Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905.

Bild:
<< vorherige Seite

spiele des Lettevereins folgend, entstanden in den verschiedensten
Städten Frauen-Erwerbsvereine. Jch nenne die ältesten unter
ihnen: Breslau 1866, Bremen 1867, Cassel 1869, Dresden 1870,
der Berliner Hausfrauenverein 1873, Frankfurt a. M. 1876, Han-
nover 1877. Z. T. durch diese Vereine, z. T. auch durch Kreise,
die dem Vaterländischen Frauenverein nahstanden (badischer
Frauenverein, Alice-Vereine in Hessen) oder auch wohl von ein-
zelnen tatkräftigen Persönlichkeiten wurden Fachschulen für
Mädchen eröffnet, städtische Handels- und Gewerbeschulen ent-
standen, und auch der Staat ward sich dann endlich seiner
Pflicht bewußt, nicht nur den Männern, sondern auch den
Frauen Ausbildungsmöglichkeit, Berufsschulung zu geben. Jn
Posen, Rheydt und neuerdings in Potsdam wurden in Preußen
Kgl. Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen eröffnet; aber
die Mehrzahl solcher Schulen wird noch immer aus Privat-
mitteln, resp. durch Vereine, die wiederum aus Privatunter-
stützung angewiesen sind, erhalten.

Nun hätte man vielleicht erwarten können, daß von Seiten
derjenigen, die die Frauen immer wieder ins Haus, auf ihre
natürlichen Pflichten als Gattin und Mutter hinwiesen, wenig-
stens für Ausbildungsmöglichkeit auf diesem Gebiete um-
fassende Sorge getragen wäre. Aber das war keineswegs der
Fall. Nur als Luxusobjekt, zur angenehmen Unterhaltung des
Mannes wurde die Mehrzahl der jungen Mädchen erzogen,
Pflichterfüllung, Pflichtbewußtsein blieben ihnen fremdartige
Begriffe. Wie mancher junge Ehemann hat unter allzu sorgloser
Auffassung von Frauenausbildung und Frauenpflichten zu lei-
den gehabt, hat viel Lehrgeld zahlen müssen, weil seine Frau
das in der Jugend an ihr Versäumte - gründliche hauswirt-
schaftliche Ausbildung - erst nachträglich in der Ehe sich an-
zueignen versuchte. Und wohl ihm, wenn sie es wenigstens

spiele des Lettevereins folgend, entstanden in den verschiedensten
Städten Frauen-Erwerbsvereine. Jch nenne die ältesten unter
ihnen: Breslau 1866, Bremen 1867, Cassel 1869, Dresden 1870,
der Berliner Hausfrauenverein 1873, Frankfurt a. M. 1876, Han-
nover 1877. Z. T. durch diese Vereine, z. T. auch durch Kreise,
die dem Vaterländischen Frauenverein nahstanden (badischer
Frauenverein, Alice-Vereine in Hessen) oder auch wohl von ein-
zelnen tatkräftigen Persönlichkeiten wurden Fachschulen für
Mädchen eröffnet, städtische Handels- und Gewerbeschulen ent-
standen, und auch der Staat ward sich dann endlich seiner
Pflicht bewußt, nicht nur den Männern, sondern auch den
Frauen Ausbildungsmöglichkeit, Berufsschulung zu geben. Jn
Posen, Rheydt und neuerdings in Potsdam wurden in Preußen
Kgl. Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen eröffnet; aber
die Mehrzahl solcher Schulen wird noch immer aus Privat-
mitteln, resp. durch Vereine, die wiederum aus Privatunter-
stützung angewiesen sind, erhalten.

