Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
Daher auch das völlig unberechtigte Erstaunen darüber, N002
mit "wieviel Verständnis" ich, von jeher ein Politökonom des N003
Kapitalismus, seit einigen Monaten in die Diskussion politöko- N004
nom nomischer Fragen unserer Gegenwart der DDR eingreife. Schließ- 05"/> lich gehört nicht allzuviel dazu, um zu verstehen, daß C auch N006
in der sozialistischen Gesellschaft, wie immer man es dort nennt, N007
eine entscheidende Funktion für die Berechnung des volkswirt- N008
schaftlichen Nutzeffekts hat, daß Administration, Politik und N009
die Initiative der Massen niemals an die Stelle der ökonomischen N010
Gesetzmäßigkeiten treten können, daß Manipulation nicht Aus- N011
nutzung von Gesetzen bedeutet, daß Ausbügelung der Folgen unserer N012
Fehler durch die Hilfe der Sowjetunion keine Rechtfertigung N013
unserer Fehler und damit unserer Politik ist, daß "Gradlinigkeit" N014
unserer Politik als Verkündigung weder ihr laufendes Schwanken N015
verhüllt, noch die Anhäufung von Fehlern in großer Stetigkeit N016
Jahre hindurch die Berechtigung gibt, die Politik stetig und fest N017
zu nennen.

N001
3.1.1963 Gorisch

N001
Die Wirtschaftswissenschaftler-Konferenz Anfang Dezember N002
war enorm interessant. Da nach einmütigem Urteil Fritz Behrens N003
und ich die beiden besten Beiträge hielten (also die "führenden N004
Revisionisten" von 1957/58), und da nach ebenfalls einmütigem N005
Urteil die Beiträge von Führung in Partei und Regierung (vor N006
allem von Mewis und Rumpf) schwach waren, ergab sich, daß die N007
Wirtschaftswissenschaftler mit kleinem Vorsprung vor den Prak- N008
tikern in den Betrieben am besten abschnitten. Daraus "ergab" N009
sich im Schlußwort von Mewis, daß die Wirtschaftswissenschaftler N010
hinter den Erfordernissen der Realität zurückgeblieben sind.

N001
Daher auch das völlig unberechtigte Erstaunen darüber, N002
mit "wieviel Verständnis" ich, von jeher ein Politökonom des N003
Kapitalismus, seit einigen Monaten in die Diskussion politöko- N004
nom nomischer Fragen unserer Gegenwart der DDR eingreife. Schließ- 05"/> lich gehört nicht allzuviel dazu, um zu verstehen, daß C auch N006
in der sozialistischen Gesellschaft, wie immer man es dort nennt, N007
eine entscheidende Funktion für die Berechnung des volkswirt- N008
schaftlichen Nutzeffekts hat, daß Administration, Politik und N009
die Initiative der Massen niemals an die Stelle der ökonomischen N010
Gesetzmäßigkeiten treten können, daß Manipulation nicht Aus- N011
nutzung von Gesetzen bedeutet, daß Ausbügelung der Folgen unserer N012
Fehler durch die Hilfe der Sowjetunion keine Rechtfertigung N013
unserer Fehler und damit unserer Politik ist, daß "Gradlinigkeit" N014
unserer Politik als Verkündigung weder ihr laufendes Schwanken N015
verhüllt, noch die Anhäufung von Fehlern in großer Stetigkeit N016
Jahre hindurch die Berechtigung gibt, die Politik stetig und fest N017
zu nennen.

