Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.

Bild:
<< vorherige Seite


digen; so schliesset ja die ganze Welt des
Pöbels.
Herr v. R. Meine Verwunderung hat sich schon
um ein grosses gemindert, da ich höre, was
für schöne Pflanzen zum geistlichen Stande
erzogen werden.
Wahrm. Diese Pflanzen können auch nach dem,
was von allen Geistlichen zu ihrem Stan-
de erfordert wird, nicht besser ausgelesen
werden. Man sollte sich wenigstens von
der freywilligen Wahl des Schülers was
Gutes vermuthen - -
Herr v. R. Jch vermuthe mich auch von dersel-
ben geschickte und tugendhafte Geistliche.
Wahrm. Sie werden mir aber gleich zugeben,
daß auch dieselbe fehl schlage. Denn aus-
geweckte und muntre Köpfe sehen gar zu
deutlich vorher, daß sie die dazu gehörige
Eigenschaften nicht besitzen, daß Dumm-
heit, Unverschämtheit, Aberglauben, und
Betrug ihre Feinde sind, welche sie lieben
müsten, wann sie Mantel und Kragen
wählten. Ein seichtes, schläfriges und la-
sterhaftes Gemüthe hingegen wählet den
geistlichen Stand, weil es sich zu keinem
andern so brauchbar befindet. Wird
ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch
Dürftigkeit genöthiget, diesen Stand zu
erwählen, so muß er schon ein Glücks-
kind seyn, wenn er seinen Vorsatz vollfüh-
ren will; Denn, weil er nicht heucheln
und


