Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

Bild:
<< vorherige Seite

Feierabendstunde schlug und er seinen Auslugplatz auf dem
Baume einnehmen konnte.

Und schließlich drehte sich den ganzen Tag über, sobald
seine Gedanken nicht mit Gewalt von anderen Dingen in
Anspruch genommen wurden, sein Interesse nur um den Bau
Ferdinand Friedrich Urban's.

Die Fabrik, die Fabrik und immer wieder die Fabrik!

Er fand ein besonderes Vergnügen daran, bei jeder
Gelegenheit während der Arbeit das Gespräch darauf zu
bringen und freute sich, wenn die Gesellen das Thema auf¬
griffen und mit ihm und seinen Urtheilen über des Nach¬
bars Pläne übereinstimmten. Zuletzt erklärten das die Leute
in der Werkstatt für etwas wunderlich und raunten sich zu,
daß der Meister sich gegen früher merkwürdig geändert habe
und daß ihm "die Geschichte da drüben" im Kopfe herum¬
gehe. So kam es denn, daß das neue Unternehmen Urban's
schließlich wie eine weltgeschichtliche That betrachtet wurde, die
immer auf's Neue angestaunt, bewundert und besprochen
werden müsse.

Das Leben der Bewohner des kleinen Häuschens, das
sich mit der Gleichmäßigkeit eines Perpendikelganges abspann,
hatte seine Ruhe eingebüßt und einer fortwährenden Auf¬
regung Platz gemacht, die nur die eine Parole kannte: Herr
Urban und seine Fabrik.

Hatte Johannes Timpe lange genug auf seiner "Warte"
gesessen, sich allerlei merkwürdigen Gedanken hingegeben, war
er dann langsam und bedächtig hinabgestiegen, so wurde in
der kleinen Laube des Gärtchens das Gespräch von Neuem
aufgenommen und ins Unendliche gesponnen.

Da saß hinten in der Ecke auf einem Rohrsessel Frau

Feierabendſtunde ſchlug und er ſeinen Auslugplatz auf dem
Baume einnehmen konnte.

Und ſchließlich drehte ſich den ganzen Tag über, ſobald
ſeine Gedanken nicht mit Gewalt von anderen Dingen in
Anſpruch genommen wurden, ſein Intereſſe nur um den Bau
Ferdinand Friedrich Urban's.

Die Fabrik, die Fabrik und immer wieder die Fabrik!

Er fand ein beſonderes Vergnügen daran, bei jeder
Gelegenheit während der Arbeit das Geſpräch darauf zu
bringen und freute ſich, wenn die Geſellen das Thema auf¬
griffen und mit ihm und ſeinen Urtheilen über des Nach¬
bars Pläne übereinſtimmten. Zuletzt erklärten das die Leute
in der Werkſtatt für etwas wunderlich und raunten ſich zu,
daß der Meiſter ſich gegen früher merkwürdig geändert habe
und daß ihm „die Geſchichte da drüben“ im Kopfe herum¬
gehe. So kam es denn, daß das neue Unternehmen Urban's
ſchließlich wie eine weltgeſchichtliche That betrachtet wurde, die
immer auf's Neue angeſtaunt, bewundert und beſprochen
werden müſſe.

Das Leben der Bewohner des kleinen Häuschens, das
ſich mit der Gleichmäßigkeit eines Perpendikelganges abſpann,
hatte ſeine Ruhe eingebüßt und einer fortwährenden Auf¬
regung Platz gemacht, die nur die eine Parole kannte: Herr
Urban und ſeine Fabrik.

Hatte Johannes Timpe lange genug auf ſeiner „Warte“
geſeſſen, ſich allerlei merkwürdigen Gedanken hingegeben, war
er dann langſam und bedächtig hinabgeſtiegen, ſo wurde in
der kleinen Laube des Gärtchens das Geſpräch von Neuem
aufgenommen und ins Unendliche geſponnen.

