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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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keit ihre Zeit nützt, während die andere einem festen Berufe
nachgeht.

Alle Frauen aber sind im Vergleich zum Manne in ihrer
Bewegung außer dem Hause sehr gehemmt. Auch solche unter
ihnen, die daheim keinen eigenen Verkehr pflegen können, kön-
nen sich nicht, wie der Mann, außer dem Hause Ersatz suchen.
Für die Frau ist, auch wenn sie sonst selbständig lebt, der freie
ungezwungene Verkehr mit Bekannten, wie der Mann ihn
außer dem Hause pflegt, vorläufig kaum erreichbar. Und doch
wäre er recht gut möglich, auch wenn zunächst noch einige
Vorurteile zu überwinden wären, sobald der Mann
sich gewöhnen wollte, einer Frau auch außer dem
Hause mit Achtung zu begegnen
, selbst wenn
er ihr, was für die Berufsarbeiterin und für die allein-
stehende Frau, die nicht auf jeglichen Verkehr verzichten will,
doch geradezu unvermeidlich ist, in den Abendstunden allein
auf der Straße oder auch, ich möchte das ausdrücklich betonen,
ohne männlichen Schutz in einem Restaurant begegnet. War-
um sollen Frauen, die daheim keine Ansprache, keine Mög-
lichkeit freien Verkehrs haben oder die einmal etwas Abwechs-
lung wünschen, ihr Abendbrot nicht allein oder zu mehreren in
diesem und jenem Gasthause essen dürfen? Warum sollen
sie nicht, wenn sie Neigung dazu verspüren, wenn es
ihnen bequem erscheint, sich mit ihren Bekannten am dritten
Ort treffen, um bei einem Glas Wein oder Bier oder Limo-
nade dort eine Stunde zu verplaudern? Aber selbst mancher
sogenannt gebildete Mann scheint eine allein ein Restaurant
besuchende oder auch ihm abends nach neun Uhr allein auf
der Straße begegnende Frau einfach als vogelfrei anzusehen.
Daher das Belästigen alleingehender Frauen, das ganz un-
kommentmäßige Anstarren und Fixieren derselben in Hotels

keit ihre Zeit nützt, während die andere einem festen Berufe
nachgeht.

Alle Frauen aber sind im Vergleich zum Manne in ihrer
Bewegung außer dem Hause sehr gehemmt. Auch solche unter
ihnen, die daheim keinen eigenen Verkehr pflegen können, kön-
nen sich nicht, wie der Mann, außer dem Hause Ersatz suchen.
Für die Frau ist, auch wenn sie sonst selbständig lebt, der freie
ungezwungene Verkehr mit Bekannten, wie der Mann ihn
außer dem Hause pflegt, vorläufig kaum erreichbar. Und doch
wäre er recht gut möglich, auch wenn zunächst noch einige
Vorurteile zu überwinden wären, sobald der Mann
sich gewöhnen wollte, einer Frau auch außer dem
Hause mit Achtung zu begegnen
, selbst wenn
er ihr, was für die Berufsarbeiterin und für die allein-
stehende Frau, die nicht auf jeglichen Verkehr verzichten will,
doch geradezu unvermeidlich ist, in den Abendstunden allein
auf der Straße oder auch, ich möchte das ausdrücklich betonen,
ohne männlichen Schutz in einem Restaurant begegnet. War-
um sollen Frauen, die daheim keine Ansprache, keine Mög-
lichkeit freien Verkehrs haben oder die einmal etwas Abwechs-
lung wünschen, ihr Abendbrot nicht allein oder zu mehreren in
diesem und jenem Gasthause essen dürfen? Warum sollen
sie nicht, wenn sie Neigung dazu verspüren, wenn es
ihnen bequem erscheint, sich mit ihren Bekannten am dritten
Ort treffen, um bei einem Glas Wein oder Bier oder Limo-
nade dort eine Stunde zu verplaudern? Aber selbst mancher
sogenannt gebildete Mann scheint eine allein ein Restaurant
besuchende oder auch ihm abends nach neun Uhr allein auf
der Straße begegnende Frau einfach als vogelfrei anzusehen.
Daher das Belästigen alleingehender Frauen, das ganz un-
kommentmäßige Anstarren und Fixieren derselben in Hôtels

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[236/0246] keit ihre Zeit nützt, während die andere einem festen Berufe nachgeht. Alle Frauen aber sind im Vergleich zum Manne in ihrer Bewegung außer dem Hause sehr gehemmt. Auch solche unter ihnen, die daheim keinen eigenen Verkehr pflegen können, kön- nen sich nicht, wie der Mann, außer dem Hause Ersatz suchen. Für die Frau ist, auch wenn sie sonst selbständig lebt, der freie ungezwungene Verkehr mit Bekannten, wie der Mann ihn außer dem Hause pflegt, vorläufig kaum erreichbar. Und doch wäre er recht gut möglich, auch wenn zunächst noch einige Vorurteile zu überwinden wären, sobald der Mann sich gewöhnen wollte, einer Frau auch außer dem Hause mit Achtung zu begegnen, selbst wenn er ihr, was für die Berufsarbeiterin und für die allein- stehende Frau, die nicht auf jeglichen Verkehr verzichten will, doch geradezu unvermeidlich ist, in den Abendstunden allein auf der Straße oder auch, ich möchte das ausdrücklich betonen, ohne männlichen Schutz in einem Restaurant begegnet. War- um sollen Frauen, die daheim keine Ansprache, keine Mög- lichkeit freien Verkehrs haben oder die einmal etwas Abwechs- lung wünschen, ihr Abendbrot nicht allein oder zu mehreren in diesem und jenem Gasthause essen dürfen? Warum sollen sie nicht, wenn sie Neigung dazu verspüren, wenn es ihnen bequem erscheint, sich mit ihren Bekannten am dritten Ort treffen, um bei einem Glas Wein oder Bier oder Limo- nade dort eine Stunde zu verplaudern? Aber selbst mancher sogenannt gebildete Mann scheint eine allein ein Restaurant besuchende oder auch ihm abends nach neun Uhr allein auf der Straße begegnende Frau einfach als vogelfrei anzusehen. Daher das Belästigen alleingehender Frauen, das ganz un- kommentmäßige Anstarren und Fixieren derselben in Hôtels

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/246>, abgerufen am 27.11.2024.