Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Warte! -- rief Holger auf einmal, indem er rasch den Seitendolch zog, den Aermel in die Höhe schob und sich am Arm leicht verwundete. -- Hier ist mein Blut, komm, laß einige Tropfen in dein Glas tröpfeln, und dann gehören wir uns auf ewig. Sein Feuer theilte sich dem kälteren Freunde mit. Lächelnd, zum ersten Mal vielleicht seit den Kinderjahren mit nassen Augen, ergriff er schweigend den Dolch des Freundes und ließ in das Glas desselben die rothe Weihe aus seinen Adern hineinsprudeln. -- Weißt du auch, sagte er, indem er Holgern das Glas hinreichte, daß unsere Vorfahren auch so in ihrem Blute die Bundesbrüderschaft im Leben und Tod tranken? -- Schweigend Hand in Hand leerten sie die Gläser. So -- nahm Holger das Wort, indem er zugleich mit dem Freunde das Glas so hart niedersetzte, daß beide entzweibrachen. -- Sind wir denn nicht auch beide so ein Stück von den Vorfahren? Weniger treu und fest werden wir nicht sein. Kein Dritter vermag von nun an uns irre an uns zu machen. An jenem Morgen wurde mir die Wahrheit klar; nun weiß ich, wer meine Zeichnung zerstört hat. Möglich! erwiederte Woldemar kurz mit einem finstern Blick. Gewiß! -- du weißt es auch, fuhr Holger zuversichtlich fort, eben so gut wie ich; denn ohne Zweifel hat dieselbe Hand auch die deine zernichtet, wenn auch -- Nein, Holger! unterbrach ihn Woldemar rasch. Warte! — rief Holger auf einmal, indem er rasch den Seitendolch zog, den Aermel in die Höhe schob und sich am Arm leicht verwundete. — Hier ist mein Blut, komm, laß einige Tropfen in dein Glas tröpfeln, und dann gehören wir uns auf ewig. Sein Feuer theilte sich dem kälteren Freunde mit. Lächelnd, zum ersten Mal vielleicht seit den Kinderjahren mit nassen Augen, ergriff er schweigend den Dolch des Freundes und ließ in das Glas desselben die rothe Weihe aus seinen Adern hineinsprudeln. — Weißt du auch, sagte er, indem er Holgern das Glas hinreichte, daß unsere Vorfahren auch so in ihrem Blute die Bundesbrüderschaft im Leben und Tod tranken? — Schweigend Hand in Hand leerten sie die Gläser. So — nahm Holger das Wort, indem er zugleich mit dem Freunde das Glas so hart niedersetzte, daß beide entzweibrachen. — Sind wir denn nicht auch beide so ein Stück von den Vorfahren? Weniger treu und fest werden wir nicht sein. Kein Dritter vermag von nun an uns irre an uns zu machen. An jenem Morgen wurde mir die Wahrheit klar; nun weiß ich, wer meine Zeichnung zerstört hat. Möglich! erwiederte Woldemar kurz mit einem finstern Blick. Gewiß! — du weißt es auch, fuhr Holger zuversichtlich fort, eben so gut wie ich; denn ohne Zweifel hat dieselbe Hand auch die deine zernichtet, wenn auch — Nein, Holger! unterbrach ihn Woldemar rasch. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0031"/> Warte! — rief Holger auf einmal, indem er rasch den Seitendolch zog, den Aermel in die Höhe schob und sich am Arm leicht verwundete. — Hier ist mein Blut, komm, laß einige Tropfen in dein Glas tröpfeln, und dann gehören wir uns auf ewig.</p><lb/> <p>Sein Feuer theilte sich dem kälteren Freunde mit. Lächelnd, zum ersten Mal vielleicht seit den Kinderjahren mit nassen Augen, ergriff er schweigend den Dolch des Freundes und ließ in das Glas desselben die rothe Weihe aus seinen Adern hineinsprudeln. — Weißt du auch, sagte er, indem er Holgern das Glas hinreichte, daß unsere Vorfahren auch so in ihrem Blute die Bundesbrüderschaft im Leben und Tod tranken? — Schweigend Hand in Hand leerten sie die Gläser.</p><lb/> <p>So — nahm Holger das Wort, indem er zugleich mit dem Freunde das Glas so hart niedersetzte, daß beide entzweibrachen. — Sind wir denn nicht auch beide so ein Stück von den Vorfahren? Weniger treu und fest werden wir nicht sein. Kein Dritter vermag von nun an uns irre an uns zu machen. An jenem Morgen wurde mir die Wahrheit klar; nun weiß ich, wer meine Zeichnung zerstört hat.</p><lb/> <p>Möglich! erwiederte Woldemar kurz mit einem finstern Blick.</p><lb/> <p>Gewiß! — du weißt es auch, fuhr Holger zuversichtlich fort, eben so gut wie ich; denn ohne Zweifel hat dieselbe Hand auch die deine zernichtet, wenn auch —</p><lb/> <p>Nein, Holger! unterbrach ihn Woldemar rasch.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Warte! — rief Holger auf einmal, indem er rasch den Seitendolch zog, den Aermel in die Höhe schob und sich am Arm leicht verwundete. — Hier ist mein Blut, komm, laß einige Tropfen in dein Glas tröpfeln, und dann gehören wir uns auf ewig.
Sein Feuer theilte sich dem kälteren Freunde mit. Lächelnd, zum ersten Mal vielleicht seit den Kinderjahren mit nassen Augen, ergriff er schweigend den Dolch des Freundes und ließ in das Glas desselben die rothe Weihe aus seinen Adern hineinsprudeln. — Weißt du auch, sagte er, indem er Holgern das Glas hinreichte, daß unsere Vorfahren auch so in ihrem Blute die Bundesbrüderschaft im Leben und Tod tranken? — Schweigend Hand in Hand leerten sie die Gläser.
So — nahm Holger das Wort, indem er zugleich mit dem Freunde das Glas so hart niedersetzte, daß beide entzweibrachen. — Sind wir denn nicht auch beide so ein Stück von den Vorfahren? Weniger treu und fest werden wir nicht sein. Kein Dritter vermag von nun an uns irre an uns zu machen. An jenem Morgen wurde mir die Wahrheit klar; nun weiß ich, wer meine Zeichnung zerstört hat.
Möglich! erwiederte Woldemar kurz mit einem finstern Blick.
Gewiß! — du weißt es auch, fuhr Holger zuversichtlich fort, eben so gut wie ich; denn ohne Zweifel hat dieselbe Hand auch die deine zernichtet, wenn auch —
Nein, Holger! unterbrach ihn Woldemar rasch.
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