Da ſaß hinten in der Ecke auf einem Rohrſeſſel Frau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0085" n="73"/>
Feierabend&#x017F;tunde &#x017F;chlug und er &#x017F;einen Auslugplatz auf dem<lb/>
Baume einnehmen konnte.</p><lb/>
        <p>Und &#x017F;chließlich drehte &#x017F;ich den ganzen Tag über, &#x017F;obald<lb/>
&#x017F;eine Gedanken nicht mit Gewalt von anderen Dingen in<lb/>
An&#x017F;pruch genommen wurden, &#x017F;ein Intere&#x017F;&#x017F;e <choice><sic>nnr</sic><corr>nur</corr></choice> um den Bau<lb/>
Ferdinand Friedrich Urban's.</p><lb/>
        <p>Die Fabrik, die Fabrik und immer wieder die Fabrik!</p><lb/>
        <p>Er fand ein be&#x017F;onderes Vergnügen daran, bei jeder<lb/>
Gelegenheit während der Arbeit das Ge&#x017F;präch darauf zu<lb/>
bringen und freute &#x017F;ich, wenn die Ge&#x017F;ellen das Thema auf¬<lb/>
griffen und mit ihm und &#x017F;einen Urtheilen über des Nach¬<lb/>
bars Pläne überein&#x017F;timmten. Zuletzt erklärten das die Leute<lb/>
in der Werk&#x017F;tatt für etwas wunderlich und raunten &#x017F;ich zu,<lb/>
daß der Mei&#x017F;ter &#x017F;ich gegen früher merkwürdig geändert habe<lb/>
und daß ihm &#x201E;die Ge&#x017F;chichte da drüben&#x201C; im Kopfe herum¬<lb/>
gehe. So kam es denn, daß das neue Unternehmen Urban's<lb/>
&#x017F;chließlich wie eine weltge&#x017F;chichtliche That betrachtet wurde, die<lb/>
immer auf's Neue ange&#x017F;taunt, bewundert und be&#x017F;prochen<lb/>
werden mü&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>Das Leben der Bewohner des kleinen Häuschens, das<lb/>
&#x017F;ich mit der Gleichmäßigkeit eines Perpendikelganges ab&#x017F;pann,<lb/>
hatte &#x017F;eine Ruhe eingebüßt und einer fortwährenden Auf¬<lb/>
regung Platz gemacht, die nur die eine Parole kannte: Herr<lb/>
Urban und &#x017F;eine Fabrik.</p><lb/>
        <p>Hatte Johannes Timpe lange genug auf &#x017F;einer &#x201E;Warte&#x201C;<lb/>
ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ich allerlei merkwürdigen Gedanken hingegeben, war<lb/>
er dann lang&#x017F;am und bedächtig hinabge&#x017F;tiegen, &#x017F;o wurde in<lb/>
der kleinen Laube des Gärtchens das Ge&#x017F;präch von Neuem<lb/>
aufgenommen und ins Unendliche ge&#x017F;ponnen.</p><lb/>
        <p>Da &#x017F;aß hinten in der Ecke auf einem Rohr&#x017F;e&#x017F;&#x017F;el Frau<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0085] Feierabendſtunde ſchlug und er ſeinen Auslugplatz auf dem Baume einnehmen konnte. Und ſchließlich drehte ſich den ganzen Tag über, ſobald ſeine Gedanken nicht mit Gewalt von anderen Dingen in Anſpruch genommen wurden, ſein Intereſſe nur um den Bau Ferdinand Friedrich Urban's. Die Fabrik, die Fabrik und immer wieder die Fabrik! Er fand ein beſonderes Vergnügen daran, bei jeder Gelegenheit während der Arbeit das Geſpräch darauf zu bringen und freute ſich, wenn die Geſellen das Thema auf¬ griffen und mit ihm und ſeinen Urtheilen über des Nach¬ bars Pläne übereinſtimmten. Zuletzt erklärten das die Leute in der Werkſtatt für etwas wunderlich und raunten ſich zu, daß der Meiſter ſich gegen früher merkwürdig geändert habe und daß ihm „die Geſchichte da drüben“ im Kopfe herum¬ gehe. So kam es denn, daß das neue Unternehmen Urban's ſchließlich wie eine weltgeſchichtliche That betrachtet wurde, die immer auf's Neue angeſtaunt, bewundert und beſprochen werden müſſe. Das Leben der Bewohner des kleinen Häuschens, das ſich mit der Gleichmäßigkeit eines Perpendikelganges abſpann, hatte ſeine Ruhe eingebüßt und einer fortwährenden Auf¬ regung Platz gemacht, die nur die eine Parole kannte: Herr Urban und ſeine Fabrik. Hatte Johannes Timpe lange genug auf ſeiner „Warte“ geſeſſen, ſich allerlei merkwürdigen Gedanken hingegeben, war er dann langſam und bedächtig hinabgeſtiegen, ſo wurde in der kleinen Laube des Gärtchens das Geſpräch von Neuem aufgenommen und ins Unendliche geſponnen. Da ſaß hinten in der Ecke auf einem Rohrſeſſel Frau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/85
Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/85>, abgerufen am 21.11.2024.