Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.in den allerältesten Zeten. gen hätte. Ja ich habe dieses nicht einmal zu besorgen,weil meine Geschichte von der Art sind, daß sie sich zuge- tragen haben, ehe Zeitrechner und Geschichtsschreiber ge- wesen sind. Die Naturkündiger allein sind im Stande meinen Geschichten die Glaubwürdigkeit streitig zu machen. Sie sind die Ausleger der allerältesten Schrift, welche man das Buch der Natur nennet; und wie sehr werde ich mich freuen, wenn sie mir aus ihren Archiven Nachrichten von Begebenheiten mittheilen werden, welche noch älter sind, als diejenigen, so ich erzehlt habe. Dergleichen Nach- richten haben sich allemal ihren Beyfall zu versprechen. Denn die meisten Menschen haben eine solche Ehrerbie- tung gegen das Alterthum, welche die Grenzen der Ver- nunft überschreitet, und ihnen angebohren zu seyn schei- net. Habe ich mir nicht sagen lassen, daß die Chineser ein sonst kluges Volk ein Buch haben, das sie blos darum als göttlich verehren, weil es sehr alt ist, ohngeachtet nichts, als Striche darinnen befindlich sind, von denen der Herr von Leibnitz gezeigt hat, daß sie die Zahlen bedeu- ten. Warum trotzen viele auf das Alterthum ihres Her- kommens, welche sonst keine Verdienste haben, geschieht es nicht darum, weil sie als ausgemacht zum voraussetzen, daß alles vortrefflich sey, was da sehr alt ist. Warum bewundern die Sprachverständigen den Ausdruck eines al- ten Scribenden, welchen sie bey einen neuern verlachen würden? Warum erblicken wir in den Gedichten der Poe- ten so viele heydnische Götter, und Ausdrücke von Aben- theuren, um welcher willen man den Don Quixotte verspottet. Warum glaubt man, daß die Moral nicht prächtig genug sey, wenn man sie nicht mit den Aussprü- chen des Socrates und Seneca gewürzt hat. War- um hält man öfters ein von Motten zerfressenes Kleid so hoch, daß man es keinen gegen zehn neue vertauschen würde? Geschiehet dieses nicht alles blos darum, weil es Sachen sind, die sich aus dem Alterthume herschreiben. Aber
in den alleraͤlteſten Zeten. gen haͤtte. Ja ich habe dieſes nicht einmal zu beſorgen,weil meine Geſchichte von der Art ſind, daß ſie ſich zuge- tragen haben, ehe Zeitrechner und Geſchichtsſchreiber ge- weſen ſind. Die Naturkuͤndiger allein ſind im Stande meinen Geſchichten die Glaubwuͤrdigkeit ſtreitig zu machen. Sie ſind die Ausleger der alleraͤlteſten Schrift, welche man das Buch der Natur nennet; und wie ſehr werde ich mich freuen, wenn ſie mir aus ihren Archiven Nachrichten von Begebenheiten mittheilen werden, welche noch aͤlter ſind, als diejenigen, ſo ich erzehlt habe. Dergleichen Nach- richten haben ſich allemal ihren Beyfall zu verſprechen. Denn die meiſten Menſchen haben eine ſolche Ehrerbie- tung gegen das Alterthum, welche die Grenzen der Ver- nunft uͤberſchreitet, und ihnen angebohren zu ſeyn ſchei- net. Habe ich mir nicht ſagen laſſen, daß die Chineſer ein ſonſt kluges Volk ein Buch haben, das ſie blos darum als goͤttlich verehren, weil es ſehr alt iſt, ohngeachtet nichts, als Striche darinnen befindlich ſind, von denen der Herr von Leibnitz gezeigt hat, daß ſie die Zahlen bedeu- ten. Warum trotzen viele auf das Alterthum ihres Her- kommens, welche ſonſt keine Verdienſte haben, geſchieht es nicht darum, weil ſie als ausgemacht zum vorausſetzen, daß alles vortrefflich ſey, was da ſehr alt iſt. Warum bewundern die Sprachverſtaͤndigen den Ausdruck eines al- ten Scribenden, welchen ſie bey einen neuern verlachen wuͤrden? Warum erblicken wir in den Gedichten der Poe- ten ſo viele heydniſche Goͤtter, und Ausdruͤcke von Aben- theuren, um welcher willen man den Don Quixotte verſpottet. Warum glaubt man, daß die Moral nicht praͤchtig genug ſey, wenn man ſie nicht mit den Ausſpruͤ- chen des Socrates und Seneca gewuͤrzt hat. War- um haͤlt man oͤfters ein von Motten zerfreſſenes Kleid ſo hoch, daß man es keinen gegen zehn neue vertauſchen wuͤrde? Geſchiehet dieſes nicht alles blos darum, weil es Sachen ſind, die ſich aus dem Alterthume herſchreiben. Aber
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in den alleraͤlteſten Zeten.
gen haͤtte. Ja ich habe dieſes nicht einmal zu beſorgen,
weil meine Geſchichte von der Art ſind, daß ſie ſich zuge-
tragen haben, ehe Zeitrechner und Geſchichtsſchreiber ge-
weſen ſind. Die Naturkuͤndiger allein ſind im Stande
meinen Geſchichten die Glaubwuͤrdigkeit ſtreitig zu machen.
Sie ſind die Ausleger der alleraͤlteſten Schrift, welche man
das Buch der Natur nennet; und wie ſehr werde ich mich
freuen, wenn ſie mir aus ihren Archiven Nachrichten von
Begebenheiten mittheilen werden, welche noch aͤlter ſind,
als diejenigen, ſo ich erzehlt habe. Dergleichen Nach-
richten haben ſich allemal ihren Beyfall zu verſprechen.
Denn die meiſten Menſchen haben eine ſolche Ehrerbie-
tung gegen das Alterthum, welche die Grenzen der Ver-
nunft uͤberſchreitet, und ihnen angebohren zu ſeyn ſchei-
net. Habe ich mir nicht ſagen laſſen, daß die Chineſer
ein ſonſt kluges Volk ein Buch haben, das ſie blos darum
als goͤttlich verehren, weil es ſehr alt iſt, ohngeachtet
nichts, als Striche darinnen befindlich ſind, von denen der
Herr von Leibnitz gezeigt hat, daß ſie die Zahlen bedeu-
ten. Warum trotzen viele auf das Alterthum ihres Her-
kommens, welche ſonſt keine Verdienſte haben, geſchieht
es nicht darum, weil ſie als ausgemacht zum vorausſetzen,
daß alles vortrefflich ſey, was da ſehr alt iſt. Warum
bewundern die Sprachverſtaͤndigen den Ausdruck eines al-
ten Scribenden, welchen ſie bey einen neuern verlachen
wuͤrden? Warum erblicken wir in den Gedichten der Poe-
ten ſo viele heydniſche Goͤtter, und Ausdruͤcke von Aben-
theuren, um welcher willen man den Don Quixotte
verſpottet. Warum glaubt man, daß die Moral nicht
praͤchtig genug ſey, wenn man ſie nicht mit den Ausſpruͤ-
chen des Socrates und Seneca gewuͤrzt hat. War-
um haͤlt man oͤfters ein von Motten zerfreſſenes Kleid ſo
hoch, daß man es keinen gegen zehn neue vertauſchen
wuͤrde? Geſchiehet dieſes nicht alles blos darum, weil es
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