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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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den, zu einem Dienstjahr - in Kriegs- und Friedenskran-
kenpflege z. B. - heran, oder man nehme auch den
dienstuntauglichen Männern das Wahlrecht
.
Die Reichskrüppel aber wählen mit allen wehrfähigen Män-
nern. Daß das Stimmrecht von der Wehrfähigkeit abhängig
sein müsse, ist also eine ganz hinfällige Behauptung.

Keins unserer Gesetze, so heißt es schließlich, kannte bis-
her das Stimmrecht der Frau. Einige Ausnahmen, sofern
Stimmrecht mit Bodenbesitz verbunden ist, kennen wir auch
in Deutschland, in Sachsen z. B., in Baden. Aber abgesehen
davon: daß die Frauen nie Stimmrecht hatten, erklärt sich
ganz einfach dadurch, daß der Mann als Machthaber allein
die Gesetze schuf. Wurde nicht auch dem dritten, dem vierten
Stande ihr Recht von den damals herrschenden Klassen vor-
enthalten? Den Frauen weigert man es noch immer. Weigert
man es, trotzdem in gar vielen Dingen die Frau nun und
nimmer vom Manne richtig vertreten und niemals in ihr Art
zu werten, durch ihn ersetzt werden kann.

Auch die Bibel - das ist schließlich immer der letzte
Trumpf selbst solcher Männer, die weltliche Dinge sonst durch-
aus nicht in christlichem Geiste zu regeln sich bemühen - ver-
bietet den Frauen Mitherrschaft. Das Weib sei untertan, das
Weib schweige in der Gemeinde. Dies Wort wird uns im-
mer wieder entgegengehalten, wenn wir von Gleichberechti-
gung sprechen.

Nun können solche Worte, die für andere Verhältnisse,
andere Zeiten bestimmt waren, selbst wenn sie im landläu-
figen Sinne gemeint waren, nicht ohne weiteres Geltung für
unser heutiges, so ganz anders geartetes Leben haben. Nicht
das Wort, nicht der Buchstabe ist für uns maßgebend. Aus
dem Geist, der Gesinnung Jesu und seiner ersten Nachfolger

den, zu einem Dienstjahr – in Kriegs- und Friedenskran-
kenpflege z. B. – heran, oder man nehme auch den
dienstuntauglichen Männern das Wahlrecht
.
Die Reichskrüppel aber wählen mit allen wehrfähigen Män-
nern. Daß das Stimmrecht von der Wehrfähigkeit abhängig
sein müsse, ist also eine ganz hinfällige Behauptung.

Keins unserer Gesetze, so heißt es schließlich, kannte bis-
her das Stimmrecht der Frau. Einige Ausnahmen, sofern
Stimmrecht mit Bodenbesitz verbunden ist, kennen wir auch
in Deutschland, in Sachsen z. B., in Baden. Aber abgesehen
davon: daß die Frauen nie Stimmrecht hatten, erklärt sich
ganz einfach dadurch, daß der Mann als Machthaber allein
die Gesetze schuf. Wurde nicht auch dem dritten, dem vierten
Stande ihr Recht von den damals herrschenden Klassen vor-
enthalten? Den Frauen weigert man es noch immer. Weigert
man es, trotzdem in gar vielen Dingen die Frau nun und
nimmer vom Manne richtig vertreten und niemals in ihr Art
zu werten, durch ihn ersetzt werden kann.

Auch die Bibel – das ist schließlich immer der letzte
Trumpf selbst solcher Männer, die weltliche Dinge sonst durch-
aus nicht in christlichem Geiste zu regeln sich bemühen – ver-
bietet den Frauen Mitherrschaft. Das Weib sei untertan, das
Weib schweige in der Gemeinde. Dies Wort wird uns im-
mer wieder entgegengehalten, wenn wir von Gleichberechti-
gung sprechen.

Nun können solche Worte, die für andere Verhältnisse,
andere Zeiten bestimmt waren, selbst wenn sie im landläu-
figen Sinne gemeint waren, nicht ohne weiteres Geltung für
unser heutiges, so ganz anders geartetes Leben haben. Nicht
das Wort, nicht der Buchstabe ist für uns maßgebend. Aus
dem Geist, der Gesinnung Jesu und seiner ersten Nachfolger

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[274/0284] den, zu einem Dienstjahr – in Kriegs- und Friedenskran- kenpflege z. B. – heran, oder man nehme auch den dienstuntauglichen Männern das Wahlrecht. Die Reichskrüppel aber wählen mit allen wehrfähigen Män- nern. Daß das Stimmrecht von der Wehrfähigkeit abhängig sein müsse, ist also eine ganz hinfällige Behauptung. Keins unserer Gesetze, so heißt es schließlich, kannte bis- her das Stimmrecht der Frau. Einige Ausnahmen, sofern Stimmrecht mit Bodenbesitz verbunden ist, kennen wir auch in Deutschland, in Sachsen z. B., in Baden. Aber abgesehen davon: daß die Frauen nie Stimmrecht hatten, erklärt sich ganz einfach dadurch, daß der Mann als Machthaber allein die Gesetze schuf. Wurde nicht auch dem dritten, dem vierten Stande ihr Recht von den damals herrschenden Klassen vor- enthalten? Den Frauen weigert man es noch immer. Weigert man es, trotzdem in gar vielen Dingen die Frau nun und nimmer vom Manne richtig vertreten und niemals in ihr Art zu werten, durch ihn ersetzt werden kann. Auch die Bibel – das ist schließlich immer der letzte Trumpf selbst solcher Männer, die weltliche Dinge sonst durch- aus nicht in christlichem Geiste zu regeln sich bemühen – ver- bietet den Frauen Mitherrschaft. Das Weib sei untertan, das Weib schweige in der Gemeinde. Dies Wort wird uns im- mer wieder entgegengehalten, wenn wir von Gleichberechti- gung sprechen. Nun können solche Worte, die für andere Verhältnisse, andere Zeiten bestimmt waren, selbst wenn sie im landläu- figen Sinne gemeint waren, nicht ohne weiteres Geltung für unser heutiges, so ganz anders geartetes Leben haben. Nicht das Wort, nicht der Buchstabe ist für uns maßgebend. Aus dem Geist, der Gesinnung Jesu und seiner ersten Nachfolger

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/284>, abgerufen am 25.11.2024.