Krüger, Elsa; Lengefeld, Selma von: Über Wahlrecht und Wahlpflicht der deutschen Frau. Weimar, 1918.Zeiten hat diesen Doppelanspruch nicht gekannt, sie hatte ihre Arbeit Es sind das große und wohl niemals ganz erreichbare Jdeale, R. Borkmann, Weimar. Zeiten hat diesen Doppelanspruch nicht gekannt, sie hatte ihre Arbeit Es sind das große und wohl niemals ganz erreichbare Jdeale, R. Borkmann, Weimar. <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0019" n="19"/> Zeiten hat diesen Doppelanspruch nicht gekannt, sie hatte ihre Arbeit<lb/> nur in der Familie, und was sie als Bäuerin, Landarbeiterin, Hand-<lb/> werksmeisterin, Spinnerin, Näherin usw. leistete, spielte sich alles im<lb/> selben Gebiet beziehungsweise im Berufskreise des Ehemannes oder<lb/> Vaters ab. Diese Einheitlichkeit der Pflicht hat die Entwicklung der<lb/> letzten hundert Jahre sehr vielen Frauen genommen, und daran läßt sich,<lb/> mag man es noch so sehr bedauern, nichts ändern. Es bleibt ihnen<lb/> nur übrig, mit dieser Schwierigkeit irgendwie fertig zu werden. Die<lb/> Hereinziehung der Frau in die öffentliche Volkswirtschaft war die<lb/> Ursache zu dieser zwiefachen Belastung, die ihr jetzt übertragene<lb/> Mitverantwortung für das Staatsleben ist nur eine unausbleibliche<lb/> Folge der genannten Entwicklung, die früher oder später doch einmal<lb/> eingetreten wäre. Eine Vereinigung der doppelten Aufgaben kann<lb/> nur dadurch allmählich gefunden werden, wenn der Versuch gelingt,<lb/> für beide Gebiete einigermaßen Raum zu schaffen und sie zugleich<lb/> nicht als völlig getrennte zu betrachten; wenn z. B. die Hausfrau<lb/> als Einkäuferin und Verbraucherin der Waren weiß, daß sie mit<lb/> einem Gut umgeht, das ein Teil des gesamten Volksbesitzes ist, wenn<lb/> die <choice><sic>Muter</sic><corr>Mutter</corr></choice> daran denkt, daß sie in ihren Kindern gesunde und wert-<lb/> volle Menschen für ihr Volk heranzuziehen hat. Und andererseits<lb/> wenn die in der Öffentlichkeit Stehende sich Kraft und Wärme zu<lb/> ihrem Tun aus dem persönlichen Leben schöpft und durch ihre Arbeit<lb/> mit dazu beiträgt, daß die Frauen ihre Art behaupten und immer<lb/> reicher entfallen können. Mit ganzer Seele muß dafür eingetreten<lb/> werden, daß der Frondienst so mancher Frau, deren Kraft von der<lb/> Doppelbelastung vollständig aufgesogen wird, die nichts anderes ist<lb/> als ein armes Lasttier, aufhört, daß vielmehr jeder Frau noch die<lb/> Möglichkeit bleibt, ein Mensch um ihrer selbst willen zu sein und den<lb/> berechtigten Bedürfnissen des eigenen Herzens zu folgen.</p><lb/> <p>Es sind das große und wohl niemals ganz erreichbare Jdeale,<lb/> die hier aufgestellt wurden, aber am Anfang eines Weges sich das<lb/> Ziel vor Augen zu halten, ist das wichtigste, sonst gerät man von<lb/> vorn herein in falsche Richtungen und muß sich mühsam durch Ab-<lb/> und Jrrwege hindurchtappen. <hi rendition="#g">Die Frauen tragen von jetzt ab<lb/> im vollsten Umfang die Mitverantwortung für das Wohl<lb/> ihres ganzen Volkes, ihres Staates.</hi> Dies Bewußtsein muß<lb/> in sie eingehämmert werden, möchten sie diesen Gedanken als den<lb/> wesentlichen Jnhalt dieser kleinen Schrift in ihren Kopf und in ihr<lb/> Herz aufnehmen und ihm weiter nachsinnen.</p> </div><lb/> <space dim="vertical"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </body> <back> <space dim="vertical"/> <div type="imprint"> <p>R. Borkmann, Weimar.</p><lb/> </div> </back> </text> </TEI> [19/0019]
Zeiten hat diesen Doppelanspruch nicht gekannt, sie hatte ihre Arbeit
nur in der Familie, und was sie als Bäuerin, Landarbeiterin, Hand-
werksmeisterin, Spinnerin, Näherin usw. leistete, spielte sich alles im
selben Gebiet beziehungsweise im Berufskreise des Ehemannes oder
Vaters ab. Diese Einheitlichkeit der Pflicht hat die Entwicklung der
letzten hundert Jahre sehr vielen Frauen genommen, und daran läßt sich,
mag man es noch so sehr bedauern, nichts ändern. Es bleibt ihnen
nur übrig, mit dieser Schwierigkeit irgendwie fertig zu werden. Die
Hereinziehung der Frau in die öffentliche Volkswirtschaft war die
Ursache zu dieser zwiefachen Belastung, die ihr jetzt übertragene
Mitverantwortung für das Staatsleben ist nur eine unausbleibliche
Folge der genannten Entwicklung, die früher oder später doch einmal
eingetreten wäre. Eine Vereinigung der doppelten Aufgaben kann
nur dadurch allmählich gefunden werden, wenn der Versuch gelingt,
für beide Gebiete einigermaßen Raum zu schaffen und sie zugleich
nicht als völlig getrennte zu betrachten; wenn z. B. die Hausfrau
als Einkäuferin und Verbraucherin der Waren weiß, daß sie mit
einem Gut umgeht, das ein Teil des gesamten Volksbesitzes ist, wenn
die Mutter daran denkt, daß sie in ihren Kindern gesunde und wert-
volle Menschen für ihr Volk heranzuziehen hat. Und andererseits
wenn die in der Öffentlichkeit Stehende sich Kraft und Wärme zu
ihrem Tun aus dem persönlichen Leben schöpft und durch ihre Arbeit
mit dazu beiträgt, daß die Frauen ihre Art behaupten und immer
reicher entfallen können. Mit ganzer Seele muß dafür eingetreten
werden, daß der Frondienst so mancher Frau, deren Kraft von der
Doppelbelastung vollständig aufgesogen wird, die nichts anderes ist
als ein armes Lasttier, aufhört, daß vielmehr jeder Frau noch die
Möglichkeit bleibt, ein Mensch um ihrer selbst willen zu sein und den
berechtigten Bedürfnissen des eigenen Herzens zu folgen.
Es sind das große und wohl niemals ganz erreichbare Jdeale,
die hier aufgestellt wurden, aber am Anfang eines Weges sich das
Ziel vor Augen zu halten, ist das wichtigste, sonst gerät man von
vorn herein in falsche Richtungen und muß sich mühsam durch Ab-
und Jrrwege hindurchtappen. Die Frauen tragen von jetzt ab
im vollsten Umfang die Mitverantwortung für das Wohl
ihres ganzen Volkes, ihres Staates. Dies Bewußtsein muß
in sie eingehämmert werden, möchten sie diesen Gedanken als den
wesentlichen Jnhalt dieser kleinen Schrift in ihren Kopf und in ihr
Herz aufnehmen und ihm weiter nachsinnen.
R. Borkmann, Weimar.
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(2017-11-24T15:36:09Z)
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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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