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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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würde dann gerade so viel Arbeit in's Haus genommen haben,
als er bedurfte, um zu leben. Aber er scheute sich, Thomas,
Beyer auf's Neue zu ersuchen, nicht mehr wiederzukommen
denn gewiß würde er nur tauben Ohren predigen. Dafür
brachte er es aber so weit, daß Marie das Wirthschaften ein¬
stellte und nicht mehr wiederkam. Es geniere ihn, ein fremdes
Frauenzimmer um sich zu haben, erklärte er ihr frank und frei;
und Fräulein Beyer ließ sich das nicht zweimal sagen, trotz¬
dem er ihr erklärte, er schätze sie sehr und habe nicht das
Geringste gegen sie. Wenn man aber dreiunddreißig Jahre
sein Weib um sich gehabt habe, dann könne man sich an ein
anderes Gesicht schwer gewöhnen. Der wahre Grund seiner
Abneigung war ein anderer. Sein Mißtrauen wuchs von
Tag zu Tag; er redete sich ein, die Schwester könne eben¬
so sehr auf seine Habseligkeiten spekuliren, wie ihr Bruder auf
seinen Gesinnungswechsel.

Er kochte nun seinen Kaffee selbst, hielt sich Frühstück
und Abendbrod im Hause und ließ sich nur das Mittagessen
aus einer nahen Speisewirthschaft ins Haus senden. Aber
auch nicht regelmäßig, denn oftmals fiel es ihm ein, sich selbst
etwas zu bereiten; dann ging er in aller Frühe zu den
Händlern, holte das Nothdürftigste ein und bestellte das
Mittagmahl ab.

Das ging einige Wochen so. Dann trat plötzlich eine
für sein Lebensalter verhängnißvolle Wendung ein. Die
Hypothek wurde ihm gekündigt und zwar persönlich von dem
Inhaber derselben. Es gab keine langen Auseinandersetzungen.
Der Darleiher brachte allerlei Gründe vor, die zum Theil
berechtigt waren, zum Theil nur zu deutlich die Absicht durch¬
blicken ließen, wieder zum baaren Gelde zu gelangen. Da

würde dann gerade ſo viel Arbeit in's Haus genommen haben,
als er bedurfte, um zu leben. Aber er ſcheute ſich, Thomas,
Beyer auf's Neue zu erſuchen, nicht mehr wiederzukommen
denn gewiß würde er nur tauben Ohren predigen. Dafür
brachte er es aber ſo weit, daß Marie das Wirthſchaften ein¬
ſtellte und nicht mehr wiederkam. Es geniere ihn, ein fremdes
Frauenzimmer um ſich zu haben, erklärte er ihr frank und frei;
und Fräulein Beyer ließ ſich das nicht zweimal ſagen, trotz¬
dem er ihr erklärte, er ſchätze ſie ſehr und habe nicht das
Geringſte gegen ſie. Wenn man aber dreiunddreißig Jahre
ſein Weib um ſich gehabt habe, dann könne man ſich an ein
anderes Geſicht ſchwer gewöhnen. Der wahre Grund ſeiner
Abneigung war ein anderer. Sein Mißtrauen wuchs von
Tag zu Tag; er redete ſich ein, die Schweſter könne eben¬
ſo ſehr auf ſeine Habſeligkeiten ſpekuliren, wie ihr Bruder auf
ſeinen Geſinnungswechſel.

Er kochte nun ſeinen Kaffee ſelbſt, hielt ſich Frühſtück
und Abendbrod im Hauſe und ließ ſich nur das Mittageſſen
aus einer nahen Speiſewirthſchaft ins Haus ſenden. Aber
auch nicht regelmäßig, denn oftmals fiel es ihm ein, ſich ſelbſt
etwas zu bereiten; dann ging er in aller Frühe zu den
Händlern, holte das Nothdürftigſte ein und beſtellte das
Mittagmahl ab.

Das ging einige Wochen ſo. Dann trat plötzlich eine
für ſein Lebensalter verhängnißvolle Wendung ein. Die
Hypothek wurde ihm gekündigt und zwar perſönlich von dem
Inhaber derſelben. Es gab keine langen Auseinanderſetzungen.
Der Darleiher brachte allerlei Gründe vor, die zum Theil
berechtigt waren, zum Theil nur zu deutlich die Abſicht durch¬
blicken ließen, wieder zum baaren Gelde zu gelangen. Da

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[262/0274] würde dann gerade ſo viel Arbeit in's Haus genommen haben, als er bedurfte, um zu leben. Aber er ſcheute ſich, Thomas, Beyer auf's Neue zu erſuchen, nicht mehr wiederzukommen denn gewiß würde er nur tauben Ohren predigen. Dafür brachte er es aber ſo weit, daß Marie das Wirthſchaften ein¬ ſtellte und nicht mehr wiederkam. Es geniere ihn, ein fremdes Frauenzimmer um ſich zu haben, erklärte er ihr frank und frei; und Fräulein Beyer ließ ſich das nicht zweimal ſagen, trotz¬ dem er ihr erklärte, er ſchätze ſie ſehr und habe nicht das Geringſte gegen ſie. Wenn man aber dreiunddreißig Jahre ſein Weib um ſich gehabt habe, dann könne man ſich an ein anderes Geſicht ſchwer gewöhnen. Der wahre Grund ſeiner Abneigung war ein anderer. Sein Mißtrauen wuchs von Tag zu Tag; er redete ſich ein, die Schweſter könne eben¬ ſo ſehr auf ſeine Habſeligkeiten ſpekuliren, wie ihr Bruder auf ſeinen Geſinnungswechſel. Er kochte nun ſeinen Kaffee ſelbſt, hielt ſich Frühſtück und Abendbrod im Hauſe und ließ ſich nur das Mittageſſen aus einer nahen Speiſewirthſchaft ins Haus ſenden. Aber auch nicht regelmäßig, denn oftmals fiel es ihm ein, ſich ſelbſt etwas zu bereiten; dann ging er in aller Frühe zu den Händlern, holte das Nothdürftigſte ein und beſtellte das Mittagmahl ab. Das ging einige Wochen ſo. Dann trat plötzlich eine für ſein Lebensalter verhängnißvolle Wendung ein. Die Hypothek wurde ihm gekündigt und zwar perſönlich von dem Inhaber derſelben. Es gab keine langen Auseinanderſetzungen. Der Darleiher brachte allerlei Gründe vor, die zum Theil berechtigt waren, zum Theil nur zu deutlich die Abſicht durch¬ blicken ließen, wieder zum baaren Gelde zu gelangen. Da

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/274>, abgerufen am 22.11.2024.