Kruse, Laurids: Nordische Freundschaft. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–105. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Es giebt Begegnisse in der Welt, die, obgleich ins Innere der Menschen tief eingreifend, doch in ihrer äußeren Erscheinung, so wie manche schöne oder schlechte That, nur eine so flüchtige Aufmerksamkeit erregen, daß sie kaum bemerkt in den Wellen der Zeit untergehen, wie erschütternd sie auch dem scharfen, aber schweigenden Beobachter sich darstellen; unter solche gehört folgende Begebenheit. Der Leser, es sei vorausgesagt, wird sich vergebens bemühen, die näheren Beziehungen im Leben selbst aufzufinden, ja, je näher er dem Schauplatze der Begebenheit sich befindet, sogar manche Einzelnheit unwahrscheinlich finden, weil Zeit, Locale der Katastrophe, kurz alle unwesentlichen Verhältnisse mit Fleiß, um ihn irre zu führen, anders gestellt sind, damit kein noch Lebender sich mit Wehmuth erkannt fühlen möge; allein an der inneren Wahrheit der Geschichte ist nichts verrückt. In Kopenhagen befindet sich ein eben nicht sehr großer, aber symmetrisch schöner achteckiger Platz, den vier einander gegenüberstehende Paläste in einem nicht ungefälligen Stile bilden; in ihrer Mitte steht die Statue eines wegen seiner Herzensgüte unvergeßlichen Es giebt Begegnisse in der Welt, die, obgleich ins Innere der Menschen tief eingreifend, doch in ihrer äußeren Erscheinung, so wie manche schöne oder schlechte That, nur eine so flüchtige Aufmerksamkeit erregen, daß sie kaum bemerkt in den Wellen der Zeit untergehen, wie erschütternd sie auch dem scharfen, aber schweigenden Beobachter sich darstellen; unter solche gehört folgende Begebenheit. Der Leser, es sei vorausgesagt, wird sich vergebens bemühen, die näheren Beziehungen im Leben selbst aufzufinden, ja, je näher er dem Schauplatze der Begebenheit sich befindet, sogar manche Einzelnheit unwahrscheinlich finden, weil Zeit, Locale der Katastrophe, kurz alle unwesentlichen Verhältnisse mit Fleiß, um ihn irre zu führen, anders gestellt sind, damit kein noch Lebender sich mit Wehmuth erkannt fühlen möge; allein an der inneren Wahrheit der Geschichte ist nichts verrückt. In Kopenhagen befindet sich ein eben nicht sehr großer, aber symmetrisch schöner achteckiger Platz, den vier einander gegenüberstehende Paläste in einem nicht ungefälligen Stile bilden; in ihrer Mitte steht die Statue eines wegen seiner Herzensgüte unvergeßlichen <TEI> <text> <pb facs="#f0006"/> <body> <div n="1"> <p>Es giebt Begegnisse in der Welt, die, obgleich ins Innere der Menschen tief eingreifend, doch in ihrer äußeren Erscheinung, so wie manche schöne oder schlechte That, nur eine so flüchtige Aufmerksamkeit erregen, daß sie kaum bemerkt in den Wellen der Zeit untergehen, wie erschütternd sie auch dem scharfen, aber schweigenden Beobachter sich darstellen; unter solche gehört folgende Begebenheit. Der Leser, es sei vorausgesagt, wird sich vergebens bemühen, die näheren Beziehungen im Leben selbst aufzufinden, ja, je näher er dem Schauplatze der Begebenheit sich befindet, sogar manche Einzelnheit unwahrscheinlich finden, weil Zeit, Locale der Katastrophe, kurz alle unwesentlichen Verhältnisse mit Fleiß, um ihn irre zu führen, anders gestellt sind, damit kein noch Lebender sich mit Wehmuth erkannt fühlen möge; allein an der inneren Wahrheit der Geschichte ist nichts verrückt.</p><lb/> <p>In Kopenhagen befindet sich ein eben nicht sehr großer, aber symmetrisch schöner achteckiger Platz, den vier einander gegenüberstehende Paläste in einem nicht ungefälligen Stile bilden; in ihrer Mitte steht die Statue eines wegen seiner Herzensgüte unvergeßlichen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0006]
Es giebt Begegnisse in der Welt, die, obgleich ins Innere der Menschen tief eingreifend, doch in ihrer äußeren Erscheinung, so wie manche schöne oder schlechte That, nur eine so flüchtige Aufmerksamkeit erregen, daß sie kaum bemerkt in den Wellen der Zeit untergehen, wie erschütternd sie auch dem scharfen, aber schweigenden Beobachter sich darstellen; unter solche gehört folgende Begebenheit. Der Leser, es sei vorausgesagt, wird sich vergebens bemühen, die näheren Beziehungen im Leben selbst aufzufinden, ja, je näher er dem Schauplatze der Begebenheit sich befindet, sogar manche Einzelnheit unwahrscheinlich finden, weil Zeit, Locale der Katastrophe, kurz alle unwesentlichen Verhältnisse mit Fleiß, um ihn irre zu führen, anders gestellt sind, damit kein noch Lebender sich mit Wehmuth erkannt fühlen möge; allein an der inneren Wahrheit der Geschichte ist nichts verrückt.
In Kopenhagen befindet sich ein eben nicht sehr großer, aber symmetrisch schöner achteckiger Platz, den vier einander gegenüberstehende Paläste in einem nicht ungefälligen Stile bilden; in ihrer Mitte steht die Statue eines wegen seiner Herzensgüte unvergeßlichen
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