Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

geschaffen. Mit Fug und Recht stehe der Mann überall an
erster Stelle.

Es war ein bitterer Kampf, und die Not unter den Frauen
war groß. Wäre dem nicht so gewesen, man könnte über die
Naivität lächeln, mit der der Mann nicht etwa die Frau, als
die Zarterbeanlagte, besonders auszubilden und zu schützen ver-
suchte, um ihr, der Schwächeren, dadurch Halt zu geben fürs
Leben, sondern sie vielmehr hilflos, mit minderwertiger Aus-
bildung ins Leben hinein schickte, sie dem Hunger und der Demü-
tigung, ja selbst der Schande, preisgab. So oft ihm auch die
Notlage der Frauen entgegengehalten wurde, er suchte immer
aufs neue nach Gründen und Ausflüchten, sein durch die Ge-
wohnheit geheiligtes Herrscherrecht gegen das schwache Ge-
schlecht zu verteidigen. Widerwillig nur ließ er sich Konzes-
sionen abringen. Von Ritterlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl war
in diesem Kampfe auf Seiten des Mannes nur bei seltenen
Ausnahmenaturen die Rede. Manch anderer aber, der sonst
wohl unvoreingenommen zu prüfen und zu urteilen befähigt
und willens gewesen wäre, fand niemals Zeit, sich mit so
unwesentlichen Dingen, wie Frauennot und Frauenwünsche ihm
zu sein erschienen, ernstlich zu beschäftigen. Stille Zufrieden-
heit, Abhängigkeit der Frau von dem Willen eines geliebten
Mannes erschien ihm wie den anderen als wünschenswertester
Zustand.

Aber die Frauen konnten nicht still zufrieden, abhängig
bleiben. Die Not zwang sie einfach hinaus, zwang sie - ich
habe das im ersten Abschnitte ausführlich dargelegt - zu selb-
ständigem Vorgehen. Auch an die Gattin, die Mutter traten
neue, ernste Aufgaben heran. Mehr und mehr nahm das
Berufsleben den Mann in Anspruch, machte ihm ein gleich-
mäßig ruhiges Einwirken auf die Erziehung zur Unmöglich-

geschaffen. Mit Fug und Recht stehe der Mann überall an
erster Stelle.

Es war ein bitterer Kampf, und die Not unter den Frauen
war groß. Wäre dem nicht so gewesen, man könnte über die
Naivität lächeln, mit der der Mann nicht etwa die Frau, als
die Zarterbeanlagte, besonders auszubilden und zu schützen ver-
suchte, um ihr, der Schwächeren, dadurch Halt zu geben fürs
Leben, sondern sie vielmehr hilflos, mit minderwertiger Aus-
bildung ins Leben hinein schickte, sie dem Hunger und der Demü-
tigung, ja selbst der Schande, preisgab. So oft ihm auch die
Notlage der Frauen entgegengehalten wurde, er suchte immer
aufs neue nach Gründen und Ausflüchten, sein durch die Ge-
wohnheit geheiligtes Herrscherrecht gegen das schwache Ge-
schlecht zu verteidigen. Widerwillig nur ließ er sich Konzes-
sionen abringen. Von Ritterlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl war
in diesem Kampfe auf Seiten des Mannes nur bei seltenen
Ausnahmenaturen die Rede. Manch anderer aber, der sonst
wohl unvoreingenommen zu prüfen und zu urteilen befähigt
und willens gewesen wäre, fand niemals Zeit, sich mit so
unwesentlichen Dingen, wie Frauennot und Frauenwünsche ihm
zu sein erschienen, ernstlich zu beschäftigen. Stille Zufrieden-
heit, Abhängigkeit der Frau von dem Willen eines geliebten
Mannes erschien ihm wie den anderen als wünschenswertester
Zustand.

