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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Am meisten ragten in St. Ingbert die Familien der Eisenwerksbesitzer Heinrich und Fritz Kraemer hervor, die an der Saar und in der Pfalz hochangesehen waren, aber in St. Ingbert sich ziemlich abgeschlossen hielten. Mir gegenüber waren die 2 alten Herren, die bald Witwer wurden, sehr höflich, bei geschäftlichen Verhandlungen verschiedener Art sehr entgegenkommend, aber leider unkirchlich, wenn sie auch darauf sahen, dass ihr Hauspersonal fleissig zum Gottesdienste kam. Das Vertrauen der alten Herren ging auf ihre Söhne über, leider auch deren Unkirchlichkeit, während später der weibliche Theil der Familien sich gern, theilweise regelmässig zur Kirche hielt. Während meiner Vikariatszeit konnte und wollte ich der Kraemerschen Familie nicht näher treten. Später gestaltete sich das Verhältnis etwas anders. Leid war es mir, dass ich die prächtigen Erzählungen des alten Heinrich Kraemer aus seinen Jugendjahren nicht niederschrieb. Es waren kulturhistorische und soziale Bilder von frischer Ursprünglichkeit. Als ich sie später fixieren wollte, liess mich mein Gedächtnis im Stich.

Vom Jahre 1856 an wuchs die prot. Gemeinde spürbar. Die Schule, welche jetzt wieder einen Schulgehilfen hatte, füllte sich. Der Betsaal wurde zu klein. An den hohen Festen musste ich mehrere Gottesdienste, zuletzt 3 am 1 Festtag, halten. Die Nothwendigkeit eines Kirchenbaues wurde immer dringlicher, da auch der Eigenthümer des Betsaales die Absicht äusserte, das betreffende Haus zu verkaufen. Die Beschaffung der Mittel für einen ausreichenden Kirchenbau musste energisch angegriffen werden. Der pfälzische Gustav Adolf Verein hatte St. Ingbert schon seit 1853 mit Gaben bedacht. Aber es galt grössere Gaben zu erlangen, weitere Gustav Adolf Vereine heranzuziehen und vor allem musste der Gemeinde selbst etwas leisten, und die Willigkeit hierzu war vorhanden. Die Gebr. Kraemer stellten 2000 Gulden zur Verfügung und erklärten sich für später zu weiteren Leistungen bereit, namentlich auch dazu, alle eingehenden Gelder in Depot zu nehmen gegen 5% Verzinsung. Die übrigen Gemeindeglieder hielten wöchentliche und monatliche Sammlungen für den geeignetsten und ausgiebigsten Weg um Kirchenbaumittel aufzubringen. Die Gemeinde wurde so zu einem Kirchbauverein, eine grössere Zahl von Sammlerinnen erhob die Beitrage und dies Verfahren wurde fortgesetzt bis

Am meisten ragten in St. Ingbert die Familien der Eisenwerksbesitzer Heinrich und Fritz Kraemer hervor, die an der Saar und in der Pfalz hochangesehen waren, aber in St. Ingbert sich ziemlich abgeschlossen hielten. Mir gegenüber waren die 2 alten Herren, die bald Witwer wurden, sehr höflich, bei geschäftlichen Verhandlungen verschiedener Art sehr entgegenkommend, aber leider unkirchlich, wenn sie auch darauf sahen, dass ihr Hauspersonal fleissig zum Gottesdienste kam. Das Vertrauen der alten Herren ging auf ihre Söhne über, leider auch deren Unkirchlichkeit, während später der weibliche Theil der Familien sich gern, theilweise regelmässig zur Kirche hielt. Während meiner Vikariatszeit konnte und wollte ich der Kraemerschen Familie nicht näher treten. Später gestaltete sich das Verhältnis etwas anders. Leid war es mir, dass ich die prächtigen Erzählungen des alten Heinrich Kraemer aus seinen Jugendjahren nicht niederschrieb. Es waren kulturhistorische und soziale Bilder von frischer Ursprünglichkeit. Als ich sie später fixieren wollte, liess mich mein Gedächtnis im Stich.

Vom Jahre 1856 an wuchs die prot. Gemeinde spürbar. Die Schule, welche jetzt wieder einen Schulgehilfen hatte, füllte sich. Der Betsaal wurde zu klein. An den hohen Festen musste ich mehrere Gottesdienste, zuletzt 3 am 1 Festtag, halten. Die Nothwendigkeit eines Kirchenbaues wurde immer dringlicher, da auch der Eigenthümer des Betsaales die Absicht äusserte, das betreffende Haus zu verkaufen. Die Beschaffung der Mittel für einen ausreichenden Kirchenbau musste energisch angegriffen werden. Der pfälzische Gustav Adolf Verein hatte St. Ingbert schon seit 1853 mit Gaben bedacht. Aber es galt grössere Gaben zu erlangen, weitere Gustav Adolf Vereine heranzuziehen und vor allem musste der Gemeinde selbst etwas leisten, und die Willigkeit hierzu war vorhanden. Die Gebr. Kraemer stellten 2000 Gulden zur Verfügung und erklärten sich für später zu weiteren Leistungen bereit, namentlich auch dazu, alle eingehenden Gelder in Depot zu nehmen gegen 5% Verzinsung. Die übrigen Gemeindeglieder hielten wöchentliche und monatliche Sammlungen für den geeignetsten und ausgiebigsten Weg um Kirchenbaumittel aufzubringen. Die Gemeinde wurde so zu einem Kirchbauverein, eine grössere Zahl von Sammlerinnen erhob die Beitrage und dies Verfahren wurde fortgesetzt bis

