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Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.

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Reiches sein, auf deren schleunigste Herbeiführung alle diejenigen
Deutschen hindrängen, die unseren jetzt nur provisorisch regierten Staat
auf eine neue, gesetzliche, vom gesamten Volkswillen gutgeheißene
Grundlage stellen wollen. Zudem weigern sich auch unsere Feinde,
mit einer Regierung Frieden zu schließen, die nicht als gesetzmäßige
Vertretung des ganzen Volkes angesehen werden kann. Gegner der
Nationalversammlung sind die ganz links stehenden Parteianhänger
der Spartakusgruppe, eben weil sie allein die Herrschaft in Händen
haben wollen mit Ausschaltung des nicht auf sozialistischem Stand-
punkt stehenden Bürgertums. Darum ist es in der jetzigen Zeit für
die demokratischen Parteien besonders wichtig, sich fest zusammen
zu schließen und ihre frühere Zersplitterung zu überwinden, weil sie
sonst keine einheitliche Macht und Kraft haben, um ihre Stellung
zu behaupten. Eine große Erschwerung der schnellen Einberufung
einer Nationalversammlung ist erstens der Umstand, daß sämtliche
etwa 40 Millionen wahlberechtigte Deutsche beiderlei Geschlechts zu-
nächst in Wahllisten eingetragen werden müssen, damit der Betrug
einer mehrmaligen Stimmabgabe des Einzelnen verhindert wird, und
zweitens, die Tatsache, daß unendlich viele Staatsbürger, z. B. die
heimkehrenden Truppen, die entlassenen Munitionsarbeiter usw. zur
Zeit nicht ortsansässig sind, ja, daß viele als Gefangene oder als
Besatzungstruppen noch im Ausland sind. Die unter Ebert und seinen
5 Genossen stehende Regierung setzt aber alle Kraft dafür ein, die
Wahl möglichst schnell erfolgen zu lassen. Die Einteilung des Deutschen
Reiches in 38 große Wahlbezirke ist bereits geschehen. Jedem der-
selben ist eine je nach Höhe der Einwohnerzahl berechnete Anzahl
von zu wählenden Abgeordneten zugebilligt worden; zusammen werden
433 Volksvertreter für die Reichsversammlung zu ernennen sein.
Dazu kämen noch die Vertreter der Republik Deutschösterreich, falls
deren Vereinigung mit dem Deutschen Reich zustande kommt.

Mit dieser kurzen Darlegung ist skizzenhaft und in ganz großen
Zügen das notwendigste gesagt, was die Frau von den sie jetzt be-
treffenden Wahlangelegenheiten wissen muß. Es scheint nun aber
doch noch erwünscht, einige ihrer besonderen Aufgaben im Staats-
leben zu betonen, um für ihre Arbeit auch praktische Ziele aufzustellen
und den Beweis zu bringen, daß die Frau ihr neues Recht nicht
umsonst erhalten hat. Jm Eingang war gesagt, daß die Frauen die
Vertreterinnen des Mutterwillens im Staat sein sollen, deshalb wird
auch wohl in allererster Linie jede gesetzliche Verordnung und Für-
sorge, die der Förderung und Pflege des Mutterberufes dienen kann,
ihrer Unterstützung sicher sein. Es ist garnicht an der Tatsache zu
zweifeln, daß dasjenige Volk das lebensfähigste im Kampf ums
Dasein ist, das die gesundesten, tüchtigsten und geistig hochstehendsten
Mütter hat, denn von ihnen hängt die Zukunft, das neue Geschlecht
ab. Es kann zwar nicht genug betont werden, daß kein noch so
ideales Gesetz den schöpferischen Willen zur Mutterschaft hervorbringen
kann, daß gerade diese Frage in das innerlichste, persönlichste Gebiet
der Frau gehören und keinem anderen Gesetz als dem des eigenen

Reiches sein, auf deren schleunigste Herbeiführung alle diejenigen
Deutschen hindrängen, die unseren jetzt nur provisorisch regierten Staat
auf eine neue, gesetzliche, vom gesamten Volkswillen gutgeheißene
Grundlage stellen wollen. Zudem weigern sich auch unsere Feinde,
mit einer Regierung Frieden zu schließen, die nicht als gesetzmäßige
Vertretung des ganzen Volkes angesehen werden kann. Gegner der
Nationalversammlung sind die ganz links stehenden Parteianhänger
der Spartakusgruppe, eben weil sie allein die Herrschaft in Händen
haben wollen mit Ausschaltung des nicht auf sozialistischem Stand-
punkt stehenden Bürgertums. Darum ist es in der jetzigen Zeit für
die demokratischen Parteien besonders wichtig, sich fest zusammen
zu schließen und ihre frühere Zersplitterung zu überwinden, weil sie
sonst keine einheitliche Macht und Kraft haben, um ihre Stellung
zu behaupten. Eine große Erschwerung der schnellen Einberufung
einer Nationalversammlung ist erstens der Umstand, daß sämtliche
etwa 40 Millionen wahlberechtigte Deutsche beiderlei Geschlechts zu-
nächst in Wahllisten eingetragen werden müssen, damit der Betrug
einer mehrmaligen Stimmabgabe des Einzelnen verhindert wird, und
zweitens, die Tatsache, daß unendlich viele Staatsbürger, z. B. die
heimkehrenden Truppen, die entlassenen Munitionsarbeiter usw. zur
Zeit nicht ortsansässig sind, ja, daß viele als Gefangene oder als
Besatzungstruppen noch im Ausland sind. Die unter Ebert und seinen
5 Genossen stehende Regierung setzt aber alle Kraft dafür ein, die
Wahl möglichst schnell erfolgen zu lassen. Die Einteilung des Deutschen
Reiches in 38 große Wahlbezirke ist bereits geschehen. Jedem der-
selben ist eine je nach Höhe der Einwohnerzahl berechnete Anzahl
von zu wählenden Abgeordneten zugebilligt worden; zusammen werden
433 Volksvertreter für die Reichsversammlung zu ernennen sein.
Dazu kämen noch die Vertreter der Republik Deutschösterreich, falls
deren Vereinigung mit dem Deutschen Reich zustande kommt.

