Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite

Geschichte der Erde
wollte, so ist doch noch ein anderer vorhanden, welcher
nimmermehr gehoben werden kan, und die ganze Sache
ohnmöglich macht. Die Schwere ist nicht eine Kraft de-
ren Directionslinie mit dem Radio der Erden einen rech-
ten Winkel macht, durchaus nicht, sondern es ist eine
Kraft, die gegen den Mittelpunct der Erde gerichtet ist,
deren Directionslinie also mit dem Radio der Erde über-
einkömmt. Wenn man aber dieses als gewiß zum vor-
aussetzet, wie es denn mehr als zu gewiß ist, so kan das
Umdrehen der Erde nimmermehr von dem Aufschwellen
des Wassers unter dem Monde hergeleitet werden.
Denn würde sich wohl eine Kugel herumdrehen, wenn sie
von einer Kraft dergestalt gedruckt würde, daß die Dire-
ctionslinie
dieser Kraft durch den Mittelpunct der Kugel
gienge? Wenn man ein Gewichte an die Kugel hänget,
so ists ganz was anders, denn die Directionslinie des
Gewichts fällt niemals durch den Mittelpunct der Kugel,
als wenn es oben darauf in den Zenith lieget, in diefen
Falle aber wird sich auch die Kugel niemals bewegen.
Zum dritten ist die anziehende Kraft des Mondens eine
Kraft die der Schwere der irdischen Körper gerade entge-
gen gesetzt ist. Diesem aber zu folge wird das Wasser
unter dem Monde leichter gemacht, und zwar gerade um
so viel leichter, als es durch seine grössere Menge die
Schwere der Erde auf der einen Seite hätte vermehren
können. Eine neue Probe, daß nicht alle artige Erfin-
dungen wahr sind, und daß man sich in der Naturlehre
sehr in acht nehmen müsse, von einem ähnlichen Falle auf
einen andern einen Schluß zu machen, wenn man vor-
her nicht recht gewiß versichert ist, daß alle nöthigen Um-
stände die sich bey dem einen befinden, auch bey dem an-
dern anzutreffen sind.

§. 95.

Geſchichte der Erde
wollte, ſo iſt doch noch ein anderer vorhanden, welcher
nimmermehr gehoben werden kan, und die ganze Sache
ohnmoͤglich macht. Die Schwere iſt nicht eine Kraft de-
ren Directionslinie mit dem Radio der Erden einen rech-
ten Winkel macht, durchaus nicht, ſondern es iſt eine
Kraft, die gegen den Mittelpunct der Erde gerichtet iſt,
deren Directionslinie alſo mit dem Radio der Erde uͤber-
einkoͤmmt. Wenn man aber dieſes als gewiß zum vor-
ausſetzet, wie es denn mehr als zu gewiß iſt, ſo kan das
Umdrehen der Erde nimmermehr von dem Aufſchwellen
des Waſſers unter dem Monde hergeleitet werden.
Denn wuͤrde ſich wohl eine Kugel herumdrehen, wenn ſie
von einer Kraft dergeſtalt gedruckt wuͤrde, daß die Dire-
ctionslinie
dieſer Kraft durch den Mittelpunct der Kugel
gienge? Wenn man ein Gewichte an die Kugel haͤnget,
ſo iſts ganz was anders, denn die Directionslinie des
Gewichts faͤllt niemals durch den Mittelpunct der Kugel,
als wenn es oben darauf in den Zenith lieget, in diefen
Falle aber wird ſich auch die Kugel niemals bewegen.
Zum dritten iſt die anziehende Kraft des Mondens eine
Kraft die der Schwere der irdiſchen Koͤrper gerade entge-
gen geſetzt iſt. Dieſem aber zu folge wird das Waſſer
unter dem Monde leichter gemacht, und zwar gerade um
ſo viel leichter, als es durch ſeine groͤſſere Menge die
Schwere der Erde auf der einen Seite haͤtte vermehren
koͤnnen. Eine neue Probe, daß nicht alle artige Erfin-
dungen wahr ſind, und daß man ſich in der Naturlehre
ſehr in acht nehmen muͤſſe, von einem aͤhnlichen Falle auf
einen andern einen Schluß zu machen, wenn man vor-
her nicht recht gewiß verſichert iſt, daß alle noͤthigen Um-
ſtaͤnde die ſich bey dem einen befinden, auch bey dem an-
dern anzutreffen ſind.