N001
3.1.1963 Gorisch

N001
Die Wirtschaftswissenschaftler-Konferenz Anfang Dezember N002
war enorm interessant. Da nach einmütigem Urteil Fritz Behrens N003
und ich die beiden besten Beiträge hielten (also die "führenden N004
Revisionisten" von 1957/58), und da nach ebenfalls einmütigem N005
Urteil die Beiträge von Führung in Partei und Regierung (vor N006
allem von Mewis und Rumpf) schwach waren, ergab sich, daß die N007
Wirtschaftswissenschaftler mit kleinem Vorsprung vor den Prak- N008
tikern in den Betrieben am besten abschnitten. Daraus "ergab" N009
sich im Schlußwort von Mewis, daß die Wirtschaftswissenschaftler N010
hinter den Erfordernissen der Realität zurückgeblieben sind.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0152"/>
        <p><lb n="N001"/>
Daher auch das völlig unberechtigte Erstaunen darüber,     <lb n="N002"/>
mit "wieviel Verständnis" ich, von jeher ein Politökonom des <lb n="N003"/>
Kapitalismus, seit einigen Monaten in die Diskussion politöko-     <lb n="N004"/>
nom nomischer Fragen unserer Gegenwart der DDR eingreife. Schließ- 05"/&gt; lich gehört nicht allzuviel dazu, um zu verstehen, daß C auch     <lb n="N006"/>
in der sozialistischen Gesellschaft, wie immer man es dort nennt,     <lb n="N007"/>
eine entscheidende Funktion für die Berechnung des volkswirt- <lb n="N008"/>
schaftlichen Nutzeffekts hat, daß Administration, Politik und     <lb n="N009"/>
die Initiative der Massen niemals an die Stelle der ökonomischen     <lb n="N010"/>
Gesetzmäßigkeiten treten können, daß Manipulation nicht Aus-     <lb n="N011"/>
nutzung von Gesetzen bedeutet, daß Ausbügelung der Folgen unserer     <lb n="N012"/>
Fehler durch die Hilfe der Sowjetunion keine Rechtfertigung     <lb n="N013"/>
unserer Fehler und damit unserer Politik ist, daß "Gradlinigkeit" <lb n="N014"/>
unserer Politik als Verkündigung weder ihr laufendes Schwanken     <lb n="N015"/>
verhüllt, noch die Anhäufung von Fehlern in großer Stetigkeit     <lb n="N016"/>
Jahre hindurch die Berechtigung gibt, die Politik stetig und fest     <lb n="N017"/>
zu nennen.</p>
        <p><lb n="N001"/>
3.1.1963 Gorisch</p>
        <p><lb n="N001"/>
Die Wirtschaftswissenschaftler-Konferenz Anfang Dezember     <lb n="N002"/>
war enorm interessant. Da nach einmütigem Urteil Fritz Behrens     <lb n="N003"/>
und ich die beiden besten Beiträge hielten (also die "führenden <lb n="N004"/>
Revisionisten" von 1957/58), und da nach ebenfalls einmütigem <lb n="N005"/>
Urteil die Beiträge von Führung in Partei und Regierung (vor     <lb n="N006"/>
allem von Mewis und Rumpf) schwach waren, ergab sich, daß die <lb n="N007"/>
Wirtschaftswissenschaftler mit kleinem Vorsprung vor den Prak-     <lb n="N008"/>
tikern in den Betrieben am besten abschnitten. Daraus "ergab" <lb n="N009"/>
sich im Schlußwort von Mewis, daß die Wirtschaftswissenschaftler     <lb n="N010"/>
hinter den Erfordernissen der Realität zurückgeblieben sind.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0152] N001 Daher auch das völlig unberechtigte Erstaunen darüber, N002 mit "wieviel Verständnis" ich, von jeher ein Politökonom des N003 Kapitalismus, seit einigen Monaten in die Diskussion politöko- N004 nom nomischer Fragen unserer Gegenwart der DDR eingreife. Schließ- 05"/> lich gehört nicht allzuviel dazu, um zu verstehen, daß C auch N006 in der sozialistischen Gesellschaft, wie immer man es dort nennt, N007 eine entscheidende Funktion für die Berechnung des volkswirt- N008 schaftlichen Nutzeffekts hat, daß Administration, Politik und N009 die Initiative der Massen niemals an die Stelle der ökonomischen N010 Gesetzmäßigkeiten treten können, daß Manipulation nicht Aus- N011 nutzung von Gesetzen bedeutet, daß Ausbügelung der Folgen unserer N012 Fehler durch die Hilfe der Sowjetunion keine Rechtfertigung N013 unserer Fehler und damit unserer Politik ist, daß "Gradlinigkeit" N014 unserer Politik als Verkündigung weder ihr laufendes Schwanken N015 verhüllt, noch die Anhäufung von Fehlern in großer Stetigkeit N016 Jahre hindurch die Berechtigung gibt, die Politik stetig und fest N017 zu nennen. N001 3.1.1963 Gorisch N001 Die Wirtschaftswissenschaftler-Konferenz Anfang Dezember N002 war enorm interessant. Da nach einmütigem Urteil Fritz Behrens N003 und ich die beiden besten Beiträge hielten (also die "führenden N004 Revisionisten" von 1957/58), und da nach ebenfalls einmütigem N005 Urteil die Beiträge von Führung in Partei und Regierung (vor N006 allem von Mewis und Rumpf) schwach waren, ergab sich, daß die N007 Wirtschaftswissenschaftler mit kleinem Vorsprung vor den Prak- N008 tikern in den Betrieben am besten abschnitten. Daraus "ergab" N009 sich im Schlußwort von Mewis, daß die Wirtschaftswissenschaftler N010 hinter den Erfordernissen der Realität zurückgeblieben sind.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Archiv der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-01-09T11:07:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-01-09T11:07:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/152
Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/152>, abgerufen am 19.05.2024.