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Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

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meisten ein überwundener Standpunkt. Ein Mann von Er-
fahrung wählte nach Geld, Konnexionen oder auch nach an-
ziehendem Aeußeren, nach einer für den Salon passenden "guten
Figur". Gediegene Bildung wurde ebenfalls nur selten als
Vorzug angesehen. Naivetät war ja so entzückend an Frauen,
und die Aeußerungen einer Dame ernst zu nehmen, würde
doch keinem verständigen Manne eingefallen sein.

So wurden die reichen, die Mädchen mit einflußreichen Vä-
tern und die äußerlich sich am besten präsentierenden jungen Da-
men als Heiratskandidatinnen am meisten begehrt, und aus leicht
erklärlichen Gründen formte sich, solchem Geschmacke der Männer
zu entsprechen, nach Möglichkeit die heranwachsende weibliche
Jugend. Seufzend fanden sich die Väter hinein, daß der Schein
des Reichtums, der Schein einer möglichst vielseitigen äußeren
und inneren Dressur dazu gehörte, ihre Töchterchen an den
Mann zu bringen. So kam etwas Oberflächliches, Ungesundes
in unseren ganzen Verkehr, insbesondere in den Verkehr zwi-
schert jungen Männern und Mädchen, die fast ausnahmslos
nur in Gesellschaften, im Ballsaal, beim Sport, außerhalb jedes
charakteristischen häuslichen Rahmens einander kennen lernten.

Solche Entwicklung aber brachte unserem Volke kein Glück.
Wie sehr die ehelichen Verhältnisse, wie sehr die Erziehung
der Kinder durch solches Oberflächen- und Scheinideal, nach
dem die Frauen, die Mütter fast durchweg gebildet wurden,
herabgedrückt wurden, das trat erst langsam zu Tage. Viel
schneller kam die Not zum Vorschein unter der die trotz aller
Dressur vergebens auf einen Mann hoffenden jungen Damen
zu leiden begannen, wenn all ihr Sehnen vergebens, wenn der
Vater - vor der finanziellen Unmöglichkeit stehend, das Ge-
sellschaftstreiben noch weiter fortzusetzen - allen weiteren Ver-
suchen, einen Mann zu bekommen, ein Ende bereitete, indem

meisten ein überwundener Standpunkt. Ein Mann von Er-
fahrung wählte nach Geld, Konnexionen oder auch nach an-
ziehendem Aeußeren, nach einer für den Salon passenden „guten
Figur“. Gediegene Bildung wurde ebenfalls nur selten als
Vorzug angesehen. Naivetät war ja so entzückend an Frauen,
und die Aeußerungen einer Dame ernst zu nehmen, würde
doch keinem verständigen Manne eingefallen sein.

So wurden die reichen, die Mädchen mit einflußreichen Vä-
tern und die äußerlich sich am besten präsentierenden jungen Da-
men als Heiratskandidatinnen am meisten begehrt, und aus leicht
erklärlichen Gründen formte sich, solchem Geschmacke der Männer
zu entsprechen, nach Möglichkeit die heranwachsende weibliche
Jugend. Seufzend fanden sich die Väter hinein, daß der Schein
des Reichtums, der Schein einer möglichst vielseitigen äußeren
und inneren Dressur dazu gehörte, ihre Töchterchen an den
Mann zu bringen. So kam etwas Oberflächliches, Ungesundes
in unseren ganzen Verkehr, insbesondere in den Verkehr zwi-
schert jungen Männern und Mädchen, die fast ausnahmslos
nur in Gesellschaften, im Ballsaal, beim Sport, außerhalb jedes
charakteristischen häuslichen Rahmens einander kennen lernten.

Solche Entwicklung aber brachte unserem Volke kein Glück.
Wie sehr die ehelichen Verhältnisse, wie sehr die Erziehung
der Kinder durch solches Oberflächen- und Scheinideal, nach
dem die Frauen, die Mütter fast durchweg gebildet wurden,
herabgedrückt wurden, das trat erst langsam zu Tage. Viel
schneller kam die Not zum Vorschein unter der die trotz aller
Dressur vergebens auf einen Mann hoffenden jungen Damen
zu leiden begannen, wenn all ihr Sehnen vergebens, wenn der
Vater – vor der finanziellen Unmöglichkeit stehend, das Ge-
sellschaftstreiben noch weiter fortzusetzen – allen weiteren Ver-
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[29/0039] meisten ein überwundener Standpunkt. Ein Mann von Er- fahrung wählte nach Geld, Konnexionen oder auch nach an- ziehendem Aeußeren, nach einer für den Salon passenden „guten Figur“. Gediegene Bildung wurde ebenfalls nur selten als Vorzug angesehen. Naivetät war ja so entzückend an Frauen, und die Aeußerungen einer Dame ernst zu nehmen, würde doch keinem verständigen Manne eingefallen sein. So wurden die reichen, die Mädchen mit einflußreichen Vä- tern und die äußerlich sich am besten präsentierenden jungen Da- men als Heiratskandidatinnen am meisten begehrt, und aus leicht erklärlichen Gründen formte sich, solchem Geschmacke der Männer zu entsprechen, nach Möglichkeit die heranwachsende weibliche Jugend. Seufzend fanden sich die Väter hinein, daß der Schein des Reichtums, der Schein einer möglichst vielseitigen äußeren und inneren Dressur dazu gehörte, ihre Töchterchen an den Mann zu bringen. So kam etwas Oberflächliches, Ungesundes in unseren ganzen Verkehr, insbesondere in den Verkehr zwi- schert jungen Männern und Mädchen, die fast ausnahmslos nur in Gesellschaften, im Ballsaal, beim Sport, außerhalb jedes charakteristischen häuslichen Rahmens einander kennen lernten. Solche Entwicklung aber brachte unserem Volke kein Glück. Wie sehr die ehelichen Verhältnisse, wie sehr die Erziehung der Kinder durch solches Oberflächen- und Scheinideal, nach dem die Frauen, die Mütter fast durchweg gebildet wurden, herabgedrückt wurden, das trat erst langsam zu Tage. Viel schneller kam die Not zum Vorschein unter der die trotz aller Dressur vergebens auf einen Mann hoffenden jungen Damen zu leiden begannen, wenn all ihr Sehnen vergebens, wenn der Vater – vor der finanziellen Unmöglichkeit stehend, das Ge- sellschaftstreiben noch weiter fortzusetzen – allen weiteren Ver- suchen, einen Mann zu bekommen, ein Ende bereitete, indem

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

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Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/39>, abgerufen am 23.11.2024.