Nun hätte man vielleicht erwarten können, daß von Seiten
derjenigen, die die Frauen immer wieder ins Haus, auf ihre
natürlichen Pflichten als Gattin und Mutter hinwiesen, wenig-
stens für Ausbildungsmöglichkeit auf diesem Gebiete um-
fassende Sorge getragen wäre. Aber das war keineswegs der
Fall. Nur als Luxusobjekt, zur angenehmen Unterhaltung des
Mannes wurde die Mehrzahl der jungen Mädchen erzogen,
Pflichterfüllung, Pflichtbewußtsein blieben ihnen fremdartige
Begriffe. Wie mancher junge Ehemann hat unter allzu sorgloser
Auffassung von Frauenausbildung und Frauenpflichten zu lei-
den gehabt, hat viel Lehrgeld zahlen müssen, weil seine Frau
das in der Jugend an ihr Versäumte – gründliche hauswirt-
schaftliche Ausbildung – erst nachträglich in der Ehe sich an-
zueignen versuchte. Und wohl ihm, wenn sie es wenigstens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0044" n="34"/>
spiele des Lettevereins folgend, entstanden in den verschiedensten<lb/>
Städten Frauen-Erwerbsvereine. Jch nenne die ältesten unter<lb/>
ihnen: Breslau 1866, Bremen 1867, Cassel 1869, Dresden 1870,<lb/>
der Berliner Hausfrauenverein 1873, Frankfurt a. M. 1876, Han-<lb/>
nover 1877. Z. T. durch diese Vereine, z. T. auch durch Kreise,<lb/>
die dem Vaterländischen Frauenverein nahstanden (badischer<lb/>
Frauenverein, Alice-Vereine in Hessen) oder auch wohl von ein-<lb/>
zelnen tatkräftigen Persönlichkeiten wurden Fachschulen für<lb/>
Mädchen eröffnet, städtische Handels- und Gewerbeschulen ent-<lb/>
standen, und auch der Staat ward sich dann endlich seiner<lb/>
Pflicht bewußt, nicht nur den Männern, sondern auch den<lb/>
Frauen Ausbildungsmöglichkeit, Berufsschulung zu geben. Jn<lb/>
Posen, Rheydt und neuerdings in Potsdam wurden in Preußen<lb/>
Kgl. Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen eröffnet; aber<lb/>
die Mehrzahl solcher Schulen wird noch immer aus Privat-<lb/>
mitteln, resp. durch Vereine, die wiederum aus Privatunter-<lb/>
stützung angewiesen sind, erhalten.</p><lb/>
        <p>Nun hätte man vielleicht erwarten können, daß von Seiten<lb/>
derjenigen, die die Frauen immer wieder ins Haus, auf ihre<lb/>
natürlichen Pflichten als Gattin und Mutter hinwiesen, wenig-<lb/>
stens für Ausbildungsmöglichkeit auf <hi rendition="#g">diesem</hi> Gebiete um-<lb/>
fassende Sorge getragen wäre. Aber das war keineswegs der<lb/>
Fall. Nur als Luxusobjekt, zur angenehmen Unterhaltung des<lb/>
Mannes wurde die Mehrzahl der jungen Mädchen erzogen,<lb/>
Pflichterfüllung, Pflichtbewußtsein blieben ihnen fremdartige<lb/>
Begriffe. Wie mancher junge Ehemann hat unter allzu sorgloser<lb/>
Auffassung von Frauenausbildung und Frauenpflichten zu lei-<lb/>
den gehabt, hat viel Lehrgeld zahlen müssen, weil seine Frau<lb/>
das in der Jugend an ihr Versäumte &#x2013; gründliche hauswirt-<lb/>
schaftliche Ausbildung &#x2013; erst nachträglich in der Ehe sich an-<lb/>
zueignen versuchte. Und wohl ihm, wenn sie es wenigstens<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[34/0044] spiele des Lettevereins folgend, entstanden in den verschiedensten Städten Frauen-Erwerbsvereine. Jch nenne die ältesten unter ihnen: Breslau 1866, Bremen 1867, Cassel 1869, Dresden 1870, der Berliner Hausfrauenverein 1873, Frankfurt a. M. 1876, Han- nover 1877. Z. T. durch diese Vereine, z. T. auch durch Kreise, die dem Vaterländischen Frauenverein nahstanden (badischer Frauenverein, Alice-Vereine in Hessen) oder auch wohl von ein- zelnen tatkräftigen Persönlichkeiten wurden Fachschulen für Mädchen eröffnet, städtische Handels- und Gewerbeschulen ent- standen, und auch der Staat ward sich dann endlich seiner Pflicht bewußt, nicht nur den Männern, sondern auch den Frauen Ausbildungsmöglichkeit, Berufsschulung zu geben. Jn Posen, Rheydt und neuerdings in Potsdam wurden in Preußen Kgl. Handels- und Gewerbeschulen für Mädchen eröffnet; aber die Mehrzahl solcher Schulen wird noch immer aus Privat- mitteln, resp. durch Vereine, die wiederum aus Privatunter- stützung angewiesen sind, erhalten. Nun hätte man vielleicht erwarten können, daß von Seiten derjenigen, die die Frauen immer wieder ins Haus, auf ihre natürlichen Pflichten als Gattin und Mutter hinwiesen, wenig- stens für Ausbildungsmöglichkeit auf diesem Gebiete um- fassende Sorge getragen wäre. Aber das war keineswegs der Fall. Nur als Luxusobjekt, zur angenehmen Unterhaltung des Mannes wurde die Mehrzahl der jungen Mädchen erzogen, Pflichterfüllung, Pflichtbewußtsein blieben ihnen fremdartige Begriffe. Wie mancher junge Ehemann hat unter allzu sorgloser Auffassung von Frauenausbildung und Frauenpflichten zu lei- den gehabt, hat viel Lehrgeld zahlen müssen, weil seine Frau das in der Jugend an ihr Versäumte – gründliche hauswirt- schaftliche Ausbildung – erst nachträglich in der Ehe sich an- zueignen versuchte. Und wohl ihm, wenn sie es wenigstens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-11-13T13:59:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-08-20T13:59:15Z)
Anna Pfundt: Konvertierung nach DTA-Basisformat. (2015-08-06T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: wie Vorlage; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/44
Zitationshilfe: Krukenberg, Elsbeth: Die Frauenbewegung, ihre Ziele und ihre Bedeutung. Tübingen, 1905, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krukenberg_frauenbewegung_1905/44>, abgerufen am 21.11.2024.