Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich habe es gesagt, erwiderte Woldemar ruhig, mit einem Blick auf John, der wohl nicht ganz frei von Geringschätzung war. John biß die Lippen zusammen. -- Wohlan denn, rief er auf einmal sich ermannend und sein Glas hinunterstürzend, das wollen wir doch sehen; ich halte ihn beim Wort. Alle stutzten; aber als Holger von einer bösen Ahnung geleitet ihn zurückhalten wollte, drängten die Uebrigen ihn zurück; Alle auf ein Abenteuer begierig, das Keiner von ihnen sich scheuete selbst zu bestehen. John schwang sich auf das Gesims hinaus, und glühend von Champagner und Ehrgeiz legte er ohne das mindeste Zeichen von Furcht den Weg nach dem Fenster hin zurück, und nachdem er leise angeklopft und dem Mädchen seinen Morgengruß zugeflüstert hatte, kehrte er eben so unbefangen wieder um. Nun! sagte er, sich in das Zimmer hineinschwingend, ich bin fertig. Woldemar, der, als er ihn auf dem Rückwege sah, sich ernst von dem Fenster zurückgezogen und still niedergesetzt hatte, erhob sich rasch. Du bist wohl toll? riefen die Uebrigen, zwischen ihn und das Fenster tretend. Wer von uns zweifelt an deinem Muth? Laß das! sagte Holger ernst, mit einem finstern Blick auf John. Selbst meinem ärgsten Feind wollte Ich habe es gesagt, erwiderte Woldemar ruhig, mit einem Blick auf John, der wohl nicht ganz frei von Geringschätzung war. John biß die Lippen zusammen. — Wohlan denn, rief er auf einmal sich ermannend und sein Glas hinunterstürzend, das wollen wir doch sehen; ich halte ihn beim Wort. Alle stutzten; aber als Holger von einer bösen Ahnung geleitet ihn zurückhalten wollte, drängten die Uebrigen ihn zurück; Alle auf ein Abenteuer begierig, das Keiner von ihnen sich scheuete selbst zu bestehen. John schwang sich auf das Gesims hinaus, und glühend von Champagner und Ehrgeiz legte er ohne das mindeste Zeichen von Furcht den Weg nach dem Fenster hin zurück, und nachdem er leise angeklopft und dem Mädchen seinen Morgengruß zugeflüstert hatte, kehrte er eben so unbefangen wieder um. Nun! sagte er, sich in das Zimmer hineinschwingend, ich bin fertig. Woldemar, der, als er ihn auf dem Rückwege sah, sich ernst von dem Fenster zurückgezogen und still niedergesetzt hatte, erhob sich rasch. Du bist wohl toll? riefen die Uebrigen, zwischen ihn und das Fenster tretend. Wer von uns zweifelt an deinem Muth? Laß das! sagte Holger ernst, mit einem finstern Blick auf John. Selbst meinem ärgsten Feind wollte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0024"/> <p>Ich habe es gesagt, erwiderte Woldemar ruhig, mit einem Blick auf John, der wohl nicht ganz frei von Geringschätzung war.</p><lb/> <p>John biß die Lippen zusammen. — Wohlan denn, rief er auf einmal sich ermannend und sein Glas hinunterstürzend, das wollen wir doch sehen; ich halte ihn beim Wort.</p><lb/> <p>Alle stutzten; aber als Holger von einer bösen Ahnung geleitet ihn zurückhalten wollte, drängten die Uebrigen ihn zurück; Alle auf ein Abenteuer begierig, das Keiner von ihnen sich scheuete selbst zu bestehen. John schwang sich auf das Gesims hinaus, und glühend von Champagner und Ehrgeiz legte er ohne das mindeste Zeichen von Furcht den Weg nach dem Fenster hin zurück, und nachdem er leise angeklopft und dem Mädchen seinen Morgengruß zugeflüstert hatte, kehrte er eben so unbefangen wieder um.</p><lb/> <p>Nun! sagte er, sich in das Zimmer hineinschwingend, ich bin fertig.</p><lb/> <p>Woldemar, der, als er ihn auf dem Rückwege sah, sich ernst von dem Fenster zurückgezogen und still niedergesetzt hatte, erhob sich rasch.</p><lb/> <p>Du bist wohl toll? riefen die Uebrigen, zwischen ihn und das Fenster tretend. Wer von uns zweifelt an deinem Muth?</p><lb/> <p>Laß das! sagte Holger ernst, mit einem finstern Blick auf John. Selbst meinem ärgsten Feind wollte<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Ich habe es gesagt, erwiderte Woldemar ruhig, mit einem Blick auf John, der wohl nicht ganz frei von Geringschätzung war.
John biß die Lippen zusammen. — Wohlan denn, rief er auf einmal sich ermannend und sein Glas hinunterstürzend, das wollen wir doch sehen; ich halte ihn beim Wort.
Alle stutzten; aber als Holger von einer bösen Ahnung geleitet ihn zurückhalten wollte, drängten die Uebrigen ihn zurück; Alle auf ein Abenteuer begierig, das Keiner von ihnen sich scheuete selbst zu bestehen. John schwang sich auf das Gesims hinaus, und glühend von Champagner und Ehrgeiz legte er ohne das mindeste Zeichen von Furcht den Weg nach dem Fenster hin zurück, und nachdem er leise angeklopft und dem Mädchen seinen Morgengruß zugeflüstert hatte, kehrte er eben so unbefangen wieder um.
Nun! sagte er, sich in das Zimmer hineinschwingend, ich bin fertig.
Woldemar, der, als er ihn auf dem Rückwege sah, sich ernst von dem Fenster zurückgezogen und still niedergesetzt hatte, erhob sich rasch.
Du bist wohl toll? riefen die Uebrigen, zwischen ihn und das Fenster tretend. Wer von uns zweifelt an deinem Muth?
Laß das! sagte Holger ernst, mit einem finstern Blick auf John. Selbst meinem ärgsten Feind wollte
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Zitationshilfe: | Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/24>, abgerufen am 16.07.2024. |