die ihren Weg hier lange nicht genommen hatten, ſo blieben ſie minuten¬ lang vor der Brücke ſtehen und muſterten kopfſchüttelnd und mit komiſchem Geſichtsausdruck das alte Häuschen. Zuletzt betrachteten es ſämmtliche Bewohner des Viertels wie ein Unikum, das die Lächerlichkeit geradezu herausfordere. Allerlei Sagen entſtanden, und über das ganze Gebiet des Oſtens war die Mär verbreitet, daß Timpen ungeheure Summen für ſein Grundſtück geboten worden ſeien. Er aber habe be¬ ſchloſſen, in dem Hauſe, in dem er geboren worden, zu ſterben.
Um dieſe Zeit war es, daß dem Meiſter abermals ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0257"n="245"/>
tönten die Schläge der ſchweren Hämmer und gaben ihr<lb/>
Echo wieder.</p><lb/><p>Die ganze Gegend hatte ein anderes Ausſehen be¬<lb/>
kommen. Jetzt erſt konnte man den Bau in ſeiner wirk¬<lb/>
lichen Größe ermeſſen. Im Sonnenlicht glitzerten die<lb/>
Schienen, zogen ſie ſich in kühnen Krümmungen die<lb/>
ganze Linie entlang, bis ſie in weiter Ferne gleich der in's<lb/>
Unendliche verlängerten Spitze eines Pfeiles zuſammen¬<lb/>
trafen. Von den Fenſtern aus verfolgten neugierige Blicke<lb/>
die Bewegungen der Arbeiter, und auf der Straße blieben<lb/>
die Paſſanten ſtehen und reckten ſich die Hälſe aus, um das<lb/>
rothfarbige Ungeheuer zu begaffen.</p><lb/><p>Timpe's Haus nahm ſich jetzt geradezu kläglich aus. Auf<lb/>
der gegenüberliegenden Seite der Straße, dort, wo mitten<lb/>
durch die Giebeldächer dem Dampfroß der Weg gebahnt<lb/>
worden war, ſtrebten zu beiden Seiten der Viadukte vierſtöckige<lb/>
Paläſte zum Himmel empor; und links und rechts von ihnen<lb/>
zeugten Baugerüſte für das neue Leben an Stelle der<lb/>
Ruinen.</p><lb/><p>Wenn jetzt Leute durch die Straßen kamen, die ihren<lb/>
Weg hier lange nicht genommen hatten, ſo blieben ſie minuten¬<lb/>
lang vor der Brücke ſtehen und muſterten kopfſchüttelnd und<lb/>
mit komiſchem Geſichtsausdruck das alte Häuschen. Zuletzt<lb/>
betrachteten es ſämmtliche Bewohner des Viertels wie ein<lb/>
Unikum, das die Lächerlichkeit geradezu herausfordere. Allerlei<lb/>
Sagen entſtanden, und über das ganze Gebiet des Oſtens<lb/>
war die Mär verbreitet, daß Timpen ungeheure Summen<lb/>
für ſein Grundſtück geboten worden ſeien. Er aber habe be¬<lb/>ſchloſſen, in dem Hauſe, in dem er geboren worden, zu ſterben.</p><lb/><p>Um dieſe Zeit war es, daß dem Meiſter abermals ein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[245/0257]
tönten die Schläge der ſchweren Hämmer und gaben ihr
Echo wieder.
Die ganze Gegend hatte ein anderes Ausſehen be¬
kommen. Jetzt erſt konnte man den Bau in ſeiner wirk¬
lichen Größe ermeſſen. Im Sonnenlicht glitzerten die
Schienen, zogen ſie ſich in kühnen Krümmungen die
ganze Linie entlang, bis ſie in weiter Ferne gleich der in's
Unendliche verlängerten Spitze eines Pfeiles zuſammen¬
trafen. Von den Fenſtern aus verfolgten neugierige Blicke
die Bewegungen der Arbeiter, und auf der Straße blieben
die Paſſanten ſtehen und reckten ſich die Hälſe aus, um das
rothfarbige Ungeheuer zu begaffen.
Timpe's Haus nahm ſich jetzt geradezu kläglich aus. Auf
der gegenüberliegenden Seite der Straße, dort, wo mitten
durch die Giebeldächer dem Dampfroß der Weg gebahnt
worden war, ſtrebten zu beiden Seiten der Viadukte vierſtöckige
Paläſte zum Himmel empor; und links und rechts von ihnen
zeugten Baugerüſte für das neue Leben an Stelle der
Ruinen.
Wenn jetzt Leute durch die Straßen kamen, die ihren
Weg hier lange nicht genommen hatten, ſo blieben ſie minuten¬
lang vor der Brücke ſtehen und muſterten kopfſchüttelnd und
mit komiſchem Geſichtsausdruck das alte Häuschen. Zuletzt
betrachteten es ſämmtliche Bewohner des Viertels wie ein
Unikum, das die Lächerlichkeit geradezu herausfordere. Allerlei
Sagen entſtanden, und über das ganze Gebiet des Oſtens
war die Mär verbreitet, daß Timpen ungeheure Summen
für ſein Grundſtück geboten worden ſeien. Er aber habe be¬
ſchloſſen, in dem Hauſe, in dem er geboren worden, zu ſterben.
Um dieſe Zeit war es, daß dem Meiſter abermals ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/257>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.