Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987.

Bild:
<< vorherige Seite

N001
- eine Eigenschaft, die Marguerite bisweilen liebevoll an mir N002
bemängelt, und die mir im Grunde nioht bewußt ist, wenigstens N003
nicht in dem Maße, wie sie anderen auf fällt. Und sodann, obgleioh N004
ich ganz bewußt und, wie ich glaubte, fast zu erfolgreich in N005
meiner Zurückhaltung bei der Erwähnung von Marguerite war, sagt N006
man mir, genau wie bei den Memoiren, daß man spürt, was sie mir N007
ist. Natürlich ist mir meine Liebe zu ihr bewußt, aber daß sie N008
so, fast möchte ich sagen, gegen meinen Willen aus den beiden Br- N009
innerungsbüchern herausscheint, ist doch recht erstaunlich. Meine N010
Mutter hätte gesagt* Freud, Freud!

N001
Sodann hat mich Erich, nachdem ich ihm einen Durchschlag N002
meines Beitrages für die "Junge Welt" geschickt hatte, durch Harald N003
Wessel auf fordern lassen, einen Artikel für das ND zu schreiben, N004
was ich natürlich auch tat. Zuvor schon hatte er bei dem Empfang N005
der FDJ mit ihrem neuen ersten Sekretär den Chefredakteur der N006
"Jungen Welt" ermahnt, auch alles von mir zu bringen, was ich N007
ihnen gebe.

N001
Schließlich die Konferenz der Gesellschaftswissenschaftler* N002
Endlich, zwölf Jahre nachdem er mir freundschaftlich, aber so be N003
bestimmt, daß ich es nicht wieder drucken lassen konnte, wie da- N004
mals in der Zeitschrift für Philosophie, erklärt hatte, daß es N005
keine antagonistischen Gegensätze im Sozialismus geben könnte, N006
erklärte Hager, daß es solche gäbe. Aber, wie bei uns üblich, N007
kein Worb darüber, daß wir das jahrelang geleugnet haben. Und erst N008
recht kein Wort darüber, daß es so lange gedauert hat, bis wir das N009
begriffen haben.

N001
4

N002
der Gesellschaftswissenschaftler. In einer Pause sagte er mir* N001
Auch nannte er mich, was wirklich eine Ehrung war, den Nestor N001
"Du gehst doch sicher mit einem Diskussionsbeitrag schwanger",

N001
- eine Eigenschaft, die Marguerite bisweilen liebevoll an mir N002
bemängelt, und die mir im Grunde nioht bewußt ist, wenigstens N003
nicht in dem Maße, wie sie anderen auf fällt. Und sodann, obgleioh N004
ich ganz bewußt und, wie ich glaubte, fast zu erfolgreich in N005
meiner Zurückhaltung bei der Erwähnung von Marguerite war, sagt N006
man mir, genau wie bei den Memoiren, daß man spürt, was sie mir N007
ist. Natürlich ist mir meine Liebe zu ihr bewußt, aber daß sie N008
so, fast möchte ich sagen, gegen meinen Willen aus den beiden Br- N009
innerungsbüchern herausscheint, ist doch recht erstaunlich. Meine N010
Mutter hätte gesagt* Freud, Freud!

N001
Sodann hat mich Erich, nachdem ich ihm einen Durchschlag N002
meines Beitrages für die "Junge Welt" geschickt hatte, durch Harald N003
Wessel auf fordern lassen, einen Artikel für das ND zu schreiben, N004
was ich natürlich auch tat. Zuvor schon hatte er bei dem Empfang N005
der FDJ mit ihrem neuen ersten Sekretär den Chefredakteur der N006
"Jungen Welt" ermahnt, auch alles von mir zu bringen, was ich N007
ihnen gebe.

N001
Schließlich die Konferenz der Gesellschaftswissenschaftler* N002
Endlich, zwölf Jahre nachdem er mir freundschaftlich, aber so be N003
bestimmt, daß ich es nicht wieder drucken lassen konnte, wie da- N004
mals in der Zeitschrift für Philosophie, erklärt hatte, daß es N005
keine antagonistischen Gegensätze im Sozialismus geben könnte, N006
erklärte Hager, daß es solche gäbe. Aber, wie bei uns üblich, N007
kein Worb darüber, daß wir das jahrelang geleugnet haben. Und erst N008
recht kein Wort darüber, daß es so lange gedauert hat, bis wir das N009
begriffen haben.

N001
4

N002
der Gesellschaftswissenschaftler. In einer Pause sagte er mir* N001
Auch nannte er mich, was wirklich eine Ehrung war, den Nestor N001
"Du gehst doch sicher mit einem Diskussionsbeitrag schwanger",

