Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

den zu entziehen. Und doch würde dies möglich sein, wenn
die Polizei alle die Lokale schlöße, die durch bunte Laternen,
schamlose Reklame die Jugend anlocken und die, wie die Po-
lizei nur zu gut weiß, nichts anders sind, als Stätten der Un-
zucht. - Es würde einen großen Fortschritt bedeuten, wenn
es gelänge, die öffentliche Anreizung und Anprei-
sung
zur Unsittlichkeit zu unterdrücken, denn erst durch diese,
d.h. durch die Verführung, wird ein großer Teil der
Jugend beiderlei Geschlechts dem Laster zugeführt."

Da nun aber die Gefahr der Verseuchung unseres Volkes
durch die Geschlechtskrankheiten droht, so sind auch in dieser Hin-
sicht Reformen nötig. Gegen eine Anzeigepflicht der Aerzte,
entsprechend der Anzeigepflicht bei anderen ansteckenden Krank-
heiten, wehren sich erfahrene Mediziner, da sie fürchten, daß
allzuviel Kranke dadurch zurückgehalten würden, den Arzt auf-
zusuchen, daß sie Kurpfuschern dadurch in die Hände fallen
und ihr Zustand dadurch noch gemeingefährlicher werden könne.
- Eine Bestrafung der Ansteckung würde - auf Antrag -
wohl möglich sein, würde aber wohl nur in verschwindend
wenig Fällen gestellt werden. Jn erster Linie, scheint die
Krankenversicherung berufen, Wandel zu schaffen. Auf
Einzelvorschläge hier einzugehen würde jedoch zu weit führen.

Beachtenswert ist fernerhin der Vorschlag, daß angesichts
der großen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten vom Manne
beim Eintritt in die Ehe ein Gesundheitsattest zu
verlangen sei. Oder es wird vielleicht möglich sein - wie Frau
Scheven, die Vorsitzende der Dresdener Föderation, vorschlägt
- dem Arzt die Erlaubnis zu geben, auf Anfrage von interes-
sierter
Seite, z. B. dem Vater der Braut, Mitteilung über den
Gesundheitszustand des Mannes zu machen. Zu solcher Mittei-
lung müsse der Arzt event. auch dann berechtigt sein, wenn

Krukenberg, Frauenbewegung. 11

den zu entziehen. Und doch würde dies möglich sein, wenn
die Polizei alle die Lokale schlöße, die durch bunte Laternen,
schamlose Reklame die Jugend anlocken und die, wie die Po-
lizei nur zu gut weiß, nichts anders sind, als Stätten der Un-
zucht. – Es würde einen großen Fortschritt bedeuten, wenn
es gelänge, die öffentliche Anreizung und Anprei-
sung
zur Unsittlichkeit zu unterdrücken, denn erst durch diese,
d.h. durch die Verführung, wird ein großer Teil der
Jugend beiderlei Geschlechts dem Laster zugeführt.“

Da nun aber die Gefahr der Verseuchung unseres Volkes
durch die Geschlechtskrankheiten droht, so sind auch in dieser Hin-
sicht Reformen nötig. Gegen eine Anzeigepflicht der Aerzte,
entsprechend der Anzeigepflicht bei anderen ansteckenden Krank-
heiten, wehren sich erfahrene Mediziner, da sie fürchten, daß
allzuviel Kranke dadurch zurückgehalten würden, den Arzt auf-
zusuchen, daß sie Kurpfuschern dadurch in die Hände fallen
und ihr Zustand dadurch noch gemeingefährlicher werden könne.
– Eine Bestrafung der Ansteckung würde – auf Antrag –
wohl möglich sein, würde aber wohl nur in verschwindend
wenig Fällen gestellt werden. Jn erster Linie, scheint die
Krankenversicherung berufen, Wandel zu schaffen. Auf
Einzelvorschläge hier einzugehen würde jedoch zu weit führen.

Beachtenswert ist fernerhin der Vorschlag, daß angesichts
der großen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten vom Manne
beim Eintritt in die Ehe ein Gesundheitsattest zu
verlangen sei. Oder es wird vielleicht möglich sein – wie Frau
Scheven, die Vorsitzende der Dresdener Föderation, vorschlägt
– dem Arzt die Erlaubnis zu geben, auf Anfrage von interes-
sierter
Seite, z. B. dem Vater der Braut, Mitteilung über den
Gesundheitszustand des Mannes zu machen. Zu solcher Mittei-
lung müsse der Arzt event. auch dann berechtigt sein, wenn