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Am meisten ragten in St. Ingbert die Familien der Eisenwerksbesitzer Heinrich und Fritz Kraemer hervor, die an der Saar und in der Pfalz hochangesehen waren, aber in St. Ingbert sich ziemlich abgeschlossen hielten. Mir gegenüber waren die 2 alten Herren, die bald Witwer wurden, sehr höflich, bei geschäftlichen Verhandlungen verschiedener Art sehr entgegenkommend, aber leider unkirchlich, wenn sie auch darauf sahen, dass ihr Hauspersonal fleissig zum Gottesdienste kam. Das Vertrauen der alten Herren ging auf ihre Söhne über, leider auch deren Unkirchlichkeit, während später der weibliche Theil der Familien sich gern, theilweise regelmässig zur Kirche hielt. Während meiner Vikariatszeit konnte und wollte ich der Kraemerschen Familie nicht näher treten. Später gestaltete sich das Verhältnis etwas anders. Leid war es mir, dass ich die prächtigen Erzählungen des alten Heinrich Kraemer aus seinen Jugendjahren nicht niederschrieb. Es waren kulturhistorische und soziale Bilder von frischer Ursprünglichkeit. Als ich sie später fixieren wollte, liess mich mein Gedächtnis im Stich.</p>
        <p>Vom Jahre 1856 an wuchs die prot. Gemeinde spürbar. Die Schule, welche jetzt wieder einen Schulgehilfen hatte, füllte sich. Der Betsaal wurde zu klein. An den hohen Festen musste ich mehrere Gottesdienste, zuletzt 3 am 1 Festtag, halten. Die Nothwendigkeit eines Kirchenbaues wurde immer dringlicher, da auch der Eigenthümer des Betsaales die Absicht äusserte, das betreffende Haus zu verkaufen. Die Beschaffung der Mittel für einen ausreichenden Kirchenbau musste energisch angegriffen werden. Der pfälzische Gustav Adolf Verein hatte St. Ingbert schon seit 1853 mit Gaben bedacht. Aber es galt grössere Gaben zu erlangen, weitere Gustav Adolf Vereine heranzuziehen und vor allem musste der Gemeinde selbst etwas leisten, und die Willigkeit hierzu war vorhanden. Die Gebr. Kraemer stellten 2000 Gulden zur Verfügung und erklärten sich für später zu weiteren Leistungen bereit, namentlich auch dazu, alle eingehenden Gelder in Depot zu nehmen gegen 5% Verzinsung. Die übrigen Gemeindeglieder hielten wöchentliche und monatliche Sammlungen für den geeignetsten und ausgiebigsten Weg um Kirchenbaumittel aufzubringen. Die Gemeinde wurde so zu einem Kirchbauverein, eine grössere Zahl von Sammlerinnen erhob die Beitrage und dies Verfahren wurde fortgesetzt bis
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[55/0055] Am meisten ragten in St. Ingbert die Familien der Eisenwerksbesitzer Heinrich und Fritz Kraemer hervor, die an der Saar und in der Pfalz hochangesehen waren, aber in St. Ingbert sich ziemlich abgeschlossen hielten. Mir gegenüber waren die 2 alten Herren, die bald Witwer wurden, sehr höflich, bei geschäftlichen Verhandlungen verschiedener Art sehr entgegenkommend, aber leider unkirchlich, wenn sie auch darauf sahen, dass ihr Hauspersonal fleissig zum Gottesdienste kam. Das Vertrauen der alten Herren ging auf ihre Söhne über, leider auch deren Unkirchlichkeit, während später der weibliche Theil der Familien sich gern, theilweise regelmässig zur Kirche hielt. Während meiner Vikariatszeit konnte und wollte ich der Kraemerschen Familie nicht näher treten. Später gestaltete sich das Verhältnis etwas anders. Leid war es mir, dass ich die prächtigen Erzählungen des alten Heinrich Kraemer aus seinen Jugendjahren nicht niederschrieb. Es waren kulturhistorische und soziale Bilder von frischer Ursprünglichkeit. Als ich sie später fixieren wollte, liess mich mein Gedächtnis im Stich. Vom Jahre 1856 an wuchs die prot. Gemeinde spürbar. Die Schule, welche jetzt wieder einen Schulgehilfen hatte, füllte sich. Der Betsaal wurde zu klein. An den hohen Festen musste ich mehrere Gottesdienste, zuletzt 3 am 1 Festtag, halten. Die Nothwendigkeit eines Kirchenbaues wurde immer dringlicher, da auch der Eigenthümer des Betsaales die Absicht äusserte, das betreffende Haus zu verkaufen. Die Beschaffung der Mittel für einen ausreichenden Kirchenbau musste energisch angegriffen werden. Der pfälzische Gustav Adolf Verein hatte St. Ingbert schon seit 1853 mit Gaben bedacht. Aber es galt grössere Gaben zu erlangen, weitere Gustav Adolf Vereine heranzuziehen und vor allem musste der Gemeinde selbst etwas leisten, und die Willigkeit hierzu war vorhanden. Die Gebr. Kraemer stellten 2000 Gulden zur Verfügung und erklärten sich für später zu weiteren Leistungen bereit, namentlich auch dazu, alle eingehenden Gelder in Depot zu nehmen gegen 5% Verzinsung. Die übrigen Gemeindeglieder hielten wöchentliche und monatliche Sammlungen für den geeignetsten und ausgiebigsten Weg um Kirchenbaumittel aufzubringen. Die Gemeinde wurde so zu einem Kirchbauverein, eine grössere Zahl von Sammlerinnen erhob die Beitrage und dies Verfahren wurde fortgesetzt bis

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/55>, abgerufen am 27.11.2024.