Aber die Frauen konnten nicht still zufrieden, abhängig
bleiben. Die Not zwang sie einfach hinaus, zwang sie – ich
habe das im ersten Abschnitte ausführlich dargelegt – zu selb-
ständigem Vorgehen. Auch an die Gattin, die Mutter traten
neue, ernste Aufgaben heran. Mehr und mehr nahm das
Berufsleben den Mann in Anspruch, machte ihm ein gleich-
mäßig ruhiges Einwirken auf die Erziehung zur Unmöglich-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="31"/>
geschaffen. Mit Fug und Recht stehe der Mann überall an<lb/>
erster Stelle.</p><lb/>
        <p>Es war ein bitterer Kampf, und die Not unter den Frauen<lb/>
war groß. Wäre dem nicht so gewesen, man könnte über die<lb/>
Naivität lächeln, mit der der Mann nicht etwa die Frau, als<lb/>
die Zarterbeanlagte, besonders auszubilden und zu schützen ver-<lb/>
suchte, um ihr, der Schwächeren, dadurch Halt zu geben fürs<lb/>
Leben, sondern sie vielmehr hilflos, mit minderwertiger Aus-<lb/>
bildung ins Leben hinein schickte, sie dem Hunger und der Demü-<lb/>
tigung, ja selbst der Schande, preisgab. So oft ihm auch die<lb/>
Notlage der Frauen entgegengehalten wurde, er suchte immer<lb/>
aufs neue nach Gründen und Ausflüchten, sein durch die Ge-<lb/>
wohnheit geheiligtes Herrscherrecht gegen das schwache Ge-<lb/>
schlecht zu verteidigen. Widerwillig nur ließ er sich Konzes-<lb/>
sionen abringen. Von Ritterlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl war<lb/>
in diesem Kampfe auf Seiten des Mannes nur bei seltenen<lb/>
Ausnahmenaturen die Rede. Manch anderer aber, der sonst<lb/>
wohl unvoreingenommen zu prüfen und zu urteilen befähigt<lb/>
und willens gewesen wäre, fand niemals Zeit, sich mit so<lb/>
unwesentlichen Dingen, wie Frauennot und Frauenwünsche ihm<lb/>
zu sein erschienen, ernstlich zu beschäftigen. Stille Zufrieden-<lb/>
heit, Abhängigkeit der Frau von dem Willen eines geliebten<lb/>
Mannes erschien ihm wie den anderen als wünschenswertester<lb/>
Zustand.</p><lb/>
        <p>Aber die Frauen konnten nicht still zufrieden, abhängig<lb/>
bleiben. Die Not zwang sie einfach hinaus, zwang sie &#x2013; ich<lb/>
habe das im ersten Abschnitte ausführlich dargelegt &#x2013; zu selb-<lb/>
ständigem Vorgehen. Auch an die Gattin, die Mutter traten<lb/>
neue, ernste Aufgaben heran. Mehr und mehr nahm das<lb/>
Berufsleben den Mann in Anspruch, machte ihm ein gleich-<lb/>
mäßig ruhiges Einwirken auf die Erziehung zur Unmöglich-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0041] geschaffen. Mit Fug und Recht stehe der Mann überall an erster Stelle. Es war ein bitterer Kampf, und die Not unter den Frauen war groß. Wäre dem nicht so gewesen, man könnte über die Naivität lächeln, mit der der Mann nicht etwa die Frau, als die Zarterbeanlagte, besonders auszubilden und zu schützen ver- suchte, um ihr, der Schwächeren, dadurch Halt zu geben fürs Leben, sondern sie vielmehr hilflos, mit minderwertiger Aus- bildung ins Leben hinein schickte, sie dem Hunger und der Demü- tigung, ja selbst der Schande, preisgab. So oft ihm auch die Notlage der Frauen entgegengehalten wurde, er suchte immer aufs neue nach Gründen und Ausflüchten, sein durch die Ge- wohnheit geheiligtes Herrscherrecht gegen das schwache Ge- schlecht zu verteidigen. Widerwillig nur ließ er sich Konzes- sionen abringen. Von Ritterlichkeit, Gerechtigkeitsgefühl war in diesem Kampfe auf Seiten des Mannes nur bei seltenen Ausnahmenaturen die Rede. Manch anderer aber, der sonst wohl unvoreingenommen zu prüfen und zu urteilen befähigt und willens gewesen wäre, fand niemals Zeit, sich mit so unwesentlichen Dingen, wie Frauennot und Frauenwünsche ihm zu sein erschienen, ernstlich zu beschäftigen. Stille Zufrieden- heit, Abhängigkeit der Frau von dem Willen eines geliebten Mannes erschien ihm wie den anderen als wünschenswertester Zustand. Aber die Frauen konnten nicht still zufrieden, abhängig bleiben. Die Not zwang sie einfach hinaus, zwang sie – ich habe das im ersten Abschnitte ausführlich dargelegt – zu selb- ständigem Vorgehen. Auch an die Gattin, die Mutter traten neue, ernste Aufgaben heran. Mehr und mehr nahm das Berufsleben den Mann in Anspruch, machte ihm ein gleich- mäßig ruhiges Einwirken auf die Erziehung zur Unmöglich-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/41
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/41>, abgerufen am 21.11.2024.