Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

was Unwürdiges zugeflüstert wäre; doch verschwand der Ausdruck bald und verschmolz während Woldemar's einfachen aber warmen Berichts um so rührender, als dieser seinen Stolz siegreich bekämpfte, in eine wahre väterliche Milde. Der Jüngling schloß damit, daß er den Capitän geradezu ersuchte, ihm den schlichten Reif zu überlassen und ihm zu gestatten den Stein in einen andern einsetzen zu dürfen. Der Chef hörte ihn völlig zu Ende, erwiderte aber nichts auf seine Bitte, empfing nur das Kleinod, unter freudigen lauten Danksagungen, und beeilte sich, alle Offiziere zusammenzurufen. um ihnen dies frohe Ereigniß mitzutheilen.

Als diese wieder die Kajüte verließen, trat in dem ersten unbemerkten Augenblicke John zu Holger hin und flüsterte ihm mit einem stechenden Blicke zu: Nun, nimmst du dein Wort zurück?

Nein! entgegnete Holger gedämpft, aber doch so laut, daß John unwillkürlich erschrak; nein, Lieutenant Re-- hat zwar den Ring gefunden und in seiner Obhut behalten; aber der Ton, womit Ihr es mir berichtet habt, enthielt dennoch eine Lüge, und das wußtet Ihr recht gut; eine Lüge, sage ich, und bin bereit Euch Rede zu stehn.

Mit diesen Worten, von einem zerschmetternden Blick begleitet, verließ er John, der sich wohl hütete, ihn zurückzuhalten, und von dieser Stunde an fast auffallend ihm aus dem Wege ging.

Die Reise ging indeß immer glücklicher von stat-

was Unwürdiges zugeflüstert wäre; doch verschwand der Ausdruck bald und verschmolz während Woldemar's einfachen aber warmen Berichts um so rührender, als dieser seinen Stolz siegreich bekämpfte, in eine wahre väterliche Milde. Der Jüngling schloß damit, daß er den Capitän geradezu ersuchte, ihm den schlichten Reif zu überlassen und ihm zu gestatten den Stein in einen andern einsetzen zu dürfen. Der Chef hörte ihn völlig zu Ende, erwiderte aber nichts auf seine Bitte, empfing nur das Kleinod, unter freudigen lauten Danksagungen, und beeilte sich, alle Offiziere zusammenzurufen. um ihnen dies frohe Ereigniß mitzutheilen.

Als diese wieder die Kajüte verließen, trat in dem ersten unbemerkten Augenblicke John zu Holger hin und flüsterte ihm mit einem stechenden Blicke zu: Nun, nimmst du dein Wort zurück?

Nein! entgegnete Holger gedämpft, aber doch so laut, daß John unwillkürlich erschrak; nein, Lieutenant Re— hat zwar den Ring gefunden und in seiner Obhut behalten; aber der Ton, womit Ihr es mir berichtet habt, enthielt dennoch eine Lüge, und das wußtet Ihr recht gut; eine Lüge, sage ich, und bin bereit Euch Rede zu stehn.

Mit diesen Worten, von einem zerschmetternden Blick begleitet, verließ er John, der sich wohl hütete, ihn zurückzuhalten, und von dieser Stunde an fast auffallend ihm aus dem Wege ging.

Die Reise ging indeß immer glücklicher von stat-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045"/>
was Unwürdiges zugeflüstert wäre;      doch verschwand der Ausdruck bald und verschmolz während Woldemar's einfachen aber warmen      Berichts um so rührender, als dieser seinen Stolz siegreich bekämpfte, in eine wahre väterliche      Milde. Der Jüngling schloß damit, daß er den Capitän geradezu ersuchte, ihm den schlichten Reif      zu überlassen und ihm zu gestatten den Stein in einen andern einsetzen zu dürfen. Der Chef      hörte ihn völlig zu Ende, erwiderte aber nichts auf seine Bitte, empfing nur das Kleinod, unter      freudigen lauten Danksagungen, und beeilte sich, alle Offiziere zusammenzurufen. um ihnen dies      frohe Ereigniß mitzutheilen.</p><lb/>
        <p>Als diese wieder die Kajüte verließen, trat in dem ersten unbemerkten Augenblicke John zu      Holger hin und flüsterte ihm mit einem stechenden Blicke zu: Nun, nimmst du dein Wort      zurück?</p><lb/>
        <p>Nein! entgegnete Holger gedämpft, aber doch so laut, daß John unwillkürlich erschrak; nein,      Lieutenant Re&#x2014; hat zwar den Ring gefunden und in seiner Obhut behalten; aber der Ton, womit Ihr      es mir berichtet habt, enthielt dennoch eine Lüge, und das wußtet Ihr recht gut; eine Lüge,      sage ich, und bin bereit Euch Rede zu stehn.</p><lb/>
        <p>Mit diesen Worten, von einem zerschmetternden Blick begleitet, verließ er John, der sich wohl      hütete, ihn zurückzuhalten, und von dieser Stunde an fast auffallend ihm aus dem Wege ging.</p><lb/>
        <p>Die Reise ging indeß immer glücklicher von stat-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0045] was Unwürdiges zugeflüstert wäre; doch verschwand der Ausdruck bald und verschmolz während Woldemar's einfachen aber warmen Berichts um so rührender, als dieser seinen Stolz siegreich bekämpfte, in eine wahre väterliche Milde. Der Jüngling schloß damit, daß er den Capitän geradezu ersuchte, ihm den schlichten Reif zu überlassen und ihm zu gestatten den Stein in einen andern einsetzen zu dürfen. Der Chef hörte ihn völlig zu Ende, erwiderte aber nichts auf seine Bitte, empfing nur das Kleinod, unter freudigen lauten Danksagungen, und beeilte sich, alle Offiziere zusammenzurufen. um ihnen dies frohe Ereigniß mitzutheilen. Als diese wieder die Kajüte verließen, trat in dem ersten unbemerkten Augenblicke John zu Holger hin und flüsterte ihm mit einem stechenden Blicke zu: Nun, nimmst du dein Wort zurück? Nein! entgegnete Holger gedämpft, aber doch so laut, daß John unwillkürlich erschrak; nein, Lieutenant Re— hat zwar den Ring gefunden und in seiner Obhut behalten; aber der Ton, womit Ihr es mir berichtet habt, enthielt dennoch eine Lüge, und das wußtet Ihr recht gut; eine Lüge, sage ich, und bin bereit Euch Rede zu stehn. Mit diesen Worten, von einem zerschmetternden Blick begleitet, verließ er John, der sich wohl hütete, ihn zurückzuhalten, und von dieser Stunde an fast auffallend ihm aus dem Wege ging. Die Reise ging indeß immer glücklicher von stat-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T13:52:36Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T13:52:36Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/45
Zitationshilfe: Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kruse_freundschaft_1910/45>, abgerufen am 21.11.2024.