Mit dieser kurzen Darlegung ist skizzenhaft und in ganz großen
Zügen das notwendigste gesagt, was die Frau von den sie jetzt be-
treffenden Wahlangelegenheiten wissen muß. Es scheint nun aber
doch noch erwünscht, einige ihrer besonderen Aufgaben im Staats-
leben zu betonen, um für ihre Arbeit auch praktische Ziele aufzustellen
und den Beweis zu bringen, daß die Frau ihr neues Recht nicht
umsonst erhalten hat. Jm Eingang war gesagt, daß die Frauen die
Vertreterinnen des Mutterwillens im Staat sein sollen, deshalb wird
auch wohl in allererster Linie jede gesetzliche Verordnung und Für-
sorge, die der Förderung und Pflege des Mutterberufes dienen kann,
ihrer Unterstützung sicher sein. Es ist garnicht an der Tatsache zu
zweifeln, daß dasjenige Volk das lebensfähigste im Kampf ums
Dasein ist, das die gesundesten, tüchtigsten und geistig hochstehendsten
Mütter hat, denn von ihnen hängt die Zukunft, das neue Geschlecht
ab. Es kann zwar nicht genug betont werden, daß kein noch so
ideales Gesetz den schöpferischen Willen zur Mutterschaft hervorbringen
kann, daß gerade diese Frage in das innerlichste, persönlichste Gebiet
der Frau gehören und keinem anderen Gesetz als dem des eigenen

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[13/0013] Reiches sein, auf deren schleunigste Herbeiführung alle diejenigen Deutschen hindrängen, die unseren jetzt nur provisorisch regierten Staat auf eine neue, gesetzliche, vom gesamten Volkswillen gutgeheißene Grundlage stellen wollen. Zudem weigern sich auch unsere Feinde, mit einer Regierung Frieden zu schließen, die nicht als gesetzmäßige Vertretung des ganzen Volkes angesehen werden kann. Gegner der Nationalversammlung sind die ganz links stehenden Parteianhänger der Spartakusgruppe, eben weil sie allein die Herrschaft in Händen haben wollen mit Ausschaltung des nicht auf sozialistischem Stand- punkt stehenden Bürgertums. Darum ist es in der jetzigen Zeit für die demokratischen Parteien besonders wichtig, sich fest zusammen zu schließen und ihre frühere Zersplitterung zu überwinden, weil sie sonst keine einheitliche Macht und Kraft haben, um ihre Stellung zu behaupten. Eine große Erschwerung der schnellen Einberufung einer Nationalversammlung ist erstens der Umstand, daß sämtliche etwa 40 Millionen wahlberechtigte Deutsche beiderlei Geschlechts zu- nächst in Wahllisten eingetragen werden müssen, damit der Betrug einer mehrmaligen Stimmabgabe des Einzelnen verhindert wird, und zweitens, die Tatsache, daß unendlich viele Staatsbürger, z. B. die heimkehrenden Truppen, die entlassenen Munitionsarbeiter usw. zur Zeit nicht ortsansässig sind, ja, daß viele als Gefangene oder als Besatzungstruppen noch im Ausland sind. Die unter Ebert und seinen 5 Genossen stehende Regierung setzt aber alle Kraft dafür ein, die Wahl möglichst schnell erfolgen zu lassen. Die Einteilung des Deutschen Reiches in 38 große Wahlbezirke ist bereits geschehen. Jedem der- selben ist eine je nach Höhe der Einwohnerzahl berechnete Anzahl von zu wählenden Abgeordneten zugebilligt worden; zusammen werden 433 Volksvertreter für die Reichsversammlung zu ernennen sein. Dazu kämen noch die Vertreter der Republik Deutschösterreich, falls deren Vereinigung mit dem Deutschen Reich zustande kommt. Mit dieser kurzen Darlegung ist skizzenhaft und in ganz großen Zügen das notwendigste gesagt, was die Frau von den sie jetzt be- treffenden Wahlangelegenheiten wissen muß. Es scheint nun aber doch noch erwünscht, einige ihrer besonderen Aufgaben im Staats- leben zu betonen, um für ihre Arbeit auch praktische Ziele aufzustellen und den Beweis zu bringen, daß die Frau ihr neues Recht nicht umsonst erhalten hat. Jm Eingang war gesagt, daß die Frauen die Vertreterinnen des Mutterwillens im Staat sein sollen, deshalb wird auch wohl in allererster Linie jede gesetzliche Verordnung und Für- sorge, die der Förderung und Pflege des Mutterberufes dienen kann, ihrer Unterstützung sicher sein. Es ist garnicht an der Tatsache zu zweifeln, daß dasjenige Volk das lebensfähigste im Kampf ums Dasein ist, das die gesundesten, tüchtigsten und geistig hochstehendsten Mütter hat, denn von ihnen hängt die Zukunft, das neue Geschlecht ab. Es kann zwar nicht genug betont werden, daß kein noch so ideales Gesetz den schöpferischen Willen zur Mutterschaft hervorbringen kann, daß gerade diese Frage in das innerlichste, persönlichste Gebiet der Frau gehören und keinem anderen Gesetz als dem des eigenen

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-24T15:36:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-11-24T15:36:09Z)

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Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




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Zitationshilfe: Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_wahlrecht_1918/13>, abgerufen am 21.11.2024.