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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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Nur der Schornsteinfegermeister nahm des Meisters
Partei. Und als Nölte, der wie gewöhnlich von einem
Spieltisch zum andern ging und in die Karten guckte, die
unliebsamen Aeußerungen vernahm, mischte auch er sich in's Ge¬
spräch und gerieth so in Hitze, daß das Wortgefecht schlie߬
lich einen bedrohlichen Charakter annahm. Das that er
Abend für Abend, sobald man versuchte, Johannes etwas an¬
zuhängen.

"Sie sind gerade gut genug, Timpe die Schuhschnüre zu
lösen," schrie er wüthend gemacht bei einer solchen Gelegen¬
heit Brümmer in's Gesicht. "Man könnte den Fortschritt
der Zeit segnen, wenn er Sie einmal auf Nimmerwieder¬
sehen mitführte. Ich glaube, es wird Ihnen Niemand
nachlaufen."

Das war zu viel. Einige am Tisch lachten, was den
Zorn des Rentiers nur noch steigerte. Er wurde blaß und
zuckte mit den Lippen, ohne zuerst etwas erwidern zu können;
dann erhob er sich, rief nach Fritz, dem Kellner und
betheuerte, niemals mehr das Lokal zu betreten, wenn ihm
nicht Genugthuung zu Theil würde. Desto mehr sprach Deppler
für ihn. Das Lob Timpe's hatte den Schirmhändler derartig
mißgestimmt, daß er mit unschönen Worten über den Klempner
herfiel und dann ebenfalls erklärte, zum letzten Male an
diesem Abend den Stuhl hier gedrückt zu haben. Da Nölte
durchaus nicht den Mund hielt und seinem Herzen ganz ge¬
hörig Luft machte, so wurde der Skandal immer ärger.
Als Jamrath sah, daß alles Schlichten nichts helfe, so erwog
er rasch seine Vortheile und ersuchte den Meister, das Lokal
zu verlassen. Für eine kleine Weiße, die man verzehre,
dürfe man sich nicht erlauben, sämmtliche Gäste zu beleidigen,

Nur der Schornſteinfegermeiſter nahm des Meiſters
Partei. Und als Nölte, der wie gewöhnlich von einem
Spieltiſch zum andern ging und in die Karten guckte, die
unliebſamen Aeußerungen vernahm, miſchte auch er ſich in's Ge¬
ſpräch und gerieth ſo in Hitze, daß das Wortgefecht ſchlie߬
lich einen bedrohlichen Charakter annahm. Das that er
Abend für Abend, ſobald man verſuchte, Johannes etwas an¬
zuhängen.

„Sie ſind gerade gut genug, Timpe die Schuhſchnüre zu
löſen,“ ſchrie er wüthend gemacht bei einer ſolchen Gelegen¬
heit Brümmer in's Geſicht. „Man könnte den Fortſchritt
der Zeit ſegnen, wenn er Sie einmal auf Nimmerwieder¬
ſehen mitführte. Ich glaube, es wird Ihnen Niemand
nachlaufen.“

Das war zu viel. Einige am Tiſch lachten, was den
Zorn des Rentiers nur noch ſteigerte. Er wurde blaß und
zuckte mit den Lippen, ohne zuerſt etwas erwidern zu können;
dann erhob er ſich, rief nach Fritz, dem Kellner und
betheuerte, niemals mehr das Lokal zu betreten, wenn ihm
nicht Genugthuung zu Theil würde. Deſto mehr ſprach Deppler
für ihn. Das Lob Timpe's hatte den Schirmhändler derartig
mißgeſtimmt, daß er mit unſchönen Worten über den Klempner
herfiel und dann ebenfalls erklärte, zum letzten Male an
dieſem Abend den Stuhl hier gedrückt zu haben. Da Nölte
durchaus nicht den Mund hielt und ſeinem Herzen ganz ge¬
hörig Luft machte, ſo wurde der Skandal immer ärger.
Als Jamrath ſah, daß alles Schlichten nichts helfe, ſo erwog
er raſch ſeine Vortheile und erſuchte den Meiſter, das Lokal
zu verlaſſen. Für eine kleine Weiße, die man verzehre,
dürfe man ſich nicht erlauben, ſämmtliche Gäſte zu beleidigen,

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[256/0268] Nur der Schornſteinfegermeiſter nahm des Meiſters Partei. Und als Nölte, der wie gewöhnlich von einem Spieltiſch zum andern ging und in die Karten guckte, die unliebſamen Aeußerungen vernahm, miſchte auch er ſich in's Ge¬ ſpräch und gerieth ſo in Hitze, daß das Wortgefecht ſchlie߬ lich einen bedrohlichen Charakter annahm. Das that er Abend für Abend, ſobald man verſuchte, Johannes etwas an¬ zuhängen. „Sie ſind gerade gut genug, Timpe die Schuhſchnüre zu löſen,“ ſchrie er wüthend gemacht bei einer ſolchen Gelegen¬ heit Brümmer in's Geſicht. „Man könnte den Fortſchritt der Zeit ſegnen, wenn er Sie einmal auf Nimmerwieder¬ ſehen mitführte. Ich glaube, es wird Ihnen Niemand nachlaufen.“ Das war zu viel. Einige am Tiſch lachten, was den Zorn des Rentiers nur noch ſteigerte. Er wurde blaß und zuckte mit den Lippen, ohne zuerſt etwas erwidern zu können; dann erhob er ſich, rief nach Fritz, dem Kellner und betheuerte, niemals mehr das Lokal zu betreten, wenn ihm nicht Genugthuung zu Theil würde. Deſto mehr ſprach Deppler für ihn. Das Lob Timpe's hatte den Schirmhändler derartig mißgeſtimmt, daß er mit unſchönen Worten über den Klempner herfiel und dann ebenfalls erklärte, zum letzten Male an dieſem Abend den Stuhl hier gedrückt zu haben. Da Nölte durchaus nicht den Mund hielt und ſeinem Herzen ganz ge¬ hörig Luft machte, ſo wurde der Skandal immer ärger. Als Jamrath ſah, daß alles Schlichten nichts helfe, ſo erwog er raſch ſeine Vortheile und erſuchte den Meiſter, das Lokal zu verlaſſen. Für eine kleine Weiße, die man verzehre, dürfe man ſich nicht erlauben, ſämmtliche Gäſte zu beleidigen,

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/268>, abgerufen am 22.11.2024.