Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

hören, lebt in gar vielen Frauen. Viele arbeiten ihr Tage-
werk nur deswegen freudlos herab, weil sie nicht, wie der
verheiratete Mann, daheim liebevolle Fürsorge finden, weil sie
sich nirgends von treuen Seelen umgeben wissen, weil sie oft
keinem Menschen begegnen, der Jnteresse und Zeit und Ver-
stehen für sie hat. Daß der Mensch einen Menschen braucht,
dem er vertrauen darf, der ihm die Freistunden wirklich zu
Freude- und Erholungsstunden macht, ist ja so natürlich. Am
Glücklichsten, wie gesagt, sind diejenigen daran, bei denen das
Elternheim oder auch Freundschaft die Liebe wenigstens in
gewisser Weise ersetzt. Den anderen aber können Heime
wenigstens äußeres Behagen verschaffen.

Und noch eine andere Neueinrichtung soll den einsamen
Frauen das Leben angenehmer gestalten: die Frauenklubs,
die z. T. freilich nur Zusammenkunfts-Ort für elegante Frauen
sind, die sich einmal amüsieren, einmal unter sich sein wollen,
zum größeren Teil aber Zusammenkunfts-, Erholungsort für
berufsarbeitende oder vereinzelt lebende Frauen. Dadurch sind
sie eine sozial wertvolle Einrichtung.

An einem Beispiele möchte ich das erläutern:

Jn einem Berliner Klub, die Leiterin erzählte es mir, ver-
kehrte ein altes Frauchen, das sonst ganz fremd und ver-
lassen in der Riesenstadt im Klub Anschluß gefunden, Be-
kanntschaften gemacht hatte. Dankbar und glücklich war sie
darüber. Und als sie bald darauf erkrankte, von keinem
Menschen früher beachtet, da kamen ihre Klubgefährtinnen, die
sie beim Whist vermißt hatten, und fragten nach ihr und sorg-
ten für sie und nahmen ihr das Gefühl des Verloren- und
Verlassenseins, unter dem sie lange Jahre schwer gelitten. Ein
Klub bedeutet einsamen Frauen viel, er gibt auch der außer-
halb gesellschaftlicher und Familien-Beziehungen stehenden Frau

hören, lebt in gar vielen Frauen. Viele arbeiten ihr Tage-
werk nur deswegen freudlos herab, weil sie nicht, wie der
verheiratete Mann, daheim liebevolle Fürsorge finden, weil sie
sich nirgends von treuen Seelen umgeben wissen, weil sie oft
keinem Menschen begegnen, der Jnteresse und Zeit und Ver-
stehen für sie hat. Daß der Mensch einen Menschen braucht,
dem er vertrauen darf, der ihm die Freistunden wirklich zu
Freude- und Erholungsstunden macht, ist ja so natürlich. Am
Glücklichsten, wie gesagt, sind diejenigen daran, bei denen das
Elternheim oder auch Freundschaft die Liebe wenigstens in
gewisser Weise ersetzt. Den anderen aber können Heime
wenigstens äußeres Behagen verschaffen.

Und noch eine andere Neueinrichtung soll den einsamen
Frauen das Leben angenehmer gestalten: die Frauenklubs,
die z. T. freilich nur Zusammenkunfts-Ort für elegante Frauen
sind, die sich einmal amüsieren, einmal unter sich sein wollen,
zum größeren Teil aber Zusammenkunfts-, Erholungsort für
berufsarbeitende oder vereinzelt lebende Frauen. Dadurch sind
sie eine sozial wertvolle Einrichtung.

An einem Beispiele möchte ich das erläutern:

Jn einem Berliner Klub, die Leiterin erzählte es mir, ver-
kehrte ein altes Frauchen, das sonst ganz fremd und ver-
lassen in der Riesenstadt im Klub Anschluß gefunden, Be-
kanntschaften gemacht hatte. Dankbar und glücklich war sie
darüber. Und als sie bald darauf erkrankte, von keinem
Menschen früher beachtet, da kamen ihre Klubgefährtinnen, die
sie beim Whist vermißt hatten, und fragten nach ihr und sorg-
ten für sie und nahmen ihr das Gefühl des Verloren- und
Verlassenseins, unter dem sie lange Jahre schwer gelitten. Ein
Klub bedeutet einsamen Frauen viel, er gibt auch der außer-
halb gesellschaftlicher und Familien-Beziehungen stehenden Frau

