Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

Freilich sind die Männer das Feilschen und Handeln im po-
litischen Leben arg gewöhnt worden.

Wie aber steht die bürgerliche Frau, von solch egoistischen
Nebenempfindungen abgesehen, zur Arbeiterinnenbewegung?

Daß ihre Sympathien überall da sind, wo es Rechtlose
zu schützen gilt, sagte ich schon. Aber über Einzelfälle im
Klassenkampfe vom grünen Tisch aus urteilen zu wollen, ist
eine gewagte Sache. Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse sind
überaus kompliziert. Der einzelne Arbeitgeber ist nicht un-
abhängig in seinen Entschließungen. Gar mancher hat schwer
zu ringen, um seinen Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten.
Die Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt zu bestehen, die Kon-
kurrenz mit Ländern aufzunehmen, die mit Minimallöhnen
arbeiten lassen oder denen die Natur verschwenderische Fülle
auch bei geringerer Mühe und Arbeit, als wir sie aufwenden
müssen, gibt - diese Notwendigkeit drückt schwer auf viele
Zweige unseres Erwerbslebens. Jnternationale Verein-
barungen allein können demgegenüber wirksame Hilfe bringen.

Ein Land allein und noch weniger ein einzelner Arbeit-
geber, auch wenn es der Staat wäre, ist den bestehenden Kon-
junkturen gegenüber oft einfach machtlos. Das gilt es zu be-
denken und darum erscheint mir nur ein Weg für die Frauen
der bürgerlichen Klassen als Hilfsweg gegenüber den bestehen-
den Mißständen gangbar:

Nicht der Weg des Unzufriedenmachens, des Aufwiegelns
oder der blinden Zustimmung zu allem, was der Arbeiter
wünscht und will.

Denn, wie gesagt, wir wissen nicht immer, ob inner-
halb der bestehenden Verhältnisse Abänderung möglich ist.
Ein stillgelegter Betrieb trifft Arbeiter und Arbeiterinnen hart.
Die Möglichkeit, ein wenn auch bescheidenes Brot zu gewinnen,

Freilich sind die Männer das Feilschen und Handeln im po-
litischen Leben arg gewöhnt worden.

Wie aber steht die bürgerliche Frau, von solch egoistischen
Nebenempfindungen abgesehen, zur Arbeiterinnenbewegung?

Daß ihre Sympathien überall da sind, wo es Rechtlose
zu schützen gilt, sagte ich schon. Aber über Einzelfälle im
Klassenkampfe vom grünen Tisch aus urteilen zu wollen, ist
eine gewagte Sache. Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse sind
überaus kompliziert. Der einzelne Arbeitgeber ist nicht un-
abhängig in seinen Entschließungen. Gar mancher hat schwer
zu ringen, um seinen Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten.
Die Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt zu bestehen, die Kon-
kurrenz mit Ländern aufzunehmen, die mit Minimallöhnen
arbeiten lassen oder denen die Natur verschwenderische Fülle
auch bei geringerer Mühe und Arbeit, als wir sie aufwenden
müssen, gibt – diese Notwendigkeit drückt schwer auf viele
Zweige unseres Erwerbslebens. Jnternationale Verein-
barungen allein können demgegenüber wirksame Hilfe bringen.

Ein Land allein und noch weniger ein einzelner Arbeit-
geber, auch wenn es der Staat wäre, ist den bestehenden Kon-
junkturen gegenüber oft einfach machtlos. Das gilt es zu be-
denken und darum erscheint mir nur ein Weg für die Frauen
der bürgerlichen Klassen als Hilfsweg gegenüber den bestehen-
den Mißständen gangbar:

Nicht der Weg des Unzufriedenmachens, des Aufwiegelns
oder der blinden Zustimmung zu allem, was der Arbeiter
wünscht und will.

