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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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heißen Temperaments ist. Die Welt verachtet sie, wenn sie
nicht Herrin bleibt ihrer Triebe. Solche Selbstzucht aber auch
von sich zu verlangen, ist den meisten der Männer, obwohl
sie sich so gern das starke Geschlecht nennen lassen, zu schwierig
oder zu lästig. Sie nehmen Genuß, wo immer er sich bietet.
Sie verlangen nach Frauen, die ihnen zu Willen sind, hinterher
aber verachten sie - nicht sich selbst, wohl aber die
Frauen und stellen sie unter schmachvolle Ausnahmegesetze.

Jch will sicher nicht Splitterrichter sein. Jch weiß, wie
schwer es dem Manne gemacht wird, sich nicht gehen zu lassen,
weiß aber auch - als Frau -, wie unendlich schwer vielen
Frauen ihr unfreiwilliges Asketentum fällt. Nur daß wir
Frauen uns des Kampfes gegen unser heißblütiges Tempera-
ment nicht rühmen, ihn vielmehr als selbstverständlich ansehen
und daß wir es - trotzdem wir mehr als 5 Millionen ehe-
mündige, unverheiratete und verwitwete Frauen in Deutsch-
land zählen - weit von uns weisen, gleich dem Manne zu
rufen: "Asketentum ist uns unmöglich. Staat! garantiere uns
ungefährlichen, zügellosen Geschlechtsverkehr."

So lange Mann und Frau so grundverschieden denken
und handeln, so lange der Mann die Selbstbeherrschung, die
er von den Frauen erwartet, als seine Kraft übersteigend
erklärt, so lange für den Mann eine andere Moral, andere
Sittengesetze gelten als für die Frau, so lange wird Unzucht
und Unsittlichkeit nicht aus der Welt verschwinden, so lange
ist der Kampf um Einschränkung der Prostitution ganz ver-
geblich.

Man sage nicht, das Leben, das der Mann vor der Ehe
führe, gehe die "ehrbaren" Frauen nichts an. Scheut sich
doch selbst der abgelebteste Lebemann nicht, in den Kreisen der
besten Gesellschaft zu verkehren, ein junges gesundes, ihm ver-

heißen Temperaments ist. Die Welt verachtet sie, wenn sie
nicht Herrin bleibt ihrer Triebe. Solche Selbstzucht aber auch
von sich zu verlangen, ist den meisten der Männer, obwohl
sie sich so gern das starke Geschlecht nennen lassen, zu schwierig
oder zu lästig. Sie nehmen Genuß, wo immer er sich bietet.
Sie verlangen nach Frauen, die ihnen zu Willen sind, hinterher
aber verachten sie – nicht sich selbst, wohl aber die
Frauen und stellen sie unter schmachvolle Ausnahmegesetze.

Jch will sicher nicht Splitterrichter sein. Jch weiß, wie
schwer es dem Manne gemacht wird, sich nicht gehen zu lassen,
weiß aber auch – als Frau –, wie unendlich schwer vielen
Frauen ihr unfreiwilliges Asketentum fällt. Nur daß wir
Frauen uns des Kampfes gegen unser heißblütiges Tempera-
ment nicht rühmen, ihn vielmehr als selbstverständlich ansehen
und daß wir es – trotzdem wir mehr als 5 Millionen ehe-
mündige, unverheiratete und verwitwete Frauen in Deutsch-
land zählen – weit von uns weisen, gleich dem Manne zu
rufen: „Asketentum ist uns unmöglich. Staat! garantiere uns
ungefährlichen, zügellosen Geschlechtsverkehr.“

So lange Mann und Frau so grundverschieden denken
und handeln, so lange der Mann die Selbstbeherrschung, die
er von den Frauen erwartet, als seine Kraft übersteigend
erklärt, so lange für den Mann eine andere Moral, andere
Sittengesetze gelten als für die Frau, so lange wird Unzucht
und Unsittlichkeit nicht aus der Welt verschwinden, so lange
ist der Kampf um Einschränkung der Prostitution ganz ver-
geblich.

Man sage nicht, das Leben, das der Mann vor der Ehe
führe, gehe die „ehrbaren“ Frauen nichts an. Scheut sich
doch selbst der abgelebteste Lebemann nicht, in den Kreisen der
besten Gesellschaft zu verkehren, ein junges gesundes, ihm ver-

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[143/0153] heißen Temperaments ist. Die Welt verachtet sie, wenn sie nicht Herrin bleibt ihrer Triebe. Solche Selbstzucht aber auch von sich zu verlangen, ist den meisten der Männer, obwohl sie sich so gern das starke Geschlecht nennen lassen, zu schwierig oder zu lästig. Sie nehmen Genuß, wo immer er sich bietet. Sie verlangen nach Frauen, die ihnen zu Willen sind, hinterher aber verachten sie – nicht sich selbst, wohl aber die Frauen und stellen sie unter schmachvolle Ausnahmegesetze. Jch will sicher nicht Splitterrichter sein. Jch weiß, wie schwer es dem Manne gemacht wird, sich nicht gehen zu lassen, weiß aber auch – als Frau –, wie unendlich schwer vielen Frauen ihr unfreiwilliges Asketentum fällt. Nur daß wir Frauen uns des Kampfes gegen unser heißblütiges Tempera- ment nicht rühmen, ihn vielmehr als selbstverständlich ansehen und daß wir es – trotzdem wir mehr als 5 Millionen ehe- mündige, unverheiratete und verwitwete Frauen in Deutsch- land zählen – weit von uns weisen, gleich dem Manne zu rufen: „Asketentum ist uns unmöglich. Staat! garantiere uns ungefährlichen, zügellosen Geschlechtsverkehr.“ So lange Mann und Frau so grundverschieden denken und handeln, so lange der Mann die Selbstbeherrschung, die er von den Frauen erwartet, als seine Kraft übersteigend erklärt, so lange für den Mann eine andere Moral, andere Sittengesetze gelten als für die Frau, so lange wird Unzucht und Unsittlichkeit nicht aus der Welt verschwinden, so lange ist der Kampf um Einschränkung der Prostitution ganz ver- geblich. Man sage nicht, das Leben, das der Mann vor der Ehe führe, gehe die „ehrbaren“ Frauen nichts an. Scheut sich doch selbst der abgelebteste Lebemann nicht, in den Kreisen der besten Gesellschaft zu verkehren, ein junges gesundes, ihm ver-

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/153>, abgerufen am 24.11.2024.