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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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heit eines Menschen, der in eine neue Gesellschaft gerathen
in der er fremd ist und sich nicht zu benehmen weiß. Diese
unangenehme Situation wurde noch erhöht, als er mit dem
Altgesellen die Stufen zu einem Kellerlokal hinunterschritt
und dann in einem engen Raum inmitten von Arbeitern sich
befand, die in ihren schmutzigen Blousen direkt aus der Fabrik
gekommen waren, eifrig politisirten und ihn wie ihres gleichen
behandelten.

Wortkarg saß er in einer Ecke, nippte an seinem Biere
und dachte in dieser Spelunke an seinen Sohn, dessen Reich¬
thum, dessen Glanz . . . Dieser Gedanke machte ihn heiß.
Ein Gefühl ungerechter Demüthigung überkam ihn und trieb
das Blut nach seinem Kopfe. Er bestellte Schnaps und nun
wurde er gesprächig, betheiligte er sich an der lauten Debatte,
that er so, als wäre er mit allem einverstanden, was man
sagte und worauf man schimpfte. . .


heit eines Menſchen, der in eine neue Geſellſchaft gerathen
in der er fremd iſt und ſich nicht zu benehmen weiß. Dieſe
unangenehme Situation wurde noch erhöht, als er mit dem
Altgeſellen die Stufen zu einem Kellerlokal hinunterſchritt
und dann in einem engen Raum inmitten von Arbeitern ſich
befand, die in ihren ſchmutzigen Blouſen direkt aus der Fabrik
gekommen waren, eifrig politiſirten und ihn wie ihres gleichen
behandelten.

Wortkarg ſaß er in einer Ecke, nippte an ſeinem Biere
und dachte in dieſer Spelunke an ſeinen Sohn, deſſen Reich¬
thum, deſſen Glanz . . . Dieſer Gedanke machte ihn heiß.
Ein Gefühl ungerechter Demüthigung überkam ihn und trieb
das Blut nach ſeinem Kopfe. Er beſtellte Schnaps und nun
wurde er geſprächig, betheiligte er ſich an der lauten Debatte,
that er ſo, als wäre er mit allem einverſtanden, was man
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[284/0296] heit eines Menſchen, der in eine neue Geſellſchaft gerathen in der er fremd iſt und ſich nicht zu benehmen weiß. Dieſe unangenehme Situation wurde noch erhöht, als er mit dem Altgeſellen die Stufen zu einem Kellerlokal hinunterſchritt und dann in einem engen Raum inmitten von Arbeitern ſich befand, die in ihren ſchmutzigen Blouſen direkt aus der Fabrik gekommen waren, eifrig politiſirten und ihn wie ihres gleichen behandelten. Wortkarg ſaß er in einer Ecke, nippte an ſeinem Biere und dachte in dieſer Spelunke an ſeinen Sohn, deſſen Reich¬ thum, deſſen Glanz . . . Dieſer Gedanke machte ihn heiß. Ein Gefühl ungerechter Demüthigung überkam ihn und trieb das Blut nach ſeinem Kopfe. Er beſtellte Schnaps und nun wurde er geſprächig, betheiligte er ſich an der lauten Debatte, that er ſo, als wäre er mit allem einverſtanden, was man ſagte und worauf man ſchimpfte. . .

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/296>, abgerufen am 22.11.2024.