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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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dass ich ein sehr dickes Kind gewesen sein soll, das "Kriegers Kugel" genannt wurde. Angenehme Erinnerungen hinterliessen gelegentliche doch spärliche Spaziergänge des Vaters mit uns drei Kindern. Genau weiss ich noch, dass wir auf dem Rosenhof bei Bubenhausen waren und dass dort Apfelwein getrunken wurde, dem ich offenbar zu reichlich zusprach, denn auf dem Heimweg wurde ich von meinem Bruder Karl auf den Achseln geschleppt und wurde lange geneckt wegen meiner wiederholten Frage: Vater, warum geht denn alles so rundherum?

Der Vater hatte wahrscheinlich im Jahre 1835 kurz nach seiner Ernennung zum Pfarrer einen Vikar nöthig, der im Pfarrhause wohnte. Es war der heute noch lebende Thilo Krafft, mit dem ich später noch viel zu thun bekam. Er gab mir den ersten Höflichkeitsunterricht, indem er mir eintrichterte, ihn zu Tisch mit der Formel zu rufen: Herr Vikar, wenn es gefällig ist, so kommen Sie zum Essen! Die umständliche Formel und das Eintrichtern scheinen unangenehme, doch tiefe Eindrücke hinterlassen zu haben.

In die Löwenapotheke von Schulz und zu Dr. medic. Schulz sen. hatte ich täglich Botendienste als Zeitungsträger zu machen. Die Haushälterin des ledigen Doktors belohnte mich mit Obst oder Leckereien, aber in der Apotheke quälte mich der kleine Provisor mit Kitzeln und die folgende gelegentliche Begütigung durch Lakritz oder Jungfernleder versöhnte mich wenig. Später als ich Ludwigshafen einmal als Student passierte, entdeckte ich den kleinen Provisor in einer dortigen Apotheke und erlaubte mir ihm seine Sünden vorzuhalten und in äusserste Verlegenheit zu setzen.

Bei kleinen Unfällen suchte ich nicht zu Hause sondern bei der Tante Hagen Zuflucht, die dann an mir flickte, wusch oder heilte; bei letzterer Prozedur spielte auch in ernsteren Fällen Zunder eine Hauptrolle.

Noch vor vollendetem sechsten Jahre kam ich in die Volksschule und passierte von unten aufsteigend die Klassen Jakobi, Seegmüller, Ottmann und Kramer. Aus Jakobis

dass ich ein sehr dickes Kind gewesen sein soll, das ”Kriegers Kugel“ genannt wurde. Angenehme Erinnerungen hinterliessen gelegentliche doch spärliche Spaziergänge des Vaters mit uns drei Kindern. Genau weiss ich noch, dass wir auf dem Rosenhof bei Bubenhausen waren und dass dort Apfelwein getrunken wurde, dem ich offenbar zu reichlich zusprach, denn auf dem Heimweg wurde ich von meinem Bruder Karl auf den Achseln geschleppt und wurde lange geneckt wegen meiner wiederholten Frage: Vater, warum geht denn alles so rundherum?

Der Vater hatte wahrscheinlich im Jahre 1835 kurz nach seiner Ernennung zum Pfarrer einen Vikar nöthig, der im Pfarrhause wohnte. Es war der heute noch lebende Thilo Krafft, mit dem ich später noch viel zu thun bekam. Er gab mir den ersten Höflichkeitsunterricht, indem er mir eintrichterte, ihn zu Tisch mit der Formel zu rufen: Herr Vikar, wenn es gefällig ist, so kommen Sie zum Essen! Die umständliche Formel und das Eintrichtern scheinen unangenehme, doch tiefe Eindrücke hinterlassen zu haben.