Denn, wie gesagt, wir wissen nicht immer, ob inner-
halb der bestehenden Verhältnisse Abänderung möglich ist.
Ein stillgelegter Betrieb trifft Arbeiter und Arbeiterinnen hart.
Die Möglichkeit, ein wenn auch bescheidenes Brot zu gewinnen,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0266" n="256"/>
Freilich sind die Männer das Feilschen und Handeln im po-<lb/>
litischen Leben arg gewöhnt worden.</p><lb/>
        <p>Wie aber steht die bürgerliche Frau, von solch egoistischen<lb/>
Nebenempfindungen abgesehen, zur Arbeiterinnenbewegung?</p><lb/>
        <p>Daß ihre Sympathien überall da sind, wo es Rechtlose<lb/>
zu schützen gilt, sagte ich schon. Aber über Einzelfälle im<lb/>
Klassenkampfe vom grünen Tisch aus urteilen zu wollen, ist<lb/>
eine gewagte Sache. Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse sind<lb/>
überaus kompliziert. Der einzelne Arbeitgeber ist nicht un-<lb/>
abhängig in seinen Entschließungen. Gar mancher hat schwer<lb/>
zu ringen, um seinen Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten.<lb/>
Die Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt zu bestehen, die Kon-<lb/>
kurrenz mit Ländern aufzunehmen, die mit Minimallöhnen<lb/>
arbeiten lassen oder denen die Natur verschwenderische Fülle<lb/>
auch bei geringerer Mühe und Arbeit, als wir sie aufwenden<lb/>
müssen, gibt &#x2013; diese Notwendigkeit drückt schwer auf viele<lb/>
Zweige unseres Erwerbslebens. <hi rendition="#g">Jnternationale</hi> Verein-<lb/>
barungen allein können demgegenüber wirksame Hilfe bringen.</p><lb/>
        <p>Ein Land allein und noch weniger ein einzelner Arbeit-<lb/>
geber, auch wenn es der Staat wäre, ist den bestehenden Kon-<lb/>
junkturen gegenüber oft einfach machtlos. Das gilt es zu be-<lb/>
denken und darum erscheint mir nur <hi rendition="#g">ein</hi> Weg für die Frauen<lb/>
der bürgerlichen Klassen als Hilfsweg gegenüber den bestehen-<lb/>
den Mißständen gangbar:</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Nicht</hi> der Weg des Unzufriedenmachens, des Aufwiegelns<lb/>
oder der blinden Zustimmung zu allem, was der Arbeiter<lb/>
wünscht und will.</p><lb/>
        <p>Denn, wie gesagt, wir wissen nicht immer, ob inner-<lb/>
halb der bestehenden Verhältnisse Abänderung möglich ist.<lb/>
Ein stillgelegter Betrieb trifft Arbeiter und Arbeiterinnen hart.<lb/>
Die Möglichkeit, ein wenn auch bescheidenes Brot zu gewinnen,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[256/0266] Freilich sind die Männer das Feilschen und Handeln im po- litischen Leben arg gewöhnt worden. Wie aber steht die bürgerliche Frau, von solch egoistischen Nebenempfindungen abgesehen, zur Arbeiterinnenbewegung? Daß ihre Sympathien überall da sind, wo es Rechtlose zu schützen gilt, sagte ich schon. Aber über Einzelfälle im Klassenkampfe vom grünen Tisch aus urteilen zu wollen, ist eine gewagte Sache. Unsere wirtschaftlichen Verhältnisse sind überaus kompliziert. Der einzelne Arbeitgeber ist nicht un- abhängig in seinen Entschließungen. Gar mancher hat schwer zu ringen, um seinen Betrieb überhaupt aufrecht zu erhalten. Die Notwendigkeit, auf dem Weltmarkt zu bestehen, die Kon- kurrenz mit Ländern aufzunehmen, die mit Minimallöhnen arbeiten lassen oder denen die Natur verschwenderische Fülle auch bei geringerer Mühe und Arbeit, als wir sie aufwenden müssen, gibt – diese Notwendigkeit drückt schwer auf viele Zweige unseres Erwerbslebens. Jnternationale Verein- barungen allein können demgegenüber wirksame Hilfe bringen. Ein Land allein und noch weniger ein einzelner Arbeit- geber, auch wenn es der Staat wäre, ist den bestehenden Kon- junkturen gegenüber oft einfach machtlos. Das gilt es zu be- denken und darum erscheint mir nur ein Weg für die Frauen der bürgerlichen Klassen als Hilfsweg gegenüber den bestehen- den Mißständen gangbar: Nicht der Weg des Unzufriedenmachens, des Aufwiegelns oder der blinden Zustimmung zu allem, was der Arbeiter wünscht und will. Denn, wie gesagt, wir wissen nicht immer, ob inner- halb der bestehenden Verhältnisse Abänderung möglich ist. Ein stillgelegter Betrieb trifft Arbeiter und Arbeiterinnen hart. Die Möglichkeit, ein wenn auch bescheidenes Brot zu gewinnen,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/266
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/266>, abgerufen am 27.11.2024.