digen; ſo ſchlieſſet ja die ganze Welt des
Poͤbels.
Herr v. R. Meine Verwunderung hat ſich ſchon
um ein groſſes gemindert, da ich hoͤre, was
fuͤr ſchoͤne Pflanzen zum geiſtlichen Stande
erzogen werden.
Wahrm. Dieſe Pflanzen koͤnnen auch nach dem,
was von allen Geiſtlichen zu ihrem Stan-
de erfordert wird, nicht beſſer ausgeleſen
werden. Man ſollte ſich wenigſtens von
der freywilligen Wahl des Schuͤlers was
Gutes vermuthen ‒ ‒
Herr v. R. Jch vermuthe mich auch von derſel-
ben geſchickte und tugendhafte Geiſtliche.
Wahrm. Sie werden mir aber gleich zugeben,
daß auch dieſelbe fehl ſchlage. Denn auſ-
geweckte und muntre Koͤpfe ſehen gar zu
deutlich vorher, daß ſie die dazu gehoͤrige
Eigenſchaften nicht beſitzen, daß Dumm-
heit, Unverſchaͤmtheit, Aberglauben, und
Betrug ihre Feinde ſind, welche ſie lieben
muͤſten, wann ſie Mantel und Kragen
waͤhlten. Ein ſeichtes, ſchlaͤfriges und la-
ſterhaftes Gemuͤthe hingegen waͤhlet den
geiſtlichen Stand, weil es ſich zu keinem
andern ſo brauchbar befindet. Wird
ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch
Duͤrftigkeit genoͤthiget, dieſen Stand zu
erwaͤhlen, ſo muß er ſchon ein Gluͤcks-
kind ſeyn, wenn er ſeinen Vorſatz vollfuͤh-
ren will; Denn, weil er nicht heucheln
und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#WAH">
            <p><pb facs="#f0106" n="102"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
digen; &#x017F;o &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et ja die ganze Welt des<lb/>
Po&#x0364;bels.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HVR">
            <speaker>Herr v. R.</speaker>
            <p>Meine Verwunderung hat &#x017F;ich &#x017F;chon<lb/>
um ein gro&#x017F;&#x017F;es gemindert, da ich ho&#x0364;re, was<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;cho&#x0364;ne Pflanzen zum gei&#x017F;tlichen Stande<lb/>
erzogen werden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WAH">
            <speaker>Wahrm.</speaker>
            <p>Die&#x017F;e Pflanzen ko&#x0364;nnen auch nach dem,<lb/>
was von allen Gei&#x017F;tlichen zu ihrem Stan-<lb/>
de erfordert wird, nicht be&#x017F;&#x017F;er ausgele&#x017F;en<lb/>
werden. Man &#x017F;ollte &#x017F;ich wenig&#x017F;tens von<lb/>
der freywilligen Wahl des Schu&#x0364;lers was<lb/>
Gutes vermuthen &#x2012; &#x2012;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#HVR">
            <speaker>Herr v. R.</speaker>
            <p>Jch vermuthe mich auch von der&#x017F;el-<lb/>
ben ge&#x017F;chickte und tugendhafte Gei&#x017F;tliche.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#WAH">
            <speaker>Wahrm.</speaker>
            <p>Sie werden mir aber gleich zugeben,<lb/>
daß auch die&#x017F;elbe fehl &#x017F;chlage. Denn au&#x017F;-<lb/>
geweckte und muntre Ko&#x0364;pfe &#x017F;ehen gar zu<lb/>
deutlich vorher, daß &#x017F;ie die dazu geho&#x0364;rige<lb/>
Eigen&#x017F;chaften nicht be&#x017F;itzen, daß Dumm-<lb/>
heit, Unver&#x017F;cha&#x0364;mtheit, Aberglauben, und<lb/>
Betrug ihre Feinde &#x017F;ind, welche &#x017F;ie lieben<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten, wann &#x017F;ie Mantel und Kragen<lb/>
wa&#x0364;hlten. Ein &#x017F;eichtes, &#x017F;chla&#x0364;friges und la-<lb/>
&#x017F;terhaftes Gemu&#x0364;the hingegen wa&#x0364;hlet den<lb/>
gei&#x017F;tlichen Stand, weil es &#x017F;ich zu keinem<lb/>
andern &#x017F;o brauchbar befindet. Wird<lb/>
ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch<lb/>
Du&#x0364;rftigkeit geno&#x0364;thiget, die&#x017F;en Stand zu<lb/>
erwa&#x0364;hlen, &#x017F;o muß er &#x017F;chon ein Glu&#x0364;cks-<lb/>
kind &#x017F;eyn, wenn er &#x017F;einen Vor&#x017F;atz vollfu&#x0364;h-<lb/>
ren will; Denn, weil er nicht heucheln<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0106] digen; ſo ſchlieſſet ja die ganze Welt des Poͤbels. Herr v. R. Meine Verwunderung hat ſich ſchon um ein groſſes gemindert, da ich hoͤre, was fuͤr ſchoͤne Pflanzen zum geiſtlichen Stande erzogen werden. Wahrm. Dieſe Pflanzen koͤnnen auch nach dem, was von allen Geiſtlichen zu ihrem Stan- de erfordert wird, nicht beſſer ausgeleſen werden. Man ſollte ſich wenigſtens von der freywilligen Wahl des Schuͤlers was Gutes vermuthen ‒ ‒ Herr v. R. Jch vermuthe mich auch von derſel- ben geſchickte und tugendhafte Geiſtliche. Wahrm. Sie werden mir aber gleich zugeben, daß auch dieſelbe fehl ſchlage. Denn auſ- geweckte und muntre Koͤpfe ſehen gar zu deutlich vorher, daß ſie die dazu gehoͤrige Eigenſchaften nicht beſitzen, daß Dumm- heit, Unverſchaͤmtheit, Aberglauben, und Betrug ihre Feinde ſind, welche ſie lieben muͤſten, wann ſie Mantel und Kragen waͤhlten. Ein ſeichtes, ſchlaͤfriges und la- ſterhaftes Gemuͤthe hingegen waͤhlet den geiſtlichen Stand, weil es ſich zu keinem andern ſo brauchbar befindet. Wird ja ein aufgeweckter Kopf zuweilen durch Duͤrftigkeit genoͤthiget, dieſen Stand zu erwaͤhlen, ſo muß er ſchon ein Gluͤcks- kind ſeyn, wenn er ſeinen Vorſatz vollfuͤh- ren will; Denn, weil er nicht heucheln und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/106
Zitationshilfe: Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/106>, abgerufen am 24.11.2024.