In die Löwenapotheke von Schulz und zu Dr. medic. Schulz sen. hatte ich täglich Botendienste als Zeitungsträger zu machen. Die Haushälterin des ledigen Doktors belohnte mich mit Obst oder Leckereien, aber in der Apotheke quälte mich der kleine Provisor mit Kitzeln und die folgende gelegentliche Begütigung durch Lakritz oder Jungfernleder versöhnte mich wenig. Später als ich Ludwigshafen einmal als Student passierte, entdeckte ich den kleinen Provisor in einer dortigen Apotheke und erlaubte mir ihm seine Sünden vorzuhalten und in äusserste Verlegenheit zu setzen.

Bei kleinen Unfällen suchte ich nicht zu Hause sondern bei der Tante Hagen Zuflucht, die dann an mir flickte, wusch oder heilte; bei letzterer Prozedur spielte auch in ernsteren Fällen Zunder eine Hauptrolle.

Noch vor vollendetem sechsten Jahre kam ich in die Volksschule und passierte von unten aufsteigend die Klassen Jakobi, Seegmüller, Ottmann und Kramer. Aus Jakobis

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        <p>Der Vater hatte wahrscheinlich im Jahre 1835 kurz nach seiner Ernennung zum Pfarrer einen Vikar nöthig, der im Pfarrhause wohnte. Es war der heute noch lebende Thilo Krafft, mit dem ich später noch viel zu thun bekam. Er gab mir den ersten Höflichkeitsunterricht, indem er mir eintrichterte, ihn zu Tisch mit der Formel zu rufen: Herr Vikar, wenn es gefällig ist, so kommen Sie zum Essen! Die umständliche Formel und das Eintrichtern scheinen unangenehme, doch tiefe Eindrücke hinterlassen zu haben.</p>
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[14/0014] dass ich ein sehr dickes Kind gewesen sein soll, das ”Kriegers Kugel“ genannt wurde. Angenehme Erinnerungen hinterliessen gelegentliche doch spärliche Spaziergänge des Vaters mit uns drei Kindern. Genau weiss ich noch, dass wir auf dem Rosenhof bei Bubenhausen waren und dass dort Apfelwein getrunken wurde, dem ich offenbar zu reichlich zusprach, denn auf dem Heimweg wurde ich von meinem Bruder Karl auf den Achseln geschleppt und wurde lange geneckt wegen meiner wiederholten Frage: Vater, warum geht denn alles so rundherum? Der Vater hatte wahrscheinlich im Jahre 1835 kurz nach seiner Ernennung zum Pfarrer einen Vikar nöthig, der im Pfarrhause wohnte. Es war der heute noch lebende Thilo Krafft, mit dem ich später noch viel zu thun bekam. Er gab mir den ersten Höflichkeitsunterricht, indem er mir eintrichterte, ihn zu Tisch mit der Formel zu rufen: Herr Vikar, wenn es gefällig ist, so kommen Sie zum Essen! Die umständliche Formel und das Eintrichtern scheinen unangenehme, doch tiefe Eindrücke hinterlassen zu haben. In die Löwenapotheke von Schulz und zu Dr. medic. Schulz sen. hatte ich täglich Botendienste als Zeitungsträger zu machen. Die Haushälterin des ledigen Doktors belohnte mich mit Obst oder Leckereien, aber in der Apotheke quälte mich der kleine Provisor mit Kitzeln und die folgende gelegentliche Begütigung durch Lakritz oder Jungfernleder versöhnte mich wenig. Später als ich Ludwigshafen einmal als Student passierte, entdeckte ich den kleinen Provisor in einer dortigen Apotheke und erlaubte mir ihm seine Sünden vorzuhalten und in äusserste Verlegenheit zu setzen. Bei kleinen Unfällen suchte ich nicht zu Hause sondern bei der Tante Hagen Zuflucht, die dann an mir flickte, wusch oder heilte; bei letzterer Prozedur spielte auch in ernsteren Fällen Zunder eine Hauptrolle. Noch vor vollendetem sechsten Jahre kam ich in die Volksschule und passierte von unten aufsteigend die Klassen Jakobi, Seegmüller, Ottmann und Kramer. Aus Jakobis

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/14>, abgerufen am 23.11.2024.