§. 95.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0184" n="170"/><fw place="top" type="header">Ge&#x017F;chichte der Erde</fw><lb/>
wollte, &#x017F;o i&#x017F;t doch noch ein anderer vorhanden, welcher<lb/>
nimmermehr gehoben werden kan, und die ganze Sache<lb/>
ohnmo&#x0364;glich macht. Die Schwere i&#x017F;t nicht eine Kraft de-<lb/>
ren Directionslinie mit dem Radio der Erden einen rech-<lb/>
ten Winkel macht, durchaus nicht, &#x017F;ondern es i&#x017F;t eine<lb/>
Kraft, die gegen den Mittelpunct der Erde gerichtet i&#x017F;t,<lb/>
deren Directionslinie al&#x017F;o mit dem Radio der Erde u&#x0364;ber-<lb/>
einko&#x0364;mmt. Wenn man aber die&#x017F;es als gewiß zum vor-<lb/>
aus&#x017F;etzet, wie es denn mehr als zu gewiß i&#x017F;t, &#x017F;o kan das<lb/>
Umdrehen der Erde nimmermehr von dem Auf&#x017F;chwellen<lb/>
des Wa&#x017F;&#x017F;ers unter dem Monde hergeleitet werden.<lb/>
Denn wu&#x0364;rde &#x017F;ich wohl eine Kugel herumdrehen, wenn &#x017F;ie<lb/>
von einer Kraft derge&#x017F;talt gedruckt wu&#x0364;rde, daß die <hi rendition="#fr">Dire-<lb/>
ctionslinie</hi> die&#x017F;er Kraft durch den Mittelpunct der Kugel<lb/>
gienge? Wenn man ein Gewichte an die Kugel ha&#x0364;nget,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;ts ganz was anders, denn die <hi rendition="#fr">Directionslinie</hi> des<lb/>
Gewichts fa&#x0364;llt niemals durch den Mittelpunct der Kugel,<lb/>
als wenn es oben darauf in den <hi rendition="#fr">Zenith</hi> lieget, in diefen<lb/>
Falle aber wird &#x017F;ich auch die Kugel niemals bewegen.<lb/>
Zum dritten i&#x017F;t die anziehende Kraft des Mondens eine<lb/>
Kraft die der Schwere der irdi&#x017F;chen Ko&#x0364;rper gerade entge-<lb/>
gen ge&#x017F;etzt i&#x017F;t. Die&#x017F;em aber zu folge wird das Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
unter dem Monde leichter gemacht, und zwar gerade um<lb/>
&#x017F;o viel leichter, als es durch &#x017F;eine gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere Menge die<lb/>
Schwere der Erde auf der einen Seite ha&#x0364;tte vermehren<lb/>
ko&#x0364;nnen. Eine neue Probe, daß nicht alle artige Erfin-<lb/>
dungen wahr &#x017F;ind, und daß man &#x017F;ich in der Naturlehre<lb/>
&#x017F;ehr in acht nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, von einem a&#x0364;hnlichen Falle auf<lb/>
einen andern einen Schluß zu machen, wenn man vor-<lb/>
her nicht recht gewiß ver&#x017F;ichert i&#x017F;t, daß alle no&#x0364;thigen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde die &#x017F;ich bey dem einen befinden, auch bey dem an-<lb/>
dern anzutreffen &#x017F;ind.</p>
      </div><lb/>
      <fw place="bottom" type="catch">§. 95.</fw><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0184] Geſchichte der Erde wollte, ſo iſt doch noch ein anderer vorhanden, welcher nimmermehr gehoben werden kan, und die ganze Sache ohnmoͤglich macht. Die Schwere iſt nicht eine Kraft de- ren Directionslinie mit dem Radio der Erden einen rech- ten Winkel macht, durchaus nicht, ſondern es iſt eine Kraft, die gegen den Mittelpunct der Erde gerichtet iſt, deren Directionslinie alſo mit dem Radio der Erde uͤber- einkoͤmmt. Wenn man aber dieſes als gewiß zum vor- ausſetzet, wie es denn mehr als zu gewiß iſt, ſo kan das Umdrehen der Erde nimmermehr von dem Aufſchwellen des Waſſers unter dem Monde hergeleitet werden. Denn wuͤrde ſich wohl eine Kugel herumdrehen, wenn ſie von einer Kraft dergeſtalt gedruckt wuͤrde, daß die Dire- ctionslinie dieſer Kraft durch den Mittelpunct der Kugel gienge? Wenn man ein Gewichte an die Kugel haͤnget, ſo iſts ganz was anders, denn die Directionslinie des Gewichts faͤllt niemals durch den Mittelpunct der Kugel, als wenn es oben darauf in den Zenith lieget, in diefen Falle aber wird ſich auch die Kugel niemals bewegen. Zum dritten iſt die anziehende Kraft des Mondens eine Kraft die der Schwere der irdiſchen Koͤrper gerade entge- gen geſetzt iſt. Dieſem aber zu folge wird das Waſſer unter dem Monde leichter gemacht, und zwar gerade um ſo viel leichter, als es durch ſeine groͤſſere Menge die Schwere der Erde auf der einen Seite haͤtte vermehren koͤnnen. Eine neue Probe, daß nicht alle artige Erfin- dungen wahr ſind, und daß man ſich in der Naturlehre ſehr in acht nehmen muͤſſe, von einem aͤhnlichen Falle auf einen andern einen Schluß zu machen, wenn man vor- her nicht recht gewiß verſichert iſt, daß alle noͤthigen Um- ſtaͤnde die ſich bey dem einen befinden, auch bey dem an- dern anzutreffen ſind. §. 95.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/184
Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/184>, abgerufen am 19.07.2024.