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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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einen kleinen Streit mit ihr gehabt. Weiß schon, schadet
nichts! So etwas wird vergessen. ... Ihr Sohn wird trotz
seiner frühen Vorliebe für verbotene Früchte ein tüchtiger
Kaufmann werden. Gewiß, gewiß, ohne Frage!"

Meister Timpe's Gesicht leuchtete, während Herr Urban
von Neuem anhub:

"Ich will eine große Fabrik da drüben errichten, eigent¬
lich zwei, aber es wird nur ein Gebäude werden, weil Alles
ineinandergreifen soll. ... Ich sehe ja nicht ein, weshalb
ich nicht in meinem eigenen Hause fabriziren sollte. ... Man
muß heute Alles großartig, mit Dampf betreiben, um
billig liefern zu können. Die Konkurrenz ist zu groß.
Die Knopf- und Stockfabrikation ist zwar bereits sehr
heruntergekommen, aber ich werde die Geschichte schon anfassen,
es einmal mit meinen eigenen Ideen versuchen. Die Elfen¬
beinbranche werde ich hinzunehmen, vielleicht auch die grobe
Holzdrechslerei mit Dampf betreiben. Die Geschichte wird
schon gehen ... Uebrigens wäre mit Ihrem Artikel noch
etwas Großes zu machen, wenn --"

Er brach plötzlich ab, als empfände er, zu weit gegangen
zu sein, fragte dann aber plötzlich:

"Sagen Sie doch, mein lieber Herr Timpe, wollen Sie
Ihr Grundstück verkaufen?"

Der Meister hatte eine derartige Frage nicht erwartet.
Kurze Zeit schwieg er, dann erwiderte er sehr bestimmt:

"Niemals, wenigstens so lange ich lebe, nicht. Ein halbes
Jahrhundert befindet sich das Haus bereits in unserem
Besitz und, so Gott will, soll mein Sohn, und bekommt er
einst Kinder, sollen diese es noch länger behalten. ..."

einen kleinen Streit mit ihr gehabt. Weiß ſchon, ſchadet
nichts! So etwas wird vergeſſen. ... Ihr Sohn wird trotz
ſeiner frühen Vorliebe für verbotene Früchte ein tüchtiger
Kaufmann werden. Gewiß, gewiß, ohne Frage!“

Meiſter Timpe's Geſicht leuchtete, während Herr Urban
von Neuem anhub:

„Ich will eine große Fabrik da drüben errichten, eigent¬
lich zwei, aber es wird nur ein Gebäude werden, weil Alles
ineinandergreifen ſoll. ... Ich ſehe ja nicht ein, weshalb
ich nicht in meinem eigenen Hauſe fabriziren ſollte. ... Man
muß heute Alles großartig, mit Dampf betreiben, um
billig liefern zu können. Die Konkurrenz iſt zu groß.
Die Knopf- und Stockfabrikation iſt zwar bereits ſehr
heruntergekommen, aber ich werde die Geſchichte ſchon anfaſſen,
es einmal mit meinen eigenen Ideen verſuchen. Die Elfen¬
beinbranche werde ich hinzunehmen, vielleicht auch die grobe
Holzdrechslerei mit Dampf betreiben. Die Geſchichte wird
ſchon gehen ... Uebrigens wäre mit Ihrem Artikel noch
etwas Großes zu machen, wenn —“

Er brach plötzlich ab, als empfände er, zu weit gegangen
zu ſein, fragte dann aber plötzlich:

„Sagen Sie doch, mein lieber Herr Timpe, wollen Sie
Ihr Grundſtück verkaufen?“

Der Meiſter hatte eine derartige Frage nicht erwartet.
Kurze Zeit ſchwieg er, dann erwiderte er ſehr beſtimmt:

„Niemals, wenigſtens ſo lange ich lebe, nicht. Ein halbes
Jahrhundert befindet ſich das Haus bereits in unſerem
Beſitz und, ſo Gott will, ſoll mein Sohn, und bekommt er
einſt Kinder, ſollen dieſe es noch länger behalten. ...“

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[40/0052] einen kleinen Streit mit ihr gehabt. Weiß ſchon, ſchadet nichts! So etwas wird vergeſſen. ... Ihr Sohn wird trotz ſeiner frühen Vorliebe für verbotene Früchte ein tüchtiger Kaufmann werden. Gewiß, gewiß, ohne Frage!“ Meiſter Timpe's Geſicht leuchtete, während Herr Urban von Neuem anhub: „Ich will eine große Fabrik da drüben errichten, eigent¬ lich zwei, aber es wird nur ein Gebäude werden, weil Alles ineinandergreifen ſoll. ... Ich ſehe ja nicht ein, weshalb ich nicht in meinem eigenen Hauſe fabriziren ſollte. ... Man muß heute Alles großartig, mit Dampf betreiben, um billig liefern zu können. Die Konkurrenz iſt zu groß. Die Knopf- und Stockfabrikation iſt zwar bereits ſehr heruntergekommen, aber ich werde die Geſchichte ſchon anfaſſen, es einmal mit meinen eigenen Ideen verſuchen. Die Elfen¬ beinbranche werde ich hinzunehmen, vielleicht auch die grobe Holzdrechslerei mit Dampf betreiben. Die Geſchichte wird ſchon gehen ... Uebrigens wäre mit Ihrem Artikel noch etwas Großes zu machen, wenn —“ Er brach plötzlich ab, als empfände er, zu weit gegangen zu ſein, fragte dann aber plötzlich: „Sagen Sie doch, mein lieber Herr Timpe, wollen Sie Ihr Grundſtück verkaufen?“ Der Meiſter hatte eine derartige Frage nicht erwartet. Kurze Zeit ſchwieg er, dann erwiderte er ſehr beſtimmt: „Niemals, wenigſtens ſo lange ich lebe, nicht. Ein halbes Jahrhundert befindet ſich das Haus bereits in unſerem Beſitz und, ſo Gott will, ſoll mein Sohn, und bekommt er einſt Kinder, ſollen dieſe es noch länger behalten. ...“

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/52>, abgerufen am 21.11.2024.