Familien aus, die durch Trunksucht des Vaters ins Elend ge- raten. Auch von den Ehescheidungen (1892-1901 schwankten sie zwischen 836 und 984) kommen wohl viele auf Conto des Alkohols.
Jeder Besserung muß die Einsicht vorangehen. Daß solche Zustände einreißen konnten, lag zum großen Teil an mangelnder Einsicht. Ganz besonders die Aerzte haben durch Ueberschätzung des Alkohols lange Zeit verderbenbringenden Jrrtum verbreitet. Herzte aber stehen jetzt - soweit sich ihr Wissen auf diesem Gebiete geklärt und soweit sie bei sich selbst Herr über alt eingewurzelte Sitten zu werden vermochten, was leider nicht immer der Fall ist - an der Spitze der Anti- alkoholbewegung. Große Vereine - der Verein gegen Miß- brauch geistiger Getränke, Enthaltsamkeitsvereine verschiedenster Richtung, darunter auch der von Ottilie Hoffmann in Bremen begründete abstinente Frauenbund - haben durch ihre unermüdliche Arbeit viele von unseren, im Punkte der Alkoholfrage besonders empfindlichen Deutschen zum Nach- denken, wenn auch leider erst in geringem Umfange zur prak- tischen Umkehr, gebracht. Auch die Regierungen verschließen sich nicht mehr der Einsicht, daß systematisches, schon in der Schule beginnendes Bekämpfen der Alkoholseuche unabweis- bare Pflicht ist. Das Verteilen des "Merkblattes gegen den Alkohol" von seiten des Reichsgesundheitsamtes, die für die Volksschulen angeordnete Aufklärung über die verderblichen Folgen des Alkohols sind Zeugnis dafür. Selbst in einem als Weinland durch Vorgehen in dieser Frage besonders be- troffenen Landesteile, in der Rheinprovinz, verbreiteten die Blätter (Oktober 1904) folgenden Erlaß:
Einschränkung des übermäßigen Alkoholgenusses.
Aus den bisher erstatteten Berichten hat der Oberpräsident
Familien aus, die durch Trunksucht des Vaters ins Elend ge- raten. Auch von den Ehescheidungen (1892–1901 schwankten sie zwischen 836 und 984) kommen wohl viele auf Conto des Alkohols.
Jeder Besserung muß die Einsicht vorangehen. Daß solche Zustände einreißen konnten, lag zum großen Teil an mangelnder Einsicht. Ganz besonders die Aerzte haben durch Ueberschätzung des Alkohols lange Zeit verderbenbringenden Jrrtum verbreitet. Herzte aber stehen jetzt – soweit sich ihr Wissen auf diesem Gebiete geklärt und soweit sie bei sich selbst Herr über alt eingewurzelte Sitten zu werden vermochten, was leider nicht immer der Fall ist – an der Spitze der Anti- alkoholbewegung. Große Vereine – der Verein gegen Miß- brauch geistiger Getränke, Enthaltsamkeitsvereine verschiedenster Richtung, darunter auch der von Ottilie Hoffmann in Bremen begründete abstinente Frauenbund – haben durch ihre unermüdliche Arbeit viele von unseren, im Punkte der Alkoholfrage besonders empfindlichen Deutschen zum Nach- denken, wenn auch leider erst in geringem Umfange zur prak- tischen Umkehr, gebracht. Auch die Regierungen verschließen sich nicht mehr der Einsicht, daß systematisches, schon in der Schule beginnendes Bekämpfen der Alkoholseuche unabweis- bare Pflicht ist. Das Verteilen des „Merkblattes gegen den Alkohol“ von seiten des Reichsgesundheitsamtes, die für die Volksschulen angeordnete Aufklärung über die verderblichen Folgen des Alkohols sind Zeugnis dafür. Selbst in einem als Weinland durch Vorgehen in dieser Frage besonders be- troffenen Landesteile, in der Rheinprovinz, verbreiteten die Blätter (Oktober 1904) folgenden Erlaß:
Einschränkung des übermäßigen Alkoholgenusses.
Aus den bisher erstatteten Berichten hat der Oberpräsident
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Familien aus, die durch Trunksucht des Vaters ins Elend ge-
raten. Auch von den Ehescheidungen (1892–1901 schwankten
sie zwischen 836 und 984) kommen wohl viele auf Conto des
Alkohols.
Jeder Besserung muß die Einsicht vorangehen. Daß
solche Zustände einreißen konnten, lag zum großen Teil an
mangelnder Einsicht. Ganz besonders die Aerzte haben durch
Ueberschätzung des Alkohols lange Zeit verderbenbringenden
Jrrtum verbreitet. Herzte aber stehen jetzt – soweit sich ihr
Wissen auf diesem Gebiete geklärt und soweit sie bei sich selbst
Herr über alt eingewurzelte Sitten zu werden vermochten,
was leider nicht immer der Fall ist – an der Spitze der Anti-
alkoholbewegung. Große Vereine – der Verein gegen Miß-
brauch geistiger Getränke, Enthaltsamkeitsvereine verschiedenster
Richtung, darunter auch der von Ottilie Hoffmann in
Bremen begründete abstinente Frauenbund – haben durch
ihre unermüdliche Arbeit viele von unseren, im Punkte der
Alkoholfrage besonders empfindlichen Deutschen zum Nach-
denken, wenn auch leider erst in geringem Umfange zur prak-
tischen Umkehr, gebracht. Auch die Regierungen verschließen
sich nicht mehr der Einsicht, daß systematisches, schon in der
Schule beginnendes Bekämpfen der Alkoholseuche unabweis-
bare Pflicht ist. Das Verteilen des „Merkblattes gegen den
Alkohol“ von seiten des Reichsgesundheitsamtes, die für die
Volksschulen angeordnete Aufklärung über die verderblichen
Folgen des Alkohols sind Zeugnis dafür. Selbst in einem
als Weinland durch Vorgehen in dieser Frage besonders be-
troffenen Landesteile, in der Rheinprovinz, verbreiteten die
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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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