Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743. Herr v. R. (für sich) Er hat recht, es ist kein zanksüchtiger Thier in der Welt, als ein Orthodore, sonderlich auf dem Lande. (zu Petern) Aber wer ist denn diese Ma- trone? Peter. Schimpfen sie sie ja nicht für eine Ma- trone, Herr von Roseneck, sonst sind sie unglücklich, sie heist Frau Conrecktorin schlechtweg. Brigitte. Ja, die bin ich, ich suche hier einen Betrüger, einen verlaufnen Schulmeister, einen Erzschelm, einen Spitzbuben, ei- nen - - - Peter. Einen wohlehrwürdigen und hochgelahr- ten Herrn, Herrn Pastor Tempelstolz. Brigitte. Ja, ja, der ists, dem ehrvergessenen gewissenlosen Landstreicher will ich die Au- gen auskratzen. Herr v. R. Das sind schöne Titul für einen Geistlichen. Aber Frau Conrecktorin, warum geben sie ihm die heßliche Beynah- men, womit hat er sie verdienet? Brigitte. Er hat noch mehr, als diese Titul ver- dienet, mein Herr, hören sie nur den gan- zen Verlauf der Sachen an, so werden sie mir gewiß Recht geben. Jch bin nunmeh- ro, Gottlob! eine Frau von 65 Jahren, und werde ihnen nichts vorlügen. Vor zwey Jahren, als mir mein seliger Herr Eheliebster, der Herr Conrecktor, Hr. An- dreas Puncktum absturb, ach! es war doch ein lieber Mann, Gott laß ihn selig ruhen! F 4
Herr v. R. (fuͤr ſich) Er hat recht, es iſt kein zankſuͤchtiger Thier in der Welt, als ein Orthodore, ſonderlich auf dem Lande. (zu Petern) Aber wer iſt denn dieſe Ma- trone? Peter. Schimpfen ſie ſie ja nicht fuͤr eine Ma- trone, Herr von Roſeneck, ſonſt ſind ſie ungluͤcklich, ſie heiſt Frau Conrecktorin ſchlechtweg. Brigitte. Ja, die bin ich, ich ſuche hier einen Betruͤger, einen verlaufnen Schulmeiſter, einen Erzſchelm, einen Spitzbuben, ei- nen ‒ ‒ ‒ Peter. Einen wohlehrwuͤrdigen und hochgelahr- ten Herrn, Herrn Paſtor Tempelſtolz. Brigitte. Ja, ja, der iſts, dem ehrvergeſſenen gewiſſenloſen Landſtreicher will ich die Au- gen auskratzen. Herr v. R. Das ſind ſchoͤne Titul fuͤr einen Geiſtlichen. Aber Frau Conrecktorin, warum geben ſie ihm die heßliche Beynah- men, womit hat er ſie verdienet? Brigitte. Er hat noch mehr, als dieſe Titul ver- dienet, mein Herr, hoͤren ſie nur den gan- zen Verlauf der Sachen an, ſo werden ſie mir gewiß Recht geben. Jch bin nunmeh- ro, Gottlob! eine Frau von 65 Jahren, und werde ihnen nichts vorluͤgen. Vor zwey Jahren, als mir mein ſeliger Herr Eheliebſter, der Herr Conrecktor, Hr. An- dreas Puncktum abſturb, ach! es war doch ein lieber Mann, Gott laß ihn ſelig ruhen! F 4
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Herr v. R. (fuͤr ſich) Er hat recht, es iſt kein
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Petern) Aber wer iſt denn dieſe Ma-
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Peter. Schimpfen ſie ſie ja nicht fuͤr eine Ma-
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ungluͤcklich, ſie heiſt Frau Conrecktorin
ſchlechtweg.
Brigitte. Ja, die bin ich, ich ſuche hier einen
Betruͤger, einen verlaufnen Schulmeiſter,
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nen ‒ ‒ ‒
Peter. Einen wohlehrwuͤrdigen und hochgelahr-
ten Herrn, Herrn Paſtor Tempelſtolz.
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gen auskratzen.
Herr v. R. Das ſind ſchoͤne Titul fuͤr einen
Geiſtlichen. Aber Frau Conrecktorin,
warum geben ſie ihm die heßliche Beynah-
men, womit hat er ſie verdienet?
Brigitte. Er hat noch mehr, als dieſe Titul ver-
dienet, mein Herr, hoͤren ſie nur den gan-
zen Verlauf der Sachen an, ſo werden ſie
mir gewiß Recht geben. Jch bin nunmeh-
ro, Gottlob! eine Frau von 65 Jahren,
und werde ihnen nichts vorluͤgen. Vor
zwey Jahren, als mir mein ſeliger Herr
Eheliebſter, der Herr Conrecktor, Hr. An-
dreas Puncktum abſturb, ach! es war
doch ein lieber Mann, Gott laß ihn ſelig
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