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Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

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N001
Als Varga emeritiert worden war, ernannte ihn die Akademie N002
zu ihrem Konsultanten mit einem hohen Gehalt, das er ablehnte. N003
Worauf Volgin ihn voll Zorn besuchte und ihm sagte, durch die N004
Ablehnung des Gehalts habe er es ihm (Yolgin) und anderen unmög- N005
lich gemacht, im gleichen Palle ein Gehalt anzunehman.

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Ich besinne mich noch darauf, wie mir die Akademie 1956 N002
4000 Mark im Monat bot und bemerkte, ich würde durch den üb- N003
lichen 100#igen Zuschlag bei Vorlesungen an der Universität auf N004
8000 Mark kommen. Da 4000 weniger waren als die Höchstbezahlten N005
auf gesellschaftswissenschaftlichem Gebiet erhielten, verlangte N006
ich damals das Höchstgehalt - 5000 Mark -, das ich auch erhielt, N007
und verzichtete auf jede Zusatzzahlung für meine Tätigkeit an N008
der Universität. Ich glaube, ich habe der Würde meiner Leistung N009
im Vergleich zu der anderer entsprechend gehandelt und zugleich N010
im Sinne eines ordentlichen Kommunisten, soweit das im Rahmen N011
unserer stark unterentwickelten sozialistischen Gesellschaft mög- N012
lich war.

N001
Die Presse bringt heute den Bericht des Politbüros des 11. N002
Plenums. Der gute Caden, der heute hier abreist, recht bedrückt N003
über die ihn betreffenden Formulierungen, von denen eine auf der N004
1" Seite des ND ebenso charakteristisch wie erschreckend iste N005
"Die aktive Rolle der Kunst und Literatur* künstlerisch erfassen, N006
wie unsere konstruktive Politik die Widersprüche unter den sozia- N007
listischen Bedingungen in Bewußtsein und Handeln der Menschen N008
überwindet."

N001
Das soll aktiv sein! Der Künstler als schöpferischer Kritiker N002
unserer Zeit ist also ausgeschaltet. Bs gibt also drei Gruppie- N003
rungen* Das führende Politbüro - die Massen, an denen das Polit- N004
büro bekanntlich sein Ohr haben soll - und die Künstler, die

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Als Varga emeritiert worden war, ernannte ihn die Akademie N002
zu ihrem Konsultanten mit einem hohen Gehalt, das er ablehnte. N003
Worauf Volgin ihn voll Zorn besuchte und ihm sagte, durch die N004
Ablehnung des Gehalts habe er es ihm (Yolgin) und anderen unmög- N005
lich gemacht, im gleichen Palle ein Gehalt anzunehman.

N001
Ich besinne mich noch darauf, wie mir die Akademie 1956 N002
4000 Mark im Monat bot und bemerkte, ich würde durch den üb- N003
lichen 100#igen Zuschlag bei Vorlesungen an der Universität auf N004
8000 Mark kommen. Da 4000 weniger waren als die Höchstbezahlten N005
auf gesellschaftswissenschaftlichem Gebiet erhielten, verlangte N006
ich damals das Höchstgehalt - 5000 Mark -, das ich auch erhielt, N007
und verzichtete auf jede Zusatzzahlung für meine Tätigkeit an N008
der Universität. Ich glaube, ich habe der Würde meiner Leistung N009
im Vergleich zu der anderer entsprechend gehandelt und zugleich N010
im Sinne eines ordentlichen Kommunisten, soweit das im Rahmen N011
unserer stark unterentwickelten sozialistischen Gesellschaft mög- N012
lich war.

N001
Die Presse bringt heute den Bericht des Politbüros des 11. N002
Plenums. Der gute Caden, der heute hier abreist, recht bedrückt N003
über die ihn betreffenden Formulierungen, von denen eine auf der N004
1» Seite des ND ebenso charakteristisch wie erschreckend iste N005
"Die aktive Rolle der Kunst und Literatur* künstlerisch erfassen, N006
wie unsere konstruktive Politik die Widersprüche unter den sozia- N007
listischen Bedingungen in Bewußtsein und Handeln der Menschen N008
überwindet."

N001
Das soll aktiv sein! Der Künstler als schöpferischer Kritiker N002
unserer Zeit ist also ausgeschaltet. Bs gibt also drei Gruppie- N003
rungen* Das führende Politbüro - die Massen, an denen das Polit- N004
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[16/0237] N001 Als Varga emeritiert worden war, ernannte ihn die Akademie N002 zu ihrem Konsultanten mit einem hohen Gehalt, das er ablehnte. N003 Worauf Volgin ihn voll Zorn besuchte und ihm sagte, durch die N004 Ablehnung des Gehalts habe er es ihm (Yolgin) und anderen unmög- N005 lich gemacht, im gleichen Palle ein Gehalt anzunehman. N001 Ich besinne mich noch darauf, wie mir die Akademie 1956 N002 4000 Mark im Monat bot und bemerkte, ich würde durch den üb- N003 lichen 100#igen Zuschlag bei Vorlesungen an der Universität auf N004 8000 Mark kommen. Da 4000 weniger waren als die Höchstbezahlten N005 auf gesellschaftswissenschaftlichem Gebiet erhielten, verlangte N006 ich damals das Höchstgehalt - 5000 Mark -, das ich auch erhielt, N007 und verzichtete auf jede Zusatzzahlung für meine Tätigkeit an N008 der Universität. Ich glaube, ich habe der Würde meiner Leistung N009 im Vergleich zu der anderer entsprechend gehandelt und zugleich N010 im Sinne eines ordentlichen Kommunisten, soweit das im Rahmen N011 unserer stark unterentwickelten sozialistischen Gesellschaft mög- N012 lich war. N001 Die Presse bringt heute den Bericht des Politbüros des 11. N002 Plenums. Der gute Caden, der heute hier abreist, recht bedrückt N003 über die ihn betreffenden Formulierungen, von denen eine auf der N004 1» Seite des ND ebenso charakteristisch wie erschreckend iste N005 "Die aktive Rolle der Kunst und Literatur* künstlerisch erfassen, N006 wie unsere konstruktive Politik die Widersprüche unter den sozia- N007 listischen Bedingungen in Bewußtsein und Handeln der Menschen N008 überwindet." N001 Das soll aktiv sein! Der Künstler als schöpferischer Kritiker N002 unserer Zeit ist also ausgeschaltet. Bs gibt also drei Gruppie- N003 rungen* Das führende Politbüro - die Massen, an denen das Polit- N004 büro bekanntlich sein Ohr haben soll - und die Künstler, die

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Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/237>, abgerufen am 24.11.2024.