Krukenberg, Frauenbewegung. 11
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0171" n="161"/>
den zu entziehen. Und doch würde dies möglich sein, wenn<lb/>
die Polizei alle die Lokale schlöße, die durch bunte Laternen,<lb/>
schamlose Reklame die Jugend anlocken und die, wie die Po-<lb/>
lizei nur zu gut weiß, nichts anders sind, als Stätten der Un-<lb/>
zucht. &#x2013; Es würde einen großen Fortschritt bedeuten, wenn<lb/>
es gelänge, die <hi rendition="#g">öffentliche Anreizung</hi> und <hi rendition="#g">Anprei-<lb/>
sung</hi> zur Unsittlichkeit zu unterdrücken, denn erst durch diese,<lb/>
d.h. durch die <hi rendition="#g">Verführung</hi>, wird ein großer Teil der<lb/>
Jugend beiderlei Geschlechts dem Laster zugeführt.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da nun aber die Gefahr der Verseuchung unseres Volkes<lb/>
durch die Geschlechtskrankheiten droht, so sind auch in dieser Hin-<lb/>
sicht Reformen nötig. Gegen eine <hi rendition="#g">Anzeigepflicht der Aerzte</hi>,<lb/>
entsprechend der Anzeigepflicht bei anderen ansteckenden Krank-<lb/>
heiten, wehren sich erfahrene Mediziner, da sie fürchten, daß<lb/>
allzuviel Kranke dadurch zurückgehalten würden, den Arzt auf-<lb/>
zusuchen, daß sie Kurpfuschern dadurch in die Hände fallen<lb/>
und ihr Zustand dadurch noch gemeingefährlicher werden könne.<lb/>
&#x2013; Eine <hi rendition="#g">Bestrafung der Ansteckung</hi> würde &#x2013; auf Antrag &#x2013;<lb/>
wohl möglich sein, würde aber wohl nur in verschwindend<lb/>
wenig Fällen gestellt werden. Jn erster Linie, scheint die<lb/><hi rendition="#g">Krankenversicherung</hi> berufen, Wandel zu schaffen. Auf<lb/>
Einzelvorschläge hier einzugehen würde jedoch zu weit führen.</p><lb/>
        <p>Beachtenswert ist fernerhin der Vorschlag, daß angesichts<lb/>
der großen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten vom Manne<lb/>
beim Eintritt in die Ehe ein <hi rendition="#g">Gesundheitsattest</hi> zu<lb/>
verlangen sei. Oder es wird vielleicht möglich sein &#x2013; wie Frau<lb/><hi rendition="#g">Scheven</hi>, die Vorsitzende der Dresdener Föderation, vorschlägt<lb/>
&#x2013; dem Arzt die Erlaubnis zu geben, auf Anfrage von <hi rendition="#g">interes-<lb/>
sierter</hi> Seite, z. B. dem Vater der Braut, Mitteilung über den<lb/>
Gesundheitszustand des Mannes zu machen. Zu solcher Mittei-<lb/>
lung müsse der Arzt event. auch dann berechtigt sein, wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Krukenberg,</hi> Frauenbewegung. 11</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[161/0171] den zu entziehen. Und doch würde dies möglich sein, wenn die Polizei alle die Lokale schlöße, die durch bunte Laternen, schamlose Reklame die Jugend anlocken und die, wie die Po- lizei nur zu gut weiß, nichts anders sind, als Stätten der Un- zucht. – Es würde einen großen Fortschritt bedeuten, wenn es gelänge, die öffentliche Anreizung und Anprei- sung zur Unsittlichkeit zu unterdrücken, denn erst durch diese, d.h. durch die Verführung, wird ein großer Teil der Jugend beiderlei Geschlechts dem Laster zugeführt.“ Da nun aber die Gefahr der Verseuchung unseres Volkes durch die Geschlechtskrankheiten droht, so sind auch in dieser Hin- sicht Reformen nötig. Gegen eine Anzeigepflicht der Aerzte, entsprechend der Anzeigepflicht bei anderen ansteckenden Krank- heiten, wehren sich erfahrene Mediziner, da sie fürchten, daß allzuviel Kranke dadurch zurückgehalten würden, den Arzt auf- zusuchen, daß sie Kurpfuschern dadurch in die Hände fallen und ihr Zustand dadurch noch gemeingefährlicher werden könne. – Eine Bestrafung der Ansteckung würde – auf Antrag – wohl möglich sein, würde aber wohl nur in verschwindend wenig Fällen gestellt werden. Jn erster Linie, scheint die Krankenversicherung berufen, Wandel zu schaffen. Auf Einzelvorschläge hier einzugehen würde jedoch zu weit führen. Beachtenswert ist fernerhin der Vorschlag, daß angesichts der großen Verbreitung der Geschlechtskrankheiten vom Manne beim Eintritt in die Ehe ein Gesundheitsattest zu verlangen sei. Oder es wird vielleicht möglich sein – wie Frau Scheven, die Vorsitzende der Dresdener Föderation, vorschlägt – dem Arzt die Erlaubnis zu geben, auf Anfrage von interes- sierter Seite, z. B. dem Vater der Braut, Mitteilung über den Gesundheitszustand des Mannes zu machen. Zu solcher Mittei- lung müsse der Arzt event. auch dann berechtigt sein, wenn Krukenberg, Frauenbewegung. 11

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/171
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/171>, abgerufen am 25.05.2024.