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0248" n="238"/>
hören, lebt in gar vielen Frauen. Viele arbeiten ihr Tage-<lb/>
werk nur deswegen freudlos herab, weil sie nicht, wie der<lb/>
verheiratete Mann, daheim liebevolle Fürsorge finden, weil sie<lb/>
sich nirgends von treuen Seelen umgeben wissen, weil sie oft<lb/>
keinem Menschen begegnen, der Jnteresse und Zeit und Ver-<lb/>
stehen für sie hat. Daß der Mensch einen Menschen braucht,<lb/>
dem er vertrauen darf, der ihm die Freistunden wirklich zu<lb/>
Freude- und Erholungsstunden macht, ist ja so natürlich. Am<lb/>
Glücklichsten, wie gesagt, sind diejenigen daran, bei denen das<lb/>
Elternheim oder auch Freundschaft die Liebe wenigstens in<lb/>
gewisser Weise ersetzt. Den anderen aber können Heime<lb/>
wenigstens äußeres Behagen verschaffen.</p><lb/>
        <p>Und noch eine andere Neueinrichtung soll den einsamen<lb/>
Frauen das Leben angenehmer gestalten: die Frauenklubs,<lb/>
die z. T. freilich nur Zusammenkunfts-Ort für elegante Frauen<lb/>
sind, die sich einmal amüsieren, einmal unter sich sein wollen,<lb/>
zum größeren Teil aber Zusammenkunfts-, Erholungsort für<lb/>
berufsarbeitende oder vereinzelt lebende Frauen. Dadurch sind<lb/>
sie eine sozial wertvolle Einrichtung.</p><lb/>
        <p>An einem Beispiele möchte ich das erläutern:</p><lb/>
        <p>Jn einem Berliner Klub, die Leiterin erzählte es mir, ver-<lb/>
kehrte ein altes Frauchen, das sonst ganz fremd und ver-<lb/>
lassen in der Riesenstadt im Klub Anschluß gefunden, Be-<lb/>
kanntschaften gemacht hatte. Dankbar und glücklich war sie<lb/>
darüber. Und als sie bald darauf erkrankte, von keinem<lb/>
Menschen früher beachtet, da kamen ihre Klubgefährtinnen, die<lb/>
sie beim Whist vermißt hatten, und fragten nach ihr und sorg-<lb/>
ten für sie und nahmen ihr das Gefühl des Verloren- und<lb/>
Verlassenseins, unter dem sie lange Jahre schwer gelitten. Ein<lb/>
Klub bedeutet einsamen Frauen viel, er gibt auch der außer-<lb/>
halb gesellschaftlicher und Familien-Beziehungen stehenden Frau<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238/0248] hören, lebt in gar vielen Frauen. Viele arbeiten ihr Tage- werk nur deswegen freudlos herab, weil sie nicht, wie der verheiratete Mann, daheim liebevolle Fürsorge finden, weil sie sich nirgends von treuen Seelen umgeben wissen, weil sie oft keinem Menschen begegnen, der Jnteresse und Zeit und Ver- stehen für sie hat. Daß der Mensch einen Menschen braucht, dem er vertrauen darf, der ihm die Freistunden wirklich zu Freude- und Erholungsstunden macht, ist ja so natürlich. Am Glücklichsten, wie gesagt, sind diejenigen daran, bei denen das Elternheim oder auch Freundschaft die Liebe wenigstens in gewisser Weise ersetzt. Den anderen aber können Heime wenigstens äußeres Behagen verschaffen. Und noch eine andere Neueinrichtung soll den einsamen Frauen das Leben angenehmer gestalten: die Frauenklubs, die z. T. freilich nur Zusammenkunfts-Ort für elegante Frauen sind, die sich einmal amüsieren, einmal unter sich sein wollen, zum größeren Teil aber Zusammenkunfts-, Erholungsort für berufsarbeitende oder vereinzelt lebende Frauen. Dadurch sind sie eine sozial wertvolle Einrichtung. An einem Beispiele möchte ich das erläutern: Jn einem Berliner Klub, die Leiterin erzählte es mir, ver- kehrte ein altes Frauchen, das sonst ganz fremd und ver- lassen in der Riesenstadt im Klub Anschluß gefunden, Be- kanntschaften gemacht hatte. Dankbar und glücklich war sie darüber. Und als sie bald darauf erkrankte, von keinem Menschen früher beachtet, da kamen ihre Klubgefährtinnen, die sie beim Whist vermißt hatten, und fragten nach ihr und sorg- ten für sie und nahmen ihr das Gefühl des Verloren- und Verlassenseins, unter dem sie lange Jahre schwer gelitten. Ein Klub bedeutet einsamen Frauen viel, er gibt auch der außer- halb gesellschaftlicher und Familien-Beziehungen stehenden Frau

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/248
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/248>, abgerufen am 27.11.2024.