Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.Geschichte der Erde schilt, ohnerachtet dieienigen, welche ihn so nennen,nicht selten viel blinder sind, als Aristoteles gewesen. Vor den Zeiten des Cartesius hätte ich dieses keinen ra- then wollen, denn damals fehlte nicht viel, daß man die Lehren des Aristoteles unter die Glaubensartickul gesetzt hätte, und hätte er alsdenn nicht Hoffnung gehabt, mit der Zeit wenigstens ein halber Heiliger zu werden, die Lehrer nahmen sich seiner nachdrücklich an, und hiel- ten den für einen Ketzer, welcher sich unterstund diesem Lichte des menschlichen Geschlechts zu widersprechen; da- her durfte auch auf hohen Schulen keine andere, als die aristotelische Philosophie gelehret werden, und die Beweis- thümer aller zu der Weltweisheit gehörigen Schriften, waren nichts anders, als eine Anführung eines Satzes aus der aristotelischen Philosophie, ja es fehlete nicht viel, daß man die Lehren dieses Griechen nicht für göttlich erklä- rete, man fieng schon an dieses zu thun, und es behau p- teten einige Gelehrten in rechten Ernste, es könne der A- ristoteles eine so grosse Weisheit unmöglich aus natür- lichen Kräften erlangt haben, sondern er hätte sie aus den Schriften des Königs Salomons gestohlen, und sich her- nach damit als mit seiner eigenen Erfindung breit gemacht. Diesen Abgott, dieses Orackel der Gelehrten sties Carte- sius von dem Thron, und wir haben Ursache ihn dafür verbunden zu seyn. Vielleicht sässen wir, wenn dieses nicht geschehen wäre, in der Naturlehre noch itzo in der- jenigen Finsternis, die man in den Schriften, welche vor den Zeiten des Cartesius herausgekommen sind nicht gnug- sam bewundern kann. Wir haben indessen hieran ein deutliches Beyspiel von der Nichtigkeit der Ehre eines Ge- lehrten, welche doch ordentlicher weise die Triebfeder ih- rer Handlungen zu seyn pflegt, denn Haller hat ganz recht, wenn er von der Ehre schreibt: Dein Feuer füllt die grösten Geister Du lehrest Künst' und machest Meister Durch
Geſchichte der Erde ſchilt, ohnerachtet dieienigen, welche ihn ſo nennen,nicht ſelten viel blinder ſind, als Ariſtoteles geweſen. Vor den Zeiten des Carteſius haͤtte ich dieſes keinen ra- then wollen, denn damals fehlte nicht viel, daß man die Lehren des Ariſtoteles unter die Glaubensartickul geſetzt haͤtte, und haͤtte er alsdenn nicht Hoffnung gehabt, mit der Zeit wenigſtens ein halber Heiliger zu werden, die Lehrer nahmen ſich ſeiner nachdruͤcklich an, und hiel- ten den fuͤr einen Ketzer, welcher ſich unterſtund dieſem Lichte des menſchlichen Geſchlechts zu widerſprechen; da- her durfte auch auf hohen Schulen keine andere, als die ariſtoteliſche Philoſophie gelehret werden, und die Beweis- thuͤmer aller zu der Weltweisheit gehoͤrigen Schriften, waren nichts anders, als eine Anfuͤhrung eines Satzes aus der ariſtoteliſchen Philoſophie, ja es fehlete nicht viel, daß man die Lehren dieſes Griechen nicht fuͤr goͤttlich erklaͤ- rete, man fieng ſchon an dieſes zu thun, und es behau p- teten einige Gelehrten in rechten Ernſte, es koͤnne der A- riſtoteles eine ſo groſſe Weisheit unmoͤglich aus natuͤr- lichen Kraͤften erlangt haben, ſondern er haͤtte ſie aus den Schriften des Koͤnigs Salomons geſtohlen, und ſich her- nach damit als mit ſeiner eigenen Erfindung breit gemacht. Dieſen Abgott, dieſes Orackel der Gelehrten ſties Carte- ſius von dem Thron, und wir haben Urſache ihn dafuͤr verbunden zu ſeyn. Vielleicht ſaͤſſen wir, wenn dieſes nicht geſchehen waͤre, in der Naturlehre noch itzo in der- jenigen Finſternis, die man in den Schriften, welche vor den Zeiten des Carteſius herausgekommen ſind nicht gnug- ſam bewundern kann. Wir haben indeſſen hieran ein deutliches Beyſpiel von der Nichtigkeit der Ehre eines Ge- lehrten, welche doch ordentlicher weiſe die Triebfeder ih- rer Handlungen zu ſeyn pflegt, denn Haller hat ganz recht, wenn er von der Ehre ſchreibt: Dein Feuer fuͤllt die groͤſten Geiſter Du lehreſt Kuͤnſt’ und macheſt Meiſter Durch
