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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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verteilen. Die Vermögenssteuer war der erste Schritt nach dieser
Richtung, die Erbschaftssteuer, auch unter direkten Erbbe-
rechtigten, würde mit der Höhe der Erbmasse steigend weiter-
hin Ausgleichung bringen. Die Arbeiterschutzgesetzgebung be-
deutet viel in dieser Hinsicht. Zur Alters- und Jnvaliditäts-
versicherung, zu der Krankenkassen-Gesetzgebung müßte Witwen-
und Waisenversorgung und Schutz gegen unverschuldete Arbeits-
losigkeit hinzukommen. Die Arbeitszeit der verheirateten Fabrik-
arbeiterin müßte beschränkt werden. Hand in Hand aber mit
solchem materiellen Sorgen müßte Veredlung der Volkser-
holung, Hebung der Volksbildung gehen. Da können wie-
derum Frauen viel helfen. Und wie die Frau mit gutem Er-
folg eingestellt worden ist in die Fabrikinspektion,
sofern gut ausgebildete Frauen als Gewerbebeamtinnen ge-
wählt wurden, so könnten bei Einführung der Wohnungsin-
spektion, die die Kontrolle auch über die Heimarbeit ermög-
lichen würde, wiederum Frauen verwandt werden. Wie der weib-
liche Krankenkassenkontrolleur wäre auch der weibliche
Wohnungsinspizient neben männlichen Beamten am Platze.

Zunächst aber gilt es, die berufstätigen Frauen aller
Kreise zur Selbsthilfe anzuregen.

Praktisch eingetreten in die Genossenschaftsbewegung sind
die bürgerlichen Frauen durch die 1889 durch Julius Meyer
und Minna Cauer erfolgte Gründung des ersten kaufmänni-
schen Hilfsvereins für weibliche Angestellte zu Berlin, der schon
1901 über 11000 Mitglieder zählte und für eine ganze Reihe
ähnlicher Neugründungen in anderen Städten vorbildlich ge-
wirkt. Die Mehrzahl dieser Vereine für kaufmännische weib-
liche Angestellte ist seit 1901 zu einem Gesamtverbande zusam-
mengeschlossen, der alljährliche Versammlungen hat. Es gehören
zu dem Bunde: Berlin, Breslau, Bromberg, Cassel, Danzig,

verteilen. Die Vermögenssteuer war der erste Schritt nach dieser
Richtung, die Erbschaftssteuer, auch unter direkten Erbbe-
rechtigten, würde mit der Höhe der Erbmasse steigend weiter-
hin Ausgleichung bringen. Die Arbeiterschutzgesetzgebung be-
deutet viel in dieser Hinsicht. Zur Alters- und Jnvaliditäts-
versicherung, zu der Krankenkassen-Gesetzgebung müßte Witwen-
und Waisenversorgung und Schutz gegen unverschuldete Arbeits-
losigkeit hinzukommen. Die Arbeitszeit der verheirateten Fabrik-
arbeiterin müßte beschränkt werden. Hand in Hand aber mit
solchem materiellen Sorgen müßte Veredlung der Volkser-
holung, Hebung der Volksbildung gehen. Da können wie-
derum Frauen viel helfen. Und wie die Frau mit gutem Er-
folg eingestellt worden ist in die Fabrikinspektion,
sofern gut ausgebildete Frauen als Gewerbebeamtinnen ge-
wählt wurden, so könnten bei Einführung der Wohnungsin-
spektion, die die Kontrolle auch über die Heimarbeit ermög-
lichen würde, wiederum Frauen verwandt werden. Wie der weib-
liche Krankenkassenkontrolleur wäre auch der weibliche
Wohnungsinspizient neben männlichen Beamten am Platze.

Zunächst aber gilt es, die berufstätigen Frauen aller
Kreise zur Selbsthilfe anzuregen.

Praktisch eingetreten in die Genossenschaftsbewegung sind
die bürgerlichen Frauen durch die 1889 durch Julius Meyer
und Minna Cauer erfolgte Gründung des ersten kaufmänni-
schen Hilfsvereins für weibliche Angestellte zu Berlin, der schon
1901 über 11000 Mitglieder zählte und für eine ganze Reihe
ähnlicher Neugründungen in anderen Städten vorbildlich ge-
wirkt. Die Mehrzahl dieser Vereine für kaufmännische weib-
liche Angestellte ist seit 1901 zu einem Gesamtverbande zusam-
mengeschlossen, der alljährliche Versammlungen hat. Es gehören
zu dem Bunde: Berlin, Breslau, Bromberg, Cassel, Danzig,

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[258/0268] verteilen. Die Vermögenssteuer war der erste Schritt nach dieser Richtung, die Erbschaftssteuer, auch unter direkten Erbbe- rechtigten, würde mit der Höhe der Erbmasse steigend weiter- hin Ausgleichung bringen. Die Arbeiterschutzgesetzgebung be- deutet viel in dieser Hinsicht. Zur Alters- und Jnvaliditäts- versicherung, zu der Krankenkassen-Gesetzgebung müßte Witwen- und Waisenversorgung und Schutz gegen unverschuldete Arbeits- losigkeit hinzukommen. Die Arbeitszeit der verheirateten Fabrik- arbeiterin müßte beschränkt werden. Hand in Hand aber mit solchem materiellen Sorgen müßte Veredlung der Volkser- holung, Hebung der Volksbildung gehen. Da können wie- derum Frauen viel helfen. Und wie die Frau mit gutem Er- folg eingestellt worden ist in die Fabrikinspektion, sofern gut ausgebildete Frauen als Gewerbebeamtinnen ge- wählt wurden, so könnten bei Einführung der Wohnungsin- spektion, die die Kontrolle auch über die Heimarbeit ermög- lichen würde, wiederum Frauen verwandt werden. Wie der weib- liche Krankenkassenkontrolleur wäre auch der weibliche Wohnungsinspizient neben männlichen Beamten am Platze. Zunächst aber gilt es, die berufstätigen Frauen aller Kreise zur Selbsthilfe anzuregen. Praktisch eingetreten in die Genossenschaftsbewegung sind die bürgerlichen Frauen durch die 1889 durch Julius Meyer und Minna Cauer erfolgte Gründung des ersten kaufmänni- schen Hilfsvereins für weibliche Angestellte zu Berlin, der schon 1901 über 11000 Mitglieder zählte und für eine ganze Reihe ähnlicher Neugründungen in anderen Städten vorbildlich ge- wirkt. Die Mehrzahl dieser Vereine für kaufmännische weib- liche Angestellte ist seit 1901 zu einem Gesamtverbande zusam- mengeschlossen, der alljährliche Versammlungen hat. Es gehören zu dem Bunde: Berlin, Breslau, Bromberg, Cassel, Danzig,

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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/268>, abgerufen am 27.11.2024.