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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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ihn wie ein lebendes Auskunftsbureau betrachteten, das auf
Alles Antwort geben müsse. Die ergötzlichsten Ansichten
wurden dabei zu Tage gefördert. Da er überdies mit allen
Verhältnissen des Hauses vertraut war, in Abwesenheit seines
Arbeitgebers die Geschäfte desselben wahrnahm, so wurde er
von diesem mehr wie ein Kamerad als wie ein Untergebener
betrachtet.

"Meister", rief er zum Garten hinaus, "wir haben noch
nicht genug Schornsteine in der Nähe, es müssen noch einige
hinzukommen. Aber ich habe es immer gesagt: die Ueberproduktion
wird die Menschen zu Grunde richten. Die großen Fabriken fressen
das Handwerk auf und zuletzt bleibt weiter nichts übrig, als
Arbeiter und Fabrikanten, zweibeinige Maschinen und Dampf¬
kessel. Wie soll das enden!"

"Diesmal haben Sie Recht, Beyer", erwiderte Johannes
Timpe, während von der Hofthür her, wo die Tauben sich
vor dem Großvater versammelt hatten, die alte Litanei des
Greises ertönte:

"Ja, ja, das waren noch andere Zeiten . . . damals!
Das Handwerk hatte einen goldenen Boden . . . Die Schorn¬
steine müssen gestürzt werden, denn sie verpesten die Luft;
aber die Handwerker haben selbst daran Schuld. Sie sollten
ihre Söhne nicht Kaufleute werden lassen, die nur noch
spekuliren und nicht arbeiten wollen".

Er hatte seinem Ingrimm wieder einmal Luft gemacht,
drehte sich um, faßte nach der Wand und schritt, auf seinen
Stock gestützt, den Oberkörper gebeugt und den Athem kurz
hervorstoßend, den langen Flur entlang, begleitet von dem
Geräusch der klappernden Hauspantoffeln.

ihn wie ein lebendes Auskunftsbureau betrachteten, das auf
Alles Antwort geben müſſe. Die ergötzlichſten Anſichten
wurden dabei zu Tage gefördert. Da er überdies mit allen
Verhältniſſen des Hauſes vertraut war, in Abweſenheit ſeines
Arbeitgebers die Geſchäfte deſſelben wahrnahm, ſo wurde er
von dieſem mehr wie ein Kamerad als wie ein Untergebener
betrachtet.

„Meiſter“, rief er zum Garten hinaus, „wir haben noch
nicht genug Schornſteine in der Nähe, es müſſen noch einige
hinzukommen. Aber ich habe es immer geſagt: die Ueberproduktion
wird die Menſchen zu Grunde richten. Die großen Fabriken freſſen
das Handwerk auf und zuletzt bleibt weiter nichts übrig, als
Arbeiter und Fabrikanten, zweibeinige Maſchinen und Dampf¬
keſſel. Wie ſoll das enden!“

„Diesmal haben Sie Recht, Beyer“, erwiderte Johannes
Timpe, während von der Hofthür her, wo die Tauben ſich
vor dem Großvater verſammelt hatten, die alte Litanei des
Greiſes ertönte:

„Ja, ja, das waren noch andere Zeiten . . . damals!
Das Handwerk hatte einen goldenen Boden . . . Die Schorn¬
ſteine müſſen geſtürzt werden, denn ſie verpeſten die Luft;
aber die Handwerker haben ſelbſt daran Schuld. Sie ſollten
ihre Söhne nicht Kaufleute werden laſſen, die nur noch
ſpekuliren und nicht arbeiten wollen“.

Er hatte ſeinem Ingrimm wieder einmal Luft gemacht,
drehte ſich um, faßte nach der Wand und ſchritt, auf ſeinen
Stock geſtützt, den Oberkörper gebeugt und den Athem kurz
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[30/0042] ihn wie ein lebendes Auskunftsbureau betrachteten, das auf Alles Antwort geben müſſe. Die ergötzlichſten Anſichten wurden dabei zu Tage gefördert. Da er überdies mit allen Verhältniſſen des Hauſes vertraut war, in Abweſenheit ſeines Arbeitgebers die Geſchäfte deſſelben wahrnahm, ſo wurde er von dieſem mehr wie ein Kamerad als wie ein Untergebener betrachtet. „Meiſter“, rief er zum Garten hinaus, „wir haben noch nicht genug Schornſteine in der Nähe, es müſſen noch einige hinzukommen. Aber ich habe es immer geſagt: die Ueberproduktion wird die Menſchen zu Grunde richten. Die großen Fabriken freſſen das Handwerk auf und zuletzt bleibt weiter nichts übrig, als Arbeiter und Fabrikanten, zweibeinige Maſchinen und Dampf¬ keſſel. Wie ſoll das enden!“ „Diesmal haben Sie Recht, Beyer“, erwiderte Johannes Timpe, während von der Hofthür her, wo die Tauben ſich vor dem Großvater verſammelt hatten, die alte Litanei des Greiſes ertönte: „Ja, ja, das waren noch andere Zeiten . . . damals! Das Handwerk hatte einen goldenen Boden . . . Die Schorn¬ ſteine müſſen geſtürzt werden, denn ſie verpeſten die Luft; aber die Handwerker haben ſelbſt daran Schuld. Sie ſollten ihre Söhne nicht Kaufleute werden laſſen, die nur noch ſpekuliren und nicht arbeiten wollen“. Er hatte ſeinem Ingrimm wieder einmal Luft gemacht, drehte ſich um, faßte nach der Wand und ſchritt, auf ſeinen Stock geſtützt, den Oberkörper gebeugt und den Athem kurz hervorſtoßend, den langen Flur entlang, begleitet von dem Geräuſch der klappernden Hauspantoffeln.

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/42>, abgerufen am 21.11.2024.