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter">
        <pb facs="#f0828" n="27"/>
        <p><lb n="N001"/>
- eine Eigenschaft, die Marguerite bisweilen liebevoll an mir     <lb n="N002"/>
bemängelt, und die mir im Grunde nioht bewußt ist, wenigstens     <lb n="N003"/>
nicht in dem Maße, wie sie anderen auf fällt. Und sodann, obgleioh     <lb n="N004"/>
ich ganz bewußt und, wie ich glaubte, fast zu erfolgreich in     <lb n="N005"/>
meiner Zurückhaltung bei der Erwähnung von Marguerite war, sagt     <lb n="N006"/>
man mir, genau wie bei den Memoiren, daß man spürt, was sie mir     <lb n="N007"/>
ist. Natürlich ist mir meine Liebe zu ihr bewußt, aber daß sie     <lb n="N008"/>
so, fast möchte ich sagen, gegen meinen Willen aus den beiden Br-     <lb n="N009"/>
innerungsbüchern herausscheint, ist doch recht erstaunlich. Meine     <lb n="N010"/>
Mutter hätte gesagt* Freud, Freud!</p>
        <p><lb n="N001"/>
Sodann hat mich Erich, nachdem ich ihm einen Durchschlag     <lb n="N002"/>
meines Beitrages für die "Junge Welt" geschickt hatte, durch Harald     <lb n="N003"/>
Wessel auf fordern lassen, einen Artikel für das ND zu schreiben,     <lb n="N004"/>
was ich natürlich auch tat. Zuvor schon hatte er bei dem Empfang     <lb n="N005"/>
der FDJ mit ihrem neuen ersten Sekretär den Chefredakteur der     <lb n="N006"/>
"Jungen Welt" ermahnt, auch alles von mir zu bringen, was ich     <lb n="N007"/>
ihnen gebe.</p>
        <p><lb n="N001"/>
Schließlich die Konferenz der Gesellschaftswissenschaftler*     <lb n="N002"/>
Endlich, zwölf Jahre nachdem er mir freundschaftlich, aber so be     <lb n="N003"/>
bestimmt, daß ich es nicht wieder drucken lassen konnte, wie da-     <lb n="N004"/>
mals in der Zeitschrift für Philosophie, erklärt hatte, daß es     <lb n="N005"/>
keine antagonistischen Gegensätze im Sozialismus geben könnte,     <lb n="N006"/>
erklärte Hager, daß es solche gäbe. Aber, wie bei uns üblich,     <lb n="N007"/>
kein Worb darüber, daß wir das jahrelang geleugnet haben. Und erst     <lb n="N008"/>
recht kein Wort darüber, daß es so lange gedauert hat, bis wir das     <lb n="N009"/>
begriffen haben.</p>
        <p><lb n="N001"/>
4</p>
        <p><lb n="N002"/>
der Gesellschaftswissenschaftler. In einer Pause sagte er mir*     <lb n="N001"/>
Auch nannte er mich, was wirklich eine Ehrung war, den Nestor     <lb n="N001"/>
"Du gehst doch sicher mit einem Diskussionsbeitrag schwanger",</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0828] N001 - eine Eigenschaft, die Marguerite bisweilen liebevoll an mir N002 bemängelt, und die mir im Grunde nioht bewußt ist, wenigstens N003 nicht in dem Maße, wie sie anderen auf fällt. Und sodann, obgleioh N004 ich ganz bewußt und, wie ich glaubte, fast zu erfolgreich in N005 meiner Zurückhaltung bei der Erwähnung von Marguerite war, sagt N006 man mir, genau wie bei den Memoiren, daß man spürt, was sie mir N007 ist. Natürlich ist mir meine Liebe zu ihr bewußt, aber daß sie N008 so, fast möchte ich sagen, gegen meinen Willen aus den beiden Br- N009 innerungsbüchern herausscheint, ist doch recht erstaunlich. Meine N010 Mutter hätte gesagt* Freud, Freud! N001 Sodann hat mich Erich, nachdem ich ihm einen Durchschlag N002 meines Beitrages für die "Junge Welt" geschickt hatte, durch Harald N003 Wessel auf fordern lassen, einen Artikel für das ND zu schreiben, N004 was ich natürlich auch tat. Zuvor schon hatte er bei dem Empfang N005 der FDJ mit ihrem neuen ersten Sekretär den Chefredakteur der N006 "Jungen Welt" ermahnt, auch alles von mir zu bringen, was ich N007 ihnen gebe. N001 Schließlich die Konferenz der Gesellschaftswissenschaftler* N002 Endlich, zwölf Jahre nachdem er mir freundschaftlich, aber so be N003 bestimmt, daß ich es nicht wieder drucken lassen konnte, wie da- N004 mals in der Zeitschrift für Philosophie, erklärt hatte, daß es N005 keine antagonistischen Gegensätze im Sozialismus geben könnte, N006 erklärte Hager, daß es solche gäbe. Aber, wie bei uns üblich, N007 kein Worb darüber, daß wir das jahrelang geleugnet haben. Und erst N008 recht kein Wort darüber, daß es so lange gedauert hat, bis wir das N009 begriffen haben. N001 4 N002 der Gesellschaftswissenschaftler. In einer Pause sagte er mir* N001 Auch nannte er mich, was wirklich eine Ehrung war, den Nestor N001 "Du gehst doch sicher mit einem Diskussionsbeitrag schwanger",

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Archiv der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften: Bereitstellung der Texttranskription. (2020-01-09T11:07:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-01-09T11:07:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/828
Zitationshilfe: Kuczynski, Jürgen: Tagebuch. Berlin, 1987, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuczynski_tagebuch_1987/828>, abgerufen am 22.11.2024.