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0042" n="34"/><fw place="top" type="header">Geſchichte der Erde</fw><lb/> ſchilt, ohnerachtet dieienigen, welche ihn ſo nennen,<lb/> nicht ſelten viel blinder ſind, als <hi rendition="#fr">Ariſtoteles</hi> geweſen.<lb/> Vor den Zeiten des <hi rendition="#fr">Carteſius</hi> haͤtte ich dieſes keinen ra-<lb/> then wollen, denn damals fehlte nicht viel, daß man die<lb/> Lehren des <hi rendition="#fr">Ariſtoteles</hi> unter die Glaubensartickul geſetzt<lb/> haͤtte, und haͤtte er alsdenn nicht Hoffnung gehabt, mit<lb/> der Zeit wenigſtens ein halber Heiliger zu werden, die<lb/> Lehrer nahmen ſich ſeiner nachdruͤcklich an, und hiel-<lb/> ten den fuͤr einen Ketzer, welcher ſich unterſtund dieſem<lb/> Lichte des menſchlichen Geſchlechts zu widerſprechen; da-<lb/> her durfte auch auf hohen Schulen keine andere, als die<lb/> ariſtoteliſche Philoſophie gelehret werden, und die Beweis-<lb/> thuͤmer aller zu der Weltweisheit gehoͤrigen Schriften,<lb/> waren nichts anders, als eine Anfuͤhrung eines Satzes<lb/> aus der ariſtoteliſchen Philoſophie, ja es fehlete nicht viel,<lb/> daß man die Lehren dieſes Griechen nicht fuͤr goͤttlich erklaͤ-<lb/> rete, man fieng ſchon an dieſes zu thun, und es behau p-<lb/> teten einige Gelehrten in rechten Ernſte, es koͤnne der <hi rendition="#fr">A-<lb/> riſtoteles</hi> eine ſo groſſe Weisheit unmoͤglich aus natuͤr-<lb/> lichen Kraͤften erlangt haben, ſondern er haͤtte ſie aus den<lb/> Schriften des Koͤnigs Salomons geſtohlen, und ſich her-<lb/> nach damit als mit ſeiner eigenen Erfindung breit gemacht.<lb/> Dieſen Abgott, dieſes Orackel der Gelehrten ſties <hi rendition="#fr">Carte-<lb/> ſius</hi> von dem Thron, und wir haben Urſache ihn dafuͤr<lb/> verbunden zu ſeyn. Vielleicht ſaͤſſen wir, wenn dieſes<lb/> nicht geſchehen waͤre, in der Naturlehre noch itzo in der-<lb/> jenigen Finſternis, die man in den Schriften, welche vor den<lb/> Zeiten des <hi rendition="#fr">Carteſius</hi> herausgekommen ſind nicht gnug-<lb/> ſam bewundern kann. Wir haben indeſſen hieran ein<lb/> deutliches Beyſpiel von der Nichtigkeit der Ehre eines Ge-<lb/> lehrten, welche doch ordentlicher weiſe die Triebfeder ih-<lb/> rer Handlungen zu ſeyn pflegt, denn <hi rendition="#fr">Haller</hi> hat ganz<lb/> recht, wenn er von der Ehre ſchreibt:</p><lb/> <lg type="poem"> <l> <hi rendition="#fr">Dein Feuer fuͤllt die groͤſten Geiſter</hi> </l><lb/> <l> <hi rendition="#fr">Du lehreſt Kuͤnſt’ und macheſt Meiſter</hi> </l><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Durch</hi> </fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [34/0042]
Geſchichte der Erde
ſchilt, ohnerachtet dieienigen, welche ihn ſo nennen,
nicht ſelten viel blinder ſind, als Ariſtoteles geweſen.
Vor den Zeiten des Carteſius haͤtte ich dieſes keinen ra-
then wollen, denn damals fehlte nicht viel, daß man die
Lehren des Ariſtoteles unter die Glaubensartickul geſetzt
haͤtte, und haͤtte er alsdenn nicht Hoffnung gehabt, mit
der Zeit wenigſtens ein halber Heiliger zu werden, die
Lehrer nahmen ſich ſeiner nachdruͤcklich an, und hiel-
ten den fuͤr einen Ketzer, welcher ſich unterſtund dieſem
Lichte des menſchlichen Geſchlechts zu widerſprechen; da-
her durfte auch auf hohen Schulen keine andere, als die
ariſtoteliſche Philoſophie gelehret werden, und die Beweis-
thuͤmer aller zu der Weltweisheit gehoͤrigen Schriften,
waren nichts anders, als eine Anfuͤhrung eines Satzes
aus der ariſtoteliſchen Philoſophie, ja es fehlete nicht viel,
daß man die Lehren dieſes Griechen nicht fuͤr goͤttlich erklaͤ-
rete, man fieng ſchon an dieſes zu thun, und es behau p-
teten einige Gelehrten in rechten Ernſte, es koͤnne der A-
riſtoteles eine ſo groſſe Weisheit unmoͤglich aus natuͤr-
lichen Kraͤften erlangt haben, ſondern er haͤtte ſie aus den
Schriften des Koͤnigs Salomons geſtohlen, und ſich her-
nach damit als mit ſeiner eigenen Erfindung breit gemacht.
Dieſen Abgott, dieſes Orackel der Gelehrten ſties Carte-
ſius von dem Thron, und wir haben Urſache ihn dafuͤr
verbunden zu ſeyn. Vielleicht ſaͤſſen wir, wenn dieſes
nicht geſchehen waͤre, in der Naturlehre noch itzo in der-
jenigen Finſternis, die man in den Schriften, welche vor den
Zeiten des Carteſius herausgekommen ſind nicht gnug-
ſam bewundern kann. Wir haben indeſſen hieran ein
deutliches Beyſpiel von der Nichtigkeit der Ehre eines Ge-
lehrten, welche doch ordentlicher weiſe die Triebfeder ih-
rer Handlungen zu ſeyn pflegt, denn Haller hat ganz
recht, wenn er von der Ehre ſchreibt:
Dein Feuer fuͤllt die groͤſten Geiſter
Du lehreſt Kuͤnſt’ und macheſt